Weltgebetstags-Vorsitzende: Wir glauben an Macht des Gebets
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Der Weltgebetstag der Frauen klingt wie aus einer anderen Zeit: In rund 150 Ländern der Welt beten am 1. März (hauptsächlich) Frauen für Frieden im Nahen Osten. Alle Vermittlungsversuche scheitern, jetzt sollen betende Frauen es richten? Ulrike Göken-Huismann glaubt daran. Sie ist die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Komitees des Weltgebetstags der Frauen. Im Interview spricht sie über den Gebetstag und ihre Erfahrungen als Frau in der Kirche.
Frage: Für viele Menschen klingt das erstmal naiv: Alle Vermittlungsversuche im Nahen Osten scheitern, jetzt sollen betende Frauen es richten?
Göken-Huismann: Auch 1989 haben Gebete und Kerzen und Versammlungen den Fall eines politischen Systems geschafft. Die Bewegung in der ehemaligen DDR ist von den Kirchen ausgegangen. Denken Sie mal an die Montagsgebete in der Leipziger Nikolaikirche. Wir glauben an die Kraft und an die Macht des Gebetes. Deswegen laden wir in diesem Jahr auch besonders dazu ein – nicht nur Frauen, auch Männer, Kinder und Jugendliche. Es gibt auch Kindergottesdienste und Jugendgottesdienste. Weil wir an die Macht des Gebetes glauben.
Frage: Wann haben Sie das letzte Mal gebetet?
Göken-Huismann: Heute Morgen.
Frage: Darf ich Sie fragen, wofür Sie gebetet haben?
Göken-Huismann: Das ist natürlich eine ganz persönliche Frage. Ich habe heute Morgen einen Psalm gebetet. Den habe ich mit in meinen Tag genommen. Ich habe bestimmte Rituale für mich selbst, die ich morgens mache. Ich lese immer einen Vers aus der Bibel. Manchmal gefällt er mir gut, manchmal nicht so gut. Heute Morgen gefiel er mir gut. Das war ein Psalmvers. Es gibt unterschiedliche Zeiten für mich. Manchmal bete ich auch sehr intensiv für Mitglieder meiner Familie. Zum Beispiel, als meine Tochter in Kanada war: Die elfte Klasse hat sie in Kanada verbracht. Das war nicht so leicht für uns, dass sie weg war. In der Zeit habe ich sehr viel für meine Tochter gebetet.
Frage: Es ist ja nachgewiesen, dass das Gebet viele emotionale und psychologische Vorteile hat, nicht zuletzt für die Betenden selber. Können Sie beschreiben, wie sich das für Sie anfühlt? Inwiefern verändert das Gebet ihre persönliche Haltung?
Göken-Huismann: Manchmal – oder öfters – bete ich vor schwierigen Sitzungen. Wenn ich im Zug bin auf dem Weg zu einer Sitzung, einer ganztägigen Vorstandssitzung, einer Klausurtagung oder Ähnliches, dann hilft es mir einfach zu sagen: Gott, sei du heute bei uns bei dieser Sitzung, steh uns bei. Ich lege die Unruhe, die Sorgen, die Nervosität und die Anspannung dann ein Stück einfach in Gottes Hand. So kann ich das beschreiben.
Frage: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Der Weltgebetstag ist schon relativ alt. Ende des 19. Jahrhunderts ist er in den USA und in Kanada entstanden. Und er war immer schon konfessionsübergreifend, also ökumenisch.
Göken-Huismann: Ja, es geht bei uns im Weltgebetstag nicht nur um die Ökumene mit der evangelischen Kirche, sondern auch mit den sogenannten kleinen Kirchen. Im Deutschen Weltgebetstagskomitee, das den Weltgebetstag in Deutschland verantwortet, sind Frauen aus sieben sogenannten kleinen Kirchen – Methodisten, Mennoniten, Heilsarmee, Herrnhuter, Baptisten, Altkatholiken, orthodoxe Frauen. Für mich war und ist das eine unwahrscheinliche Bereicherung, zu erleben und mitzubekommen, wie zum Beispiel eine Frau aus der Heilsarmee betet. Ich habe mit einer Frau aus der Heilsarmee lange im Vorstand zusammengearbeitet, und für die war und ist das Gebet noch mal zentraler. Was ich als Katholikin bis dahin nicht erlebt hatte, dass man auch zum Beispiel vor Vorstellungsgesprächen erstmal betet. Also, dass diejenigen, die das Vorstellungsgespräch führen müssen oder führen dürfen, dann erst mal miteinander beten, bevor die erste Bewerberin kommt. Solche Dinge auch aus der ökumenischen Zusammenarbeit und aus dem ökumenischen Miteinander zu lernen und zu wissen, es sind so viele Frauen aus unterschiedlichen Konfessionen und Denominationen beteiligt. Das ist, finde ich, etwas ganz Großartiges.
