Papst Franziskus hat das Nachtreten gegen seine Gegner nicht nötig
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Mehr als elf Jahre sitzt Jorge Bergoglio nun bereits als Papst Franziskus auf dem Stuhl Petri. Vieles hat er in der Zeit stillschweigend über sich ergehen lassen: die andauernde Kritik des – mittlerweile ehemaligen – Präfekten der Gottesdienstkongregation, Kardinal Robert Sarah, an seinem Kurs als Papst, das Buch von Erzbischof Georg Gänswein, der darin die Deutungshoheit des Verhältnisses zwischen Benedikt XVI. und Franziskus für sich beanspruchte, und viele weitere Angriffe und Verschwörungen seiner zumeist konservativen Kritiker.
In jüngster Vergangenheit holt Franziskus jedoch immer häufiger zum medialen Gegenschlag aus: in einzelnen Interviews, in seiner Autobiographie "Leben" oder – wie in dieser Woche – im Interviewbuch "El sucesor". Er stellt Sachverhalte klar, rechnet aber auch namentlich mit Kritikern ab. Kardinal Sarah sieht er als von "separatistischen Gruppen manipuliert" und durch seine Arbeit an der Kurie als "verbittert" an. Erzbischof Gänswein attestiert er sogar einen "Mangel an Anstand und an Menschlichkeit".
Man könnte sich im ersten Moment schadenfroh die Hände reiben: Endlich verpasst Franziskus seinen vermeintlichen Gegnern eine Abreibung und erkämpft sich die Deutungshoheit über sein Pontifikat sowie über die Entwicklungen in der katholischen Kirche insgesamt öffentlichkeitswirksam zurück. Mit etwas Abstand bleibt dann aber doch ein fader Beigeschmack und Irritation: Warum jetzt? Warum so?
Papst Franziskus und der Vatikan hätten die Möglichkeit gehabt, die Trennung von Kardinal Sarah oder Erzbischof Gänswein unmittelbar, sachlich und transparent zu begründen. Bei Personen der Öffentlichkeit – etwa im Profisport oder in der freien Wirtschaft – sind Pressemitteilungen, in denen von "unüberbrückbare Differenzen" oder einem "fehlenden Vertrauensverhältnis" die Rede ist, längst keine Seltenheit mehr. Stattdessen wurde – wie im Vatikan üblich – gesichtswahrend geschwiegen. Intransparenz ist dort bei Ab- und Versetzungen noch immer an der Tagesordnung.
Umso überraschender ist es, dass sich Franziskus nun regelmäßig an seinen Verlautbarungsorganen vorbei als "Privatmann" äußert – und dabei nachtritt. Dabei fällt er über seine (ehemaligen) Mitarbeiter nicht nur vernichtende berufliche, sondern auch persönliche und menschliche Urteile. Ist das besonders christlich? Und hat der Papst das nötig? Eigentlich nicht.
Der Autor
Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.