Die Kirche ist keine Diva
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Reibung erzeugt Wärme. Darauf setzen die Experten für Debatten-Energetik beim "Spiegel". Darum ist es aufschlussreich, wen der Magazin-Titel als Kontrahenten zum "entfesselten" Papst aufbietet. Das "Sturmgeschütz der Demokratie" setzt nicht mehr auf die Küngs und Drewermanns dieser Welt, sondern wartet mit Martin Mosebach als Raketenwerfer der Reaktion auf. Dies ist umso bemerkenswerter, als der Schriftsteller dann lediglich variiert, was er seit anderthalb Jahren so oder ähnlich kritisiert.
Der zentrale Vorwurf, Franziskus sei traditionsvergessen, fällt auf Mosebach zurück. Er konstruiert einen Traditionsbegriff, der mit 2000 Jahren Dogmengeschichte nichts anzufangen weiß. "Der Papst ist an die Tradition gefesselt. Er kann sich von ihr keinen Millimeter entfernen ... Er ist nicht frei." Wüsste man nicht, dass Mosebach es anders meint, hätte er mustergültig definiert, was Traditionalismus ist: Erstarrung im Überkommenen. Dazu passt der Ruf, der Papst müsse seine "Ornate annehmen" wie "ein Häftling seinen Sträflingsanzug". Mit seinem Lieblingsthema - den ach, so unbequemen Pontifikalinsignien – verdeutlicht Mosebach seine Methode, eine (vergangene) Epoche ahistorisch zur Normzeit zu überhöhen.
Ähnlich verquer ist die Art, Charisma und Amt in eine (Nicht-) Beziehung zu setzen: "Für das Papstamt hat Charisma eigentlich keine Funktion." Faktisch reduziert Mosebach es damit zum Showelement, zur ekklesialen Commedia dell’Arte. Mögen die Unkonventionellen vom Schlag eines Franz von Assisi die Religion auch "nach allen Seiten hin ausloten und viel riskieren" – der Papst darf es nicht, sagt Mosebach. Aber bewegen, bewegen darf der Papst sich und die Kirche ja auch nicht.
Darf nicht? Soll nicht. Damit die Kirche so erscheint, wie Mosebach es gern hätte: überirdisch schön, entrückt, anämisch. Nur ist diese Diva nicht die Kirche Jesu. Denn die, das sagt uns Franziskus, gehört dorthin, wo es schmutzig ist, wo man sich Beulen fängt. Und dorthin, wo "die Hirten nach Schaf riechen".