Neben Kritik auch Vorgaben für nächste Papstwahl

Angeblicher Kardinalsbrief mit scharfer Kritik am Papst

Veröffentlicht am 02.03.2024 um 10:00 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Ist ein Papst krank, läuten Kritiker nicht selten voreilig das nächste Konklave ein. Auch der 87-jährige Franziskus ist immer wieder davon betroffen – aktuell durch den Brief eines anonymen Verfassers.

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Scharfe Kritik und zugleich Vorgaben für die nächste Papstwahl: In einem anonym verfassten Schreiben wendet sich ein angeblicher Kardinal gegen das amtierende Kirchenoberhaupt, Franziskus. Das rechtskonservative Portal "La Nuova Bussola Quotidiana" veröffentlichte den Text (Donnerstag) auf sechs Sprachen, darunter auch Deutsch. Der Zeitpunkt des Erscheinens fällt mit erneuten gesundheitlichen Problemen des Papstes zusammen. Seit Samstag zeigt der 87-Jährige Symptome einer leichten Grippe.

Unterzeichnet ist das Dokument mit dem Titel "Der Vatikan von morgen" mit "Demos II". Unter dem Pseudonym "Demos" hatte der Anfang 2023 gestorbene australische Kardinal George Pell vor rund zwei Jahren ein ähnliches Memorandum verfasst. Seine Autorenschaft wurde erst posthum bekannt. Weil sich die Zustände in der Kirche seit Erscheinen von Pells Text nicht wesentlich verändert, geschweige denn verbessert hätten, baue das aktuelle Schreiben auf ihn auf, heißt es in der Einleitung. Die Anonymität begründet der Verfasser mit dem Satz: "Offenheit ist nicht erwünscht, und ihre Folgen können unerfreulich sein."

Papstkritiker Kardinal Zen teilte den Brief auf "X"

Der Autor wirft Franziskus einen "autokratischen, zuweilen scheinbar nachtragend wirkenden Regierungsstil" vor, "eine Nachlässigkeit in Fragen des Rechtes, eine Intoleranz selbst gegenüber respektvoll geäußerten Differenzen" sowie "ein Muster der Mehrdeutigkeit in Fragen des Glaubens und der Moral". Weitere Kritikpunkte sind seine Nähe zum Jesuitenorden, jüngste Veröffentlichungen des vatikanischen Chefdogmatikers Kardinal Victor Fernandez und "das Entstehen einer kleinen Oligarchie von Vertrauten mit übermäßigem Einfluss innerhalb des Vatikans". Als Stärken des Pontifikats nennt das Schreiben etwa Franziskus' Einsatz für Arme und Schwache sowie für die Umwelt.

Eine sieben Punkte umfassende Aufzählung gibt überdies wieder, wie sich der Verfasser einen künftigen Papst vorstellt. Dieser dürfe kein Alleinherrscher sein, müsse sich von seinem Kardinalskollegium beraten lassen. Zudem könne und dürfe er die Lehre der Kirche und ihre Ordnung nicht verändern oder beliebig neu erfinden. Mehrdeutigkeit in der Lehre sei zu vermeiden, ebenso Missachtung des Kirchenrechts.

Nach Angaben des Internetportals soll ein Kardinal Hauptautor des Textes sein; dieser habe zuvor Vorschläge anderer Kardinäle und Bischöfe zusammengetragen. Bereits mehrfach über Soziale Medien verbreitet hat das Schreiben etwa der bekannte Papstkritiker und frühere Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen (92). Der Vatikan äußerte sich bislang nicht zu dem Brief. (KNA)