Frage: Könnte man da auch noch einen Schritt weitergehen? Wir leben in Deutschland ja heute in einer multireligiösen Welt.
Göken-Huismann: Ich weiß, dass vor Ort, da wo auch viele muslimische Frauen sind, immer wieder auch muslimische Frauen dazu eingeladen werden. Wir unterstützen natürlich auch Projekte, in denen muslimische Frauen beteiligt sind. Ob das international schon möglich ist, weiß ich nicht. Aber das wird sicher auch ein Thema für den internationalen Weltgebetstag werden.
„Bei dem Brief aus Rom und der Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz hat sich wieder gezeigt, wie wichtig starke Laienverbände in unserer Kirche sind.“
Frage: Sie setzen sich ja auch an anderer Stelle für die Belange von Frauen ein: Als ZdK-Mitglied, als Delegierte im Synodalen Weg. Da haben Sie ja besonders in letzter Zeit auch mit Rückschlägen zu kämpfen…
Göken-Huismann: Bei dem Brief aus Rom und der Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz hat sich wieder gezeigt, wie wichtig starke Laienverbände in unserer Kirche sind. Wir waren zu vier Frauen von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) beim Synodalen Weg. Ich war ja auch eine der Synodalinnen. Als ich davon las, dass der Beschluss und die Zustimmung zur Satzung des Synodalen Ausschusses quasi vom Papst persönlich von der Tagesordnung abgesetzt worden ist, da war ich fassungslos. Dann denke ich: Da haben wir bei fünf Versammlungen gesessen, da haben wir gearbeitet und gearbeitet im Hintergrund. Wissen Sie, wie viel Arbeit das war, diese ganzen Unterlagen zu lesen, Anträge zu stellen und noch mal die Frauenperspektive da einzubringen? Wir haben so viel Herz und Leidenschaft und Zeit und Ressourcen gelassen. Und dann kommt so ein Brief aus Rom, setzt das von der Tagesordnung und die Bischöfe setzen das von der Tagesordnung, ohne zu sagen, mit welcher Perspektive das geschieht. Ja, sie fahren demnächst nach Rom und sprechen – ja, aber nur die Männer, und wir sind wieder nicht dabei. Wenn man irgendeinen Grund braucht, um in der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) zu sein, dann hat die katholische Kirche den diese Woche wieder geliefert. Wir haben natürlich unter uns vier kfd-Synodalinnen auch darüber gesprochen, man fühlt sich total veräppelt. Ich habe mich wirklich so in dieser Versammlung engagiert. Das war mir echt so wichtig und es ist mir so wichtig, dass es weitergeht. Und wenn ich jetzt nicht wüsste, dass mein eigener Verband alles dafür tun wird, dass das weitergeht, dann würde ich schier verzweifeln. Das habe ich jetzt sehr leidenschaftlich gesagt, aber dann denkt man ja, das ist wirklich nicht wahr.
Frage: Da verliert die Kirche ihre Frauen.
Göken-Huismann: Ja, natürlich. Deswegen sage ich ja auch: Diese vielen Austritte aus der kfd haben auch was mit der Kirche zu tun. Manche verlieren wirklich die Hoffnung. Es ist ja so, dass die Austritte der Frauen aus der Kirche ja auch bis in meine eigene Familie gehen. Eine Nichte ist ausgetreten. Eine andere schrieb mir letztens beim Synodalen Weg. Als die Bischöfe das Sexualitätspapier in der vierten Synodalversammlung haben durchfallen lassen, da schrieb mir meine älteste Nichte über WhatsApp in die Versammlung: Ulrike, jetzt fährst du aber nach Hause. Das habe ich natürlich nicht getan, aber so als Stimmung: Ulrike, wir schätzen das, wie sehr du dich engagierst. Die beobachten das total genau. Die wusste, dass ich da sitze und die hat im Livestream oder über die Medien verfolgt, was in Frankfurt passiert.
Frage: Beim Weltgebetstag hat es auch gewisse Hindernisse gegeben, aber natürlich wird er stattfinden. Was wünschen Sie sich für den Weltgebetstag in diesem Jahr?
Göken-Huismann: Ich wünsche mir, dass viele Frauen und Männer und Kinder und Jugendliche zusammenkommen und beten, dass sie wirklich intensiv für den Frieden beten, dass sie sich von der ökumenischen Gemeinschaft bereichern lassen und dass sie auch gestärkt nach Hause gehen. Ich wünsche mir, dass etwas von dem Spirit um die ganze Welt geht.