Theologin Weiler: Kirche muss mehr auf die Stimmen von Frauen hören
Die Theologin Birgit Weiler hat die katholische Kirche dazu aufgerufen, die Geschlechterbeziehungen im Raum der Kirche selbstkritisch zu betrachten. Die Kirche solle "mehr auf die Stimmen von Frauen hören, die in der Kirche Ungerechtigkeiten in den Geschlechterbeziehungen erfahren. Die Kirche kann in der Gesellschaft nur dann glaubwürdig sein, wenn sie gezielt an der Überwindung dieser Ungerechtigkeiten arbeitet", schreibt Weiler in einem Beitrag für die am Donnerstag erschienene "Herder Korrespondenz"-Sonderausgabe "Gottes starke Töchter. Frauen und Ämter im Katholizismus weltweit". Wissen, Charismen, Fähigkeiten und die Arbeit von Frauen würden nicht angemessen gewürdigt, so die Theologin. Sprache, Haltungen und Gesten der Männer seien dagegen oft von einer machohaften Mentalität und Dominanz gegenüber Frauen geprägt.
Weiler, die theologische Beraterin des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM ist und auch Teilnehmer der Weltsynode berät, schreibt in ihrem Beitrag weiter, dass viele Beziehungen in der Kirche noch nicht die gleiche Würde von Priestern und gläubigen Frauen in ihren verschiedenen Berufungen widerspiegelten. Allerdings hätten die synodalen Prozesse seit der Amazoniensynode im Jahr 2019 in vielen Frauen und Männern, auch unter Bischöfen und Priestern, ein stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen, dass diese Situation nicht länger hingenommen werden dürfe, "sondern nach Veränderung ruft im Geist Jesu und seiner befreienden Botschaft vom Reich Gottes".
"Synodalität braucht Instanzen, Organe und Strukturen"
Das Abschlussdokument der kontinentalen Phase der Weltsynode betone für Lateinamerika und die Karibik, wie wichtig es in der Kirche dieser Region sei, "Räume zu öffnen, Mittel bereitzustellen und Wege für die Beteiligung von Frauen zu schaffen, um eine effektive Beteiligung der Frauen in den Instanzen der Entscheidungsfindung zu schaffen". Das, so die Theologin, erfordere nicht nur einen Mentalitätswandel in der Kirche, sondern ebenso eine Reform der kirchlichen Strukturen. "Synodalität braucht entsprechende Instanzen, Organe und Strukturen, die sie effektiv fördern und stärken", betont Weiler unter Verweis auf das lateinamerikanische Synthese-Dokument.
Sie schreibt zudem, dass in Lateinamerika vielfach kritisiert worden sei, dass der Klerikalismus die Entfaltung der Charismen von engagierten Frauen und Männern mit unterschiedlichen Berufungen beschneide oder verhindere. "Denn Klerikalismus führt nicht selten dazu, die Taufgnade, die der Heilige Geist allen in der Taufe schenkt, geringzuschätzen oder abzuwerten." In den synodalen Prozessen sei bei vielen Menschen das Bewusstsein erstarkt, dass Klerikalismus eng mit Machtmissbrauch verbunden sei. Davon seien vor allem Frauen betroffen. Es sei deshalb notwendig, konsequent für eine Überwindung des Klerikalismus und Machismo zu arbeiten, da beide mit den Werten des Evangeliums unvereinbar seien.
Im gesamten synodalen Prozess seit der Amazoniensynode sei in der lateinamerikanischen Kirche das Bewusstsein gewachsen, dass in den Ortskirchen Frauen die Mehrheit der Gläubigen bildeten und den überwiegenden Teil der Pastoral in den verschiedenen Bereichen trügen. "Ohne die Frauen ist in Lateinamerika keine Kirche zu machen. Im Verhältnis dazu sind vielerorts Frauen nur zu einem geringen Teil an Entscheidungen und an Leitung von Kirche auf den verschiedenen Ebenen beteiligt", so Weiler.
Plädoyer für den Ständigen Diakonat für Frauen
Das große kirchliche Engagement von Frauen sei vor allem in der Kirche Amazoniens zu beobachten. Der überwiegende Teil kirchlicher Präsenz dort werde – vor allem an den geographischen und sozialen Peripherien – von Frauen gewährleistet. Auch deshalb sei in zahlreichen Konsultationen zur Amazoniensynode und zum Arbeitsdokument für die kontinentale Phase in Lateinamerika und der Karibik die Bitte ausgesprochen worden, den Ständigen Diakonat für Frauen einzurichten.
Ein gewichtiges theologisches Argument dafür sei, dass die meisten Dienste, die im Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche des Zweiten Vatikanum mit Bezug auf den Ständigen Diakonat genannt würden, in vielen Gemeinden Lateinamerikas und der Karibik bereits von Frauen verrichtet würden. Zwar gebe es bei der Feier der Sakramente "aus kirchenrechtlichen Gründen die bekannten Einschränkungen". Allerdings beauftragten Bischöfe vielerorts Frauen, die Gemeinden leiteten, mit der Feier der Taufe und des Ehesakraments. "Die Gläubigen anerkennen und wertschätzen das große Glaubensengagement von Frauen, die in ihrer Person eine Kirche bezeugen, die sich auf den Weg macht zu den Menschen", so Weiler. (stz)