"RUexpress" will Religion in der Schule aktueller machen

Wenn Barbie plötzlich Thema im Religionsunterricht wird

Veröffentlicht am 10.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

München ‐ Wer an Religionsunterricht denkt, denkt vermutlich zuerst an Jesus, Luther oder die Weltreligionen. Und auch wenn diese Themen wichtig sind – nach Ansicht des Deutschen Katecheten-Vereins braucht Religion in der Schule dringend neue Inhalte. Dafür hat der Verein das Angebot "RUexpress" entwickelt.

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"Jede*r kennt sie: die blonde, schlanke und stets lächelnde Puppe namens Barbie. 2023 verlieh Margot Robbie dieser Ikone der Spielzeuggeschichte ihr Gesicht im gleichnamigen Kinokassenschlager, der die Popularität des Mattel-Produktes noch einmal steigerte." Was sich zunächst wie der Anfang einer Filmkritik zum weltweiten Kinoerfolg "Barbie" lesen mag, ist in Wahrheit der Einstieg in eine neue digitale Arbeitshilfe für den Religionsunterricht an deutschen Schulen.

"RUexpress" heißt das Angebot des Deutschen Katecheten-Vereins (DKV), das die wohl bekannteste Spielzeugpuppe der Welt in den Religionsunterricht der Sekundarstufe I bringt. Unter dem Titel "Die Frage nach unserer Identität – oder: What was I made for?" bietet die Anfang Februar erschienene Arbeitshilfe einen religionspädagogischen Zugang zum Thema sowie konkrete Arbeitsanregungen und Lernmaterialien für den Unterricht rund um den Film und den dazugehörigen Song "What was I made for?" von Superstar Billie Eilish.

Der "Barbie"-Film als Thema im Religionsunterricht?

Wer beim Stichwort Religionsunterricht – wie wohl die meisten Menschen – vor allem an Jesus, Martin Luther oder die Weltreligionen denkt, mag irritiert sein: Der "Barbie"-Film als Thema im Religionsunterricht? "Letztlich geht es in dem Film um Identität und wofür man auf der Welt ist", antwortet darauf der Fuldaer Religionspädagoge Markus Tomberg, der zu den Initiatoren von "RUexpress" gehört. Und dies seien zweifellos Themen für den Religionsunterricht. Hinzu komme, dass der Film ein interessanter Stoff für Jugendliche sei.

„Der Religionsunterricht muss aktueller werden. Er muss Themen bearbeiten, die relevant sind für unsere Gesellschaft und die die Jugendlichen beschäftigen.“

—  Zitat: Markus Tomberg, Professor für Religionspädagogik

Am Beispiel von "Barbie" lässt sich gut die grundsätzliche Idee hinter "RUexpress" erklären. Das Angebot, das im vergangenen Jahr bei einem Workshop des DKV-Bundesvorstands mit dem Autor und Kommunikationsberater Erik Flügge ("Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt") geboren wurde, will aktuelle Themen aus der Lebenswelt Jugendlicher zeitnah für den Religionsunterricht der Sekundarstufe I aufbereiten. "Der Religionsunterricht muss aktueller werden. Er muss Themen bearbeiten, die relevant sind für unsere Gesellschaft und die die Jugendlichen beschäftigen", erläuterte Tomberg jüngst gegenüber den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse. Das Problem sei nur, dass aktuelle Themen in Schulbüchern kaum vorkämen – zumindest nicht mit neueren Entwicklungen und frischem Material.

Flügge habe dem Verband, der sich als Fachverband für religiöse Bildung und Erziehung versteht, bei dem Workshop geraten, von den eigenen bis dato eher "staatstragenden, gedruckten und schweren Unterrichtshilfen" Abstand zu nehmen und stattdessen mehr Service und wirklich nützliches Material für den Unterricht anzubieten, so DKV-Bundesvorstandsmitglied Tomberg. "Es sollte flockiger, leichter und digitaler werden." Das konkrete Ergebnis dieser Überlegungen sei schließlich "RUexpress" gewesen.

