Das bayerische Konkordat wird 100 Jahre alt
Diese Geschichte reicht zurück in eine Zeit, in der Bayern nicht nur ein eigenes Außenministerium hatte, sondern auch noch einen vom Papst nach München entsandten Botschafter. Der kommt am 29. März 1924 mit Ministerpräsident Eugen von Knilling und weiteren Kabinettsmitgliedern zusammen, um einen neuen Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern zu unterzeichnen – das Bayerische Konkordat.
Vier Jahre war verhandelt worden, um die Beziehungen zwischen Bayern und der katholischen Kirche neu zu regeln. Das erste Konkordat von 1817, das noch auf den König ausgerichtet war, hatte durch die Novemberrevolution von 1918 keine Gültigkeit mehr. Da die Schaltzentrale der katholischen Kirche in Rom sitzt, waren kirchlicherseits nicht die bayerischen Bischöfe Vertragspartner, sondern Papst Pius XI.
Folgen bis in die Gegenwart
Das Bayern-Konkordat wurde zum Vorbild für ähnliche Verträge mit anderen deutschen Ländern und auch mit dem Deutschen Reich 1933. Es gilt bis heute. Konkret zeigte sich das zuletzt bei der Neubesetzung des Bamberger Bischofsstuhls: In Bayern ernennt der Papst die Bischöfe frei. Im Geltungsbereich der späteren Verträge mit Preußen und Baden wählt das jeweilige Domkapitel aus einer von Rom vorgelegten Liste mit drei Kandidaten.
Auch sonst hat das Konkordat Folgen, die bis in die Gegenwart reichen. "Theologieprofessoren und Religionslehrer können nur mit kirchlicher Zulassung in staatlichen Schul- und Hochschuleinrichtungen tätig werden", erklärt der Regensburger Kirchenrechtler Yves Kingata. Der Vertrag räumt der Kirche das Recht ein, Seelsorger in Gefängnisse, Kasernen und Kliniken zu schicken und von ihren Mitgliedern eine Steuer zu verlangen.
„Theologieprofessoren und Religionslehrer können nur mit kirchlicher Zulassung in staatlichen Schul- und Hochschuleinrichtungen tätig werden“
Das Konkordat regelt auch finanzielle Verpflichtungen des Staates, die ihren historischen Ursprung in weitgehenden Enteignungen der Kirche zu Beginn des 19. Jahrhundert haben. So kommt der Freistaat für die Bezüge der Bischöfe und der Domkapitulare auf. Aktuell sind das 14,1 Millionen Euro im Jahr. Das Konkordat wurde einvernehmlich mehrfach fortgeschrieben, wenn sich die Verhältnisse änderten. Zum Beispiel angesichts abnehmender Zahlen von Theologiestudenten: Sechs katholisch-theologische Fakultäten an staatlichen Unis seien zu viel, befand der Bayerische Oberste Rechnungshof. Nach jahrelangen Diskussion einigte man sich 2006 darauf, die Fakultäten in Bamberg und Passau vorläufig zu Instituten herabzustufen, wodurch etliche Professorenstellen wegfielen. Vorerst gilt das bis 2037.
Brauchbares Instrument
Auch in einer anderen Frage war der Rechnungshof kurz darauf ein Treiber. Nach dreijährigen Verhandlungen entledigte sich das Land Bayern 2010 durch Einmalzahlungen und die Überschreibung von Immobilien der im Konkordat festgeschriebenen Pflicht, Domkapiteln und Bischöfen Wohnungen und Dienstgebäude zur Verfügung zu stellen. Nur in Würzburg, Passau und München funktionierte das nicht. Dort gehören die Bischofswohnungen weiter dem Staat. Maßgeblich ist das Konkordat außerdem für den Hochschulstandort Eichstätt. Die Aufwertung der dortigen akademischen Einrichtungen zur Katholischen Universität wurde 1980 in den Vertrag aufgenommen. Doch obwohl der Staat zu 85 Prozent die Uni finanziert, drückt der im Laufe der Jahre immer weiter gestiegene kirchliche Eigenanteil die bayerischen Bischöfe inzwischen so sehr, dass sie nach Entlastung streben. Vor Weihnachten gab es dazu eine erste Vereinbarung, in den kommenden fünf Jahren wird weiter verhandelt. Beide Seiten schließen einen Trägerwechsel nicht aus. Doch dazu müsste das Konkordat geändert werden.
Manchmal erübrigen sich Verhandlungen zwischen München und dem Vatikan aber auch. Das war bei den 21 sogenannten Konkordatslehrstühlen außerhalb der theologischen Fakultäten der Fall, einem Überbleibsel aus der Zeit der Konfessionsschulen. Bei Berufungen auf diese pädagogischen, philosophischen und politikwissenschaftlichen Lehrstühle stand den Bischöfen laut Konkordat ein Veto-Recht zu. Das führte zu Streit, bis hin zu Verfassungsbeschwerden. 2013 verzichteten die Bischöfe von sich aus auf dieses Privileg.
Aber ist solch ein Vertrag wie ein Konkordat heute noch zeitgemäß? Schließlich sind in Bayern nur noch knapp 43 Prozent der Menschen katholisch. Politisch wird diese Grundsatzfrage kaum gestellt. Weil weiter letztlich beide Seiten, Kirche und Staat, davon profitierten, glaubt Kirchenrechtler Kingata. Schließlich hätten sich solche Verträge – die es auch mit anderen Religionen und Konfessionen gibt – seit Jahrhunderten als brauchbares Instrument erwiesen.