Erzbischof: "Groll" von Franziskus schadet dem Papstamt
Philadelphias emeritierter Erzbischof Charles Chaput sieht im "unterschwelligen Groll" von Papst Franziskus gegen westliche Überheblichkeit einen Schaden für das Papstamt. Dieser aufgrund seiner Erfahrungen sogar verständliche Groll sei "eines der charakteristischen und bedauerlichsten Merkmale des Pontifikats von Franziskus", schreibt Chaput in einem Beitrag für das katholische US-Magazin "First Things" (April-Ausgabe). Es schaffe "Kritiker und Feinde, anstatt diese zu versöhnen" und eine glaubwürdige "Quelle der katholischen Einheit zu schaffen". Und, so Chaput: "Die Berater, Apologeten und Ghostwriter, die dieses Pontifikat umgeben, haben maßgeblich dazu beigetragen, das Problem zu verschärfen."
Der 79-jährige Ordensmann der Kapuziner, der dem wichtigen Erzbistum Philadelphia bis 2020 vorstand, leitet Franziskus' Wirken von dessen Einsatz gegen Armut her. "Nur sehr wenige Amerikaner leben in Armut, wie sie in anderen Teilen der Welt üblich ist", so Chaput. "Daher fällt es uns schwer, das Leid zu begreifen, das ein Leben in ständiger Unsicherheit mit sich bringt." Es wäre zu einfach, schreibt der Erzbischof, "die Feindseligkeit von Papst Franziskus gegenüber dem modernen Kapitalismus und die daraus hervorgehende materialistische Nachsicht als eine Form soft-marxistischer Ignoranz abzutun".
Franziskus' Betonung der Priorität der Barmherzigkeit sei zwar "eine notwendige Ermahnung (...) für jene von uns in selbstzufriedenen 'entwickelten' Ländern". Aber, so Chaput: "Die offensichtliche Abneigung des Papstes gegen die Führung der US-Kirche und das katholische Leben in den USA könnte auf einem Mangel an Wissen beruhen und ist zutiefst frustrierend" – auch wenn seine kritische Haltung gegenüber den wohlhabenden Nationen des globalen Nordens und insbesondere den USA nicht unberechtigt sei.
"Einstudierte Zweideutigkeit in bestimmten Fragen der Lehre"
Der US-Erzbischof hebt auch Franziskus' priesterliche Haltung hervor. Dieser habe ein ausgeprägtes Gespür für die Lasten und komplexen Lebensprobleme, die Menschen in die Beichte mitbringen. "Das bloße Zitieren des Katechismus bietet in solchen Fällen wenig Trost. Es mangelt auch an Menschlichkeit."
Diese Einsicht helfe, "die häufigen Beschwerden des Papstes über Rückständigkeit, Starre und Fixiertheit im katholischen Denken zu erklären"; ebenso "seine Abneigung gegenüber 'Rechtsanwälten' und seine lockere Herangehensweise an kirchenrechtliche Fragen" und "seine einstudierte Zweideutigkeit in bestimmten Fragen der Lehre und der kirchlichen Disziplin", so Chaput.
Sie erkläre auch die Weigerung des Papstes, "im Apostolischen Palast des Vatikans zu wohnen, seine Verachtung für einige der normalen Formalitäten seines Amtes und seine Angewohnheit, mit unvorsichtigen und sogar provokativen öffentlichen Kommentaren Verwirrung zu stiften", schreibt Chaput. Und es erkläre auch "seine eigentümliche Feindseligkeit gegenüber der alten Lateinischen Messe und den angeblichen Reaktionären, die daran 'festhalten'". Für den Dienst des Papstamtes an der Einheit sei all das aber nicht förderlich.
Weiter attestiert Chaput dem aktuellen Leiter des vatikanischen Glaubensdikasteriums, Kardinal Victor Manuel Fernandez, theologische Unzulänglichkeit. Das Dikasterium habe die Aufgabe, die Integrität der katholischen Lehre und Praxis zu schützen – "eine lebenswichtige Pflicht für die Gläubigen", schreibt Chaput; und: "Was wir glauben, bildet den 'Klebstoff', der Katholiken als eigenständiges Volk versiegelt."
Fernandez bekleide also ein einzigartig wichtiges Amt, so Chaput, genau wie vor ihm Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. (2005-2013). "Doch in seinem Denken und seiner Substanz ist Fernandez ein Mann, der sich stark von seinem großen Vorgänger unterscheidet", schreibt der 79-Jährige. Chaput räumt ein, dass der von Papst Franziskus ernannte Argentinier Fernandez als Theologe auf ein bedeutendes Werk zurückblicken könne. Sein Denken sei nicht oberflächlich; aber: "Es ist in einigen entscheidenden Punkten einfach falsch und hat weitreichende Auswirkungen."
Unangenehme Fragen hinsichtlich der Klugheit von Papst Franziskus
In seiner theologischen Kritik stützt sich Chaput ausführlich auf einen Aufsatz des Spaniers Jose Granados in der in Washington erscheinenden internationalen Fachzeitschrift "Communio" (Ausgabe Winter 2023). Im Kern richte sie sich aber gegen "die Unzulänglichkeit der Ansichten von Kardinal Fernandez angesichts der eigentlichen Aufgabe des Glaubensbehörde: die katholische Lehre und den Glauben engagierter katholischer Gläubiger zu fördern und zu verteidigen". Dies werfe auch unangenehme Fragen hinsichtlich der Klugheit von Papst Franziskus auf, ihn überhaupt zu ernennen.
Fernandez ist Theologe und ehemaliger Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität Argentiniens und ehemaliger Erzbischof von La Plata. Er ist außerdem ein enger Mitarbeiter, Berater und gelegentlicher Ghostwriter für Papst Franziskus. Im Sommer 2023 ernannte ihn der Papst zum Leiter des Glaubensdikasteriums. Der Argentinier verfasste unter anderem die Vatikan-Erklärung "Fiducia supplicans", die spontane Segnungen homosexueller Paare unter bestimmten Bedingungen gestattet. Dies stieß auf scharfen Widerstand in Teilen der Weltkirche. Auch frühere Schriften von Fernandez sorgten für Kontroversen, etwa ein Buch über das Küssen von 1995. (tmg/KNA)
14.3., 13:40 Uhr: Ergänzt um Kritik an Fernandez.