Arbeitshilfen zu Anfängen, Segen und Streiks

Seit Anfang des Jahres wird von einem Team von rund 15 Autorinnen und Autoren alle 14 Tage eine neue Arbeitshilfe veröffentlicht, in der jeweils ein aktuelles Thema aus Gesellschaft, Kultur, Politik, Sport oder Weltgeschehen aufgegriffen und mit konkreten Inhalten für den Religionsunterricht aufbereitet wird. Neben "Barbie" ging es in den bislang veröffentlichten Hilfen unter anderem um das Thema Anfänge (zum Jahresanfang), den Segen (im Umfeld der Sternsingeraktion und der kontrovers diskutierten vatikanischen Segenserklärung "Fiducia supplicans") und die Misereor-Fastenaktion, die in diesem Jahr unter dem Leitmotto "Interessiert mich die Bohne" um nachhaltige Landwirtschaft kreiste.

Die jüngste, Ende März erschienene Ausgabe von "RUexpress" befasst sich angesichts der zahlreichen Arbeitsniederlegungen der vergangenen Monate etwa bei der Deutschen Bahn und an den deutschen Flughäfen mit dem Thema "Streiks – berechtigt oder nervig? Die Sehnsucht nach einer besseren (Arbeits-)Welt". Darin geht es um die Einnahme verschiedener Positionen, die Frage nach fairen Arbeitsbedingungen und Forderungen – aber auch um die Sehnsucht nach einem wertschätzenden Umgang miteinander.

Markus Tomberg aus Fulda
Bild: ©Arnulf Müller

Markus Tomberg ist Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät Fulda und einer der Initiatoren von "RUexpress".

Aufgebaut sind die fünf- bis sechsseitigen Arbeitshilfen immer gleich: Zunächst wird thematisch und didaktisch in das Thema eingeführt ("Zugang zum Thema"), dann werden mögliche unterrichtliche Zugänge zum Thema ("Das Thema im Unterricht") sowie "Lernchancen" für die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit dem behandelten Thema aufgezeigt. Hinzu kommen schließlich konkrete "Arbeitsanregungen" in Form von Arbeitsblättern und Aufgaben sowie QR-Codes, die zu weiterem Material wie etwa passenden YouTube-Videos führen.

"Wir werden aufgefordert, mit dem Projekt weiterzumachen"

Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulen, die "RUexpress" für den Religionsunterricht nutzen wollen, müssen ein Abonnement abschließen, das allerdings monatlich kündbar ist. "Wir können das nicht kostenlos machen, denn Autorinnen und Autoren, die Grafik, das Material – das alles kostet Geld", begründet das Tomberg. Ein Einzelabonnement kostet 6,50 Euro im Monat, Schulen zahlen für ein Abonnement, das vom gesamten Kollegium genutzt werden kann, 15 Euro. Wer das Angebot abonniert, bekommt jeweils am Erscheinungstag von "RUexpress" – jedem zweiten Donnerstag – eine E-Mail mit dem Zugangslink, um die Arbeitshilfe direkt herunterladen zu können.

Die bisherigen Rückmeldungen auf das neue Angebot sind laut Tomberg positiv. Zwar habe der DKV von den Schülerinnen und Schülern in der Kürze der Zeit noch nichts gehört, wohl aber von Kolleginnen und Kollegen auf verschiedenen Fachebenen – angefangen bei den religionspädagogischen Instituten, über die Fachkollegen in der Wissenschaft bis in die Schulabteilungen der Bistümer und Landeskirchen. "Wir werden aufgefordert, mit dem Projekt weiterzumachen. Es tue dem Religionsunterricht gut, wenn die Lehrerinnen und Lehrer Impulse bekommen, um mit aktuellen Themen umzugehen", gibt Tomberg die bisherigen Reaktionen wieder. Die nächste Ausgabe ist schon in Arbeit.

Von Steffen Zimmermann