Stress für Kirchgänger und Osterhasen

Ab Ostersonntag gilt die Sommerzeit: Mehr Symbolik geht kaum

Veröffentlicht am 30.03.2024 um 12:00 Uhr – Von Christoph Arens (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Zeitumstellung auf die Sommerzeit naht. Diesmal findet sie am Ostersonntag statt, an dem Christen den Sieg des Lebens über den Tod feiern. Das bedeutet Stress für die Kirchgänger – aber auch eine besondere Symbolik.

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Manchmal sorgt der Kalender für hoch symbolische Ereignisse. Wie in diesem Jahr: Ausgerechnet in der Osternacht, in der Christen die Auferstehung Jesu und damit den Sieg des Lebens über die Dunkelheit des Todes feiern, wird die Uhr um eine Stunde vor- und damit auf Sommerzeit gestellt.

Wer in diesem Jahr am Sonntag eine der frühen Osternachtsmessen besuchen will, muss also ganz besonders früh aufstehen. Auch der Osterhase muss wohl oder übel die Eier eine Stunde früher versteckt haben. Um 2 Uhr in der Nacht werden die Uhren auf 3 Uhr vorgestellt. Die Sommerzeit dauert bis am letzten Sonntag im Oktober, dieses Jahr ist es der 27. Oktober. Dann werden die 60 verlorenen Minuten wieder "zurückgezahlt".

Der Kalender gibt es vor: Die Sommerzeit startet in den meisten europäischen Ländern immer am letzten Sonntag im März. Ostern wiederum wird immer am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond gefeiert – in diesem Jahr fällt beides auf den 31. März. Frühester Ostertermin ist der 22. März, spätester der 25. April. Insgesamt sind 35 verschiedene Ostertermine möglich.

Der Ostertermin und die Bibel

Warum das so ist? Die Bibel gibt Aufschluss und führt zu den jüdischen Wurzeln des Christentums. Die Evangelisten schildern Leiden und Tod Jesu vor dem Hintergrund des jüdischen Passahfestes. Die Juden begehen es jeweils am 14. des Monats Nisan zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Es fällt stets auf den ersten Frühlingsvollmond. Die Wahl des folgenden Sonntags lag dann für Christen nahe, weil Jesus nach dem Zeugnis der Evangelien an einem Sonntag auferstanden ist.

Fest steht: Millionen von Armband-, Bahnhofs- und Kirchturmuhren müssen sich umstellen – und die Menschen dazu. Dabei ist es noch gar nicht so lange üblich, dass Uhren den Lebensrhythmus bestimmen und Tag und Nacht, Arbeitszeit und Freizeit definieren.

Bild: ©KNA/CNS photo/Paul Haring

Obacht! Heute Nacht werden die Uhren vorgestellt.

Mechanische Uhren verbreiteten sich seit 1350 von Italien aus auf dem gesamten Kontinent. Die Arbeiter und Handwerker des Mittelalters dagegen richteten sich bei ihrer Zeiteinteilung nach Sonnenstand, Klima, Wachstumsperioden der Natur oder der anfallenden Arbeit: Sie verrichteten ihr "Tagwerk" oder bestellten ihren "Morgen" Land. Auch für das tägliche Leben im Dorf hatten die Uhren noch bis weit in die Neuzeit nur wenig Bedeutung. Lediglich in Klöstern und an Adelshöfen wurden seit dem Mittelalter Sonnen-, Sand- und Wasseruhren verwendet; sie regelten vor allem die Gebetszeiten.

Erfinder einer neuen "Zeitkultur" wurde, so beschreibt es der Bielefelder Historiker Gerhard Dohrn-van-Rossum in seiner "Geschichte der Stunde", das städtische Bürgertum des Mittelalters: Die Kaufleute brauchten konkrete Zeitangaben für ihr überregionales Handelsnetz, die Handwerker berechneten die Dauer ihrer Arbeit, und die Geldverleiher entdeckten, dass Zeit Geld kostet.

Für den Historiker Marc Bloch, einen der bedeutendsten Mittelalter-Experten, bedeutete das einen fundamentalen Umbruch: Die veränderte Wahrnehmung der Zeit ist für ihn nichts weniger als "eines der Hauptereignisse der spätmittelalterlichen Geschichte".

Kirche war skeptisch gegenüber Zeiteinteilung

Bei der Kirche war der neue Umgang mit der Zeit nicht unumstritten. Jahre und Tage waren schließlich Gottesgeschenk, und das durfte nicht mit Geld berechnet werden. Ganz so groß dürfte der Widerstand jedoch nicht gewesen sein: Immerhin stellte sie ihre Glockentürme auch für die Einführung des neuen Zeitsystems zur Verfügung.

Die Ausgestaltung der Uhren und Zifferblätter wurde zur Prestigefrage. Eine funktionierende Uhr wurde zum Symbol geordneten Lebens, Pünktlichkeit zur Tugend – besonders, seit Fabrikarbeit die Heimarbeit ersetzte und Eisenbahnen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu festgesetzten Zeitpunkten die Städte durchquerten.

Die Festlegung der Zeit bedeutete Macht. Kein Wunder, dass die Verfügungsgewalt über Glocken und Uhren zwischen Kirche und Stadt, zwischen Tagelöhnern und Gutsherren umstritten war. Waren es zunächst die Kirchenglocken, die auch politische Ereignisse wie einen Gerichtstag oder die Schließung der Stadttore ankündigten, so legten viele Stadträte oder Universitäten später Wert auf ein eigenes, von der Kirche unabhängiges Zeit- und Signalsystem.

Von Christoph Arens (KNA)