Ein rollender Vatikan: Der Luxus-Zug von Papst Pius IX.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit: meinen Thron, meine Kirche und meine Dampflok. Während heute leichtes Gepäck und ein Nackenkissen Garanten für entspanntes Reisen sind, bewegte sich Papst Pius IX. (1846-1878) mit ungleich schwererem Gepäck außerhalb der heimischen Mauern: mit einer Miniaturversion seines Vatikanpalastes verteilt auf drei Eisenbahnwaggons. Ihre letzte Fahrt unternahmen sie erst vor wenigen Jahren – in ein stillgelegtes Elektrizitätswerk im Südwesten Roms. In der "Centrale Montemartini" können sie besichtigt werden.
Fortbewegungsmittel wie Kunstwerke sind die reich verzierten und luxuriös ausgestatteten Waggons des Eisenbahn-begeisterten Kirchenoberhaupts. Ein Wagen diente quasi als Ersatz für den Balkon des Apostolischen Palastes. Auf diesem wird der Papst erstmals nach seiner Wahl den Menschen auf dem Petersplatz vorgestellt; von dort spricht er zweimal im Jahr seinen berühmten "Urbi et orbi"-Segen.
Fuhr der Papst mit seinem Zug in einen Bahnhof ein, segnete er die Menschen des Ortes von dem eigens dafür geschaffenen Wagen. Was dem Waggon im Vergleich zum Balkon an Höhe fehlt, macht er mit Prunk wett: Vergoldete Verzierungen und geschwungene Säulen, blaue Samtvorhänge und ein Sternenhimmel im Inneren.
Eine Kirche auf Rädern
Nicht minder beeindruckend, wenn auch äußerlich etwas düster, ist die rollende Kirche. Das dunkle Eisen schmücken religiöse Motive, kleine Putten rahmen die Initialen des Papstes ein. Das Gotteshaus zieren eine eigene Kuppel und Ölgemälde im Inneren.
Ruhe fand Pius in seinen Privatgemächern mit angeschlossenem "Thronsaal". In den Farben des Heiligen Stuhls Gelb-Weiß gehalten, verschönern Textiltapeten mit Stickereien die Wände des dritten Waggons. Links und rechts des mächtigen Throns, der mit seinen aufwendigen Schnitzereien seinen "Geschwistern" im Vatikan um nichts nachsteht, bieten große Sofas Platz für die engsten Mitarbeiter. Für den Papst gab es selbstverständlich ein eigenes Bett sowie eine Toilette. Auf allen Waggons prangt das Wappen des Heiligen Stuhls und das von Pius IX.
Die enorme Summe von 140.000 Francs soll der Zug Mitte des 19. Jahrhunderts gekostet haben. Hergestellt in Frankreich, wurde er als Geschenk für den Papst über den Seeweg von Marseille nach Rom gebracht. Auftraggeber waren die für die päpstlichen Eisenbahnstrecken zuständigen Gesellschaften. Denn ohne Pius wären sie nicht entstanden. Der Italiener war der erste Papst, der sich für das damals neuartige Fortbewegungsmittel begeisterte und damit Rom und die zentralen Orte seines Kirchenstaates verbinden wollte.
300 Kilometer in wenigen Jahren
Innerhalb weniger Jahre entstand ein päpstliches Streckennetz von rund 300 Kilometern: Gleise verbanden den Hauptsitz der katholischen Kirche mit der Hafenstadt Civitavecchia, über Velletri mit Ceprano sowie über Ancona mit Bologna. Auf Pius' Geheiß baute man den Vorgänger des heutigen römischen Hauptbahnhofes Termini. Statt verschiedener Bahnhöfe sollte es nur noch einen zentralen Abfahrtsort für alle Züge geben.
Noch von der Station Porta Maggiore unternahm der Papstzug seine Jungfernfahrt am 3. Juli 1859 nach Cecchina, einem kleinen Ort etwa 30 Kilometer von Rom entfernt. Begeistert sollen die Menschen Pius dort empfangen haben. Doch die päpstliche Reiselust war nur von kurzer Dauer. Mit dem Ende des Kirchenstaates 1870 gingen die Vatikanstrecken in den Besitz Italiens über, der Papst zog sich in den Vatikan zurück und der kostbare Zug verstaubte über Jahrzehnte in einem Schuppen am Hauptbahnhof Termini.
Doch war es nicht sein letzter Halt. Gleich mehrfach sollte das Gefährt noch innerhalb Roms umziehen, an verschiedenen Orten ausgestellt werden. Im Jahr 2016 fand es seine Endhaltestelle im ehemaligen Elektrizitätswerk, einer Außenstelle der Kapitolinischen Museen.
Heute reist der Papst weniger exklusiv: Sein Zug ist eine gecharterte Linienmaschine und sein Thron ein gewöhnlicher Flugzeugsitz. Eine Kirche gibt es nicht, dafür können weit entfernte Ziele angesteuert werden. Lediglich auf das Wappen verzichtet auch Franziskus nicht. In einer Papstmaschine prangt an jeder Kopfstütze sein blaues Emblem mit Sonne, Stern und Nardenblüte.