"The Zone Of Interest": Tod und Teufel inmitten des Alltags
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Die Passionszeit ist Zeit der Auseinandersetzung mit Tod und Teufel inmitten des Alltags. Diesem Thema widmet sich auch der Film "The Zone Of Interest" von Jonathan Glazer, der aktuell in den Kinos läuft. Er zeigt vordergründig Familienleben in persilsauberer Heimatfilmkulisse, während die Tonspur synchron den Schrecken von Auschwitz transportiert. Im Mittelpunkt steht der Lagerkommandant von Auschwitz, Rudolf Höß. Höß führt ein spießig-bürgerliches Familienleben, dessen überdehnte Mittelmäßigkeit den Zuschauer im Kinosessel lähmt. Hinter der hohen, die Sicht versperrenden Gartenmauer bellen derweil die Wachhunde, knattern die Gewehrsalven, brüllen die Wachmannschaften, wimmern die Sterbenden. Nie laut und vordergründig, dafür mit drängender, die Aufmerksamkeit herausfordernder, kontinuierlicher Unschärfe.
Als Zuschauer schauen wir in den Spiegel. "The Zone Of Interest" brilliert, weil der Film mit schmerzhafter Wucht den dunklen Fleck auf unseren eigenen Seelen sichtbar macht. Regisseur Glazer zeigt keine Monster in düsteren Winkeln. Er zeigt durchschnittliche Menschen, alltägliche Herausforderungen, Momente der Missgunst, eingestreut zwischen Gesten der Bescheidenheit. Er leuchtet grell aus, was Hannah Arendt mit Blick auf den Eichmann-Prozess die Banalität des Bösen nannte. Letztlich zeigt er uns uns selbst.
Höß macht in Glazers Inszenierung alles richtig: Er erfüllt die Erwartungen, die an ihn gestellt werden. Er umsorgt seine Familie, engagiert sich im Beruf, stellt eigene Bedürfnisse hinten an und setzt sich für Kollegen ein. Seine Frau Hedwig genießt den Prestigegewinn durch den beruflichen Aufstieg ihres Mannes. Sie fragt nicht nach der Herkunft des Pelzmantels, in dem sie sich im gegen die Sommersonne abgedunkelten Schlafzimmer dreht, sondern freut sich an dessen Besitz und ihrer eigenen Schönheit. Daran ist nichts und doch alles falsch.
Der Film lässt den Zuschauer allein mit sich und der bangen Frage, wo die Gartenmauer der eigenen Moral beginnt. Er ist schmerzhafte Auseinandersetzung mit Tod und Teufel mitten im Alltag.
Auschwitz ist jederzeit wieder möglich. Nicht wegen der Monster, sondern wegen der Banalität der Versuchungen. Mögen wir das unbedingt verhindern.
Die Autorin
Katharina Goldinger ist Theologin und Pastoralreferentin im Bistum Speyer und Religionslehrerin an einem Speyerer Gymnasium. Sie ist sehr gerne in digitalen (Kirchen-)Räumen unterwegs und ehrenamtlich im Team der Netzgemeinde da_zwischen aktiv.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.