Bundesarbeitsgericht verhandelt Entlassung einer Caritas-Schwangerenberaterin

EuGH entscheidet nun doch über Kündigung nach Kirchenaustritt

Veröffentlicht am 01.02.2024 um 14:24 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Seit Jahren wird eine höchstrichterliche Entscheidung zur Kündigung nach Kirchenaustritt erwartet – doch beim letzten Verfahren lenkte die Kirche in letzter Sekunde ein. In einem neuen Fall wird der Europäische Gerichtshof nun erneut damit befasst.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet nun doch über die Zulässigkeit von Kündigungen nach Kirchenaustritt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am Donnerstag entschieden, die Frage dem europäischen Gericht vorzulegen (Aktenzeichen 2 AZR 196/22). Mit diesem Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH soll geklärt werden, ob die Kündigungsregelung aus dem kirchlichen Arbeitsrecht mit EU-Recht vereinbar ist. "Es bedarf der Klärung, ob die Ungleichbehandlung der Klägerin mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, vor dem Hintergrund des durch [die] Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie [...] zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen ua. wegen der Religion gerechtfertigt sein kann", so das Gericht.

Das BAG entscheidet dann auf Grundlage der verbindlichen Rechtsauffassung des EuGH zu dieser Frage. In dem Fall geht es um eine Sozialpädagogin, die während ihrer Elternzeit aus der Kirche ausgetreten ist. Nachdem Versuche scheiterten, sie zum Wiedereintritt zu bewegen, wurde sie gekündigt. Dagegen klagte die Frau und war in den Vorinstanzen in der Sache erfolgreich. Da Klägerin und Beklagte Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt eingelegt haben, ist nun das Bundesarbeitsgericht zuständig.

Austritt aus finanziellen Gründen kann zu grundsätzlicher Klärung führen

Von dem Fall wird eine grundsätzliche Klärung der Frage erwartet, ob kirchliche Einrichtungen Beschäftigte entlassen dürfen, die aus der Kirche austreten. Zuletzt endete der Rechtsstreit um die Kündigung einer Hebamme durch ein katholisches Krankenhaus ohne eine solche Klärung, da das beklagte Krankenhaus die Ansprüche der Klägerin anerkannt hatte. Damit wurde das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Klärung der Sachfrage durch ein Anerkenntnisurteil entschieden. Das BAG hatte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob eine Kündigung nach Kirchenaustritt, wie sie das kirchliche Arbeitsrecht vorsieht, mit EU-Recht vereinbar ist. Mit dem Anerkenntnisurteil entfiel für den EuGH die Grundlage, sich weiter mit dem Hebammen-Fall zu beschäftigen. Das für Mitte Januar angekündigte Gutachten des Generalanwalts, das in der Regel die Entscheidung des Gerichts wesentlich prägt, fiel damit aus und wurde auch nicht bekannt.

Im jetzt verhandelten Fall ist die Klägerin nach eigenen Angaben trotz ihres Kirchenaustritts weiterhin christlichen Werten verbunden. Ihren Austritt begründete sie vor Gericht damit, dass das Bistum Limburg ein besonderes Kirchgeld von Personen erhebt, die mit einem gut verdienenden konfessionslosen oder einer anderen Religion angehörenden Ehepartner verheiratet sind. Die Schwangerschaftsberatung sei konfessionsneutral, zum Zeitpunkt der Kündigung seien auch evangelische Beraterinnen in der Einrichtung tätig gewesen. Sie selbst berate größtenteils muslimische Frauen und habe ausdrücklich keinen Missionsauftrag, wird sie in der Entscheidung des LAG Frankfurt zitiert. Das Landesarbeitsgericht hatte durch den Kirchenaustritt keinen relevanten Verstoß gegen die vertragliche Loyalitätspflicht erkannt. Die katholische Mitarbeiterin sei im Vergleich zu ihren nicht-katholischen Kolleginnen benachteiligt worden, da nur für sie der Kirchenaustritt eine schwerwiegende Loyalitätsverletzung darstelle.

Zum Zeitpunkt der Kündigung galt die Grundordnung des kirchlichen Dienstes in der Fassung von 2015, in der bei katholischen Beschäftigten der Kirchenaustritt als schwerwiegender Verstoß gegen die Loyalitätsobliegenheiten und damit als Kündigungsgrund angegeben wird. Auch mit der 2022 erfolgten Reform der Grundordnung bleibt der Kirchenaustritt bei katholischen Mitarbeitenden in der Regel ein Kündigungsgrund. Von einer Kündigung kann der neuen Grundordnung zufolge nur ausnahmsweise abgesehen werden, "wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen." Eine Entscheidung, ob derartige Regelungen zulässig sind, hätte nicht nur für die katholische Kirche Auswirkungen. Die evangelische Kirche sieht gemäß ihrer "Richtlinie des Rates über kirchliche Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie" den Austritt aus einer Kirche ohne den Eintritt in eine andere Kirche als Kündigungsgrund an. (fxn)