Siebeneinhalb Jahre Haft nach Straftaten in katholischem Kinderheim
Der Andrang der Medien war groß, als das Landgericht Hof am Mittag sein Urteil verkündete: Sieben Jahre und sechs Monate muss ein heute 26-jähriger Deutscher ins Gefängnis. Er wurde des mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs für schuldig befunden. Der Angeklagte nahm den Richterspruch mit gesenktem Kopf auf (Aktenzeichen KLs 2100 Js 6551/23jug).
Was den Tathergang betrifft, folgte das Gericht weitgehend der Darstellung des Angeklagten. Demnach war dieser von finanziellen Sorgen getrieben. Auf der Suche nach Diebesgut sei er in der Nacht auf den 4. April 2023 unbefugt in das Kinderheim Sankt Josef eingedrungen, wo er selbst einmal gewohnt hatte. Dabei sei er in das Zimmer eines elfjährigen Heimbewohners gelangt, wo er sich auf dessen Verlangen selbst befriedigte. Danach sei es zu gemeinsamen sexuellen Handlungen an der später getöteten Zehnjährigen gekommen.
Die Tötung des Mädchens war nicht angeklagt. Die Ermittler und die Staatsanwaltschaft glauben, dass der Junge das Mädchen erdrosselt hat. Wegen seines jungen Alters ist er noch nicht strafmündig und konnte daher nicht angeklagt werden. Der Junge nahm als Zeuge und Nebenkläger an dem Prozess teil, wobei er die Tötung gestand. Allerdings sagte er aus, der Mann habe ihn dazu gedrängt, was dieser jedoch bestritt. Der Staatsanwalt sah auch nach der mündlichen Verhandlung keine belastbaren Beweise für eine Beteiligung des Mannes an der Tötung.
Gericht verwies auf Persönlichkeiten der beiden
Ausführlich ging das Gericht auf die Frage ein, ob es plausibel sei, dass ein Erwachsener und ein Elfjähriger sexuelle Handlungen an einem zehnjährigen Mädchen vornehmen. Es verwies jedoch auf die Persönlichkeiten der beiden: So habe der Angeklagte eine schwierige Entwicklung durchgemacht, etwa den Suizid seines Vaters und seines Bruders erleben müssen. Erst durch seine Lebensgefährtin, das gemeinsame Kind und seine Arbeit als Müllwerker habe er Stabilität erlebt.
Wegen Schulden von rund 200.000 Euro habe der Mann mehrere Diebstähle begangen und die Beute im Internet verkauft. Der Elfjährige habe ihn als Müllwerker erkannt, was dem Verurteilten so große Angst gemacht habe, entdeckt zu werden, dass er dessen Aufforderung zur Selbstbefriedigung nachgekommen sei. Auch der Elfjährige selber habe eine schwierige Entwicklung hinter sich: Er und sein Bruder seien von der gemeinsamen Mutter vernachlässigt worden, zudem habe es Anzeichen für eine frühe Sexualisierung des Jungen gegeben. Der Richter sprach von einer "unbegreiflichen Verkettung schwerwiegender und tragischer Zufälle".

Die Anwältin des Vaters erklärte, dass der Tod des Mädchens im Verfahren nicht behandelt worden sei, mache es unmöglich, komplett damit abzuschließen.
Die Ausführungen des Elfjährigen wurden im Urteil nicht berücksichtigt. Er hatte im Laufe der Verhandlung verschiedene Versionen des Geschehens zu Protokoll gegeben. Ein als Gutachter hinzugezogener Aussagepsychologe bezeichnete die Angaben des Jungen zum Tatablauf als nicht verwertbar. Zu den Nebenklägern zählte auch die Mutter des getöteten Mädchens. Deren Anwalt sagte, er könne verstehen, wie das Urteil ausgefallen sei. Das sei für seine Mandantin aber ein schwacher Trost. Schließlich könne es niemals Genugtuung geben, wenn ein Kind auf solch grausame Art und Weise sterbe.
Schicksal bewegt und belastet
Die Anwältin des Vaters erklärte, dass der Tod des Mädchens im Verfahren nicht behandelt worden sei, mache es unmöglich, komplett damit abzuschließen. Die Umstände, unter denen das Mädchen zu Tode kam, würden wohl nie abschließend geklärt werden. Einzelheiten dazu habe ihr Mandant gar nicht wissen wollen: "Niemand sollte den Obduktionsbericht seines Kindes lesen müssen." Der Anwalt des Jungen erwägt nach eigenen Angaben eine Revision. Er kritisierte, dass die Ausführungen seines Mandanten nicht gewertet worden seien. Der Junge werde eingehend betreut, aber er vermisse den Kontakt zu anderen Kindern.
Die Katholische Jugendfürsorge Regensburg (KJF) als Heimträgerin verwies in ihrer Reaktion darauf, dass der Prozess nicht die Frage beantwortet habe, "was genau sich ereignet hat". Die Kinder, Jugendlichen und Mitarbeiter von Sankt Josef "leben seit einem Jahr in einer Krisen- und Ausnahmesituation, in der Trauer und Ängste angesehen und gemeinsam bewältigt werden mussten". Der Prozess und die begleitende Berichterstattung hätten sie erneut verängstigt und verstört. Insbesondere das Schicksal des Jungen, der in der Tatnacht selbst Opfer sexuellen Missbrauchs durch den Verurteilten wurde, "bewegt und belastet die gesamte Einrichtung", so die KJF. "Es bleiben viele Fragen offen."