Sie trägt weder Habit noch Schleier – und ist dennoch Ordensfrau
Schwester Maria Magdalena Kempen ist in Kevelaer geboren, einem bekannten Marienwallfahrtsort in Deutschland. Von ihren Eltern bekommt sie den Rufnamen "Jennifer". Doch der Pfarrer, der sie damals taufen soll, empfiehlt noch einen zusätzlichen katholischen Namen. "Also hieß ich dann Jennifer Maria", lacht die 53-Jährige. Ihre Familie ist normal religiös, berichtet sie, der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes war für sie als Kind selbstverständlich. Schon in der Schule wünschte sich Kempen, eines Tages "Schwester zu werden". Doch bis dahin dauert es noch etwas.
Nach der Schule macht sie eine Ausbildung zur Erzieherin und tritt dann in eine geistliche Gemeinschaft ein. Weil die Spiritualität dort nicht zu ihr passt, verlässt sie diese Gemeinschaft wieder und beginnt später an der Hochschule Sozialpädagogik zu studieren. Zeitgleich leitet sie in Kevelaer eine Kindertageseinrichtung. Den Wunsch nach einer eigenen Familie oder eigenen Kindern verspürt Kempen nicht. 2016 zieht sie nach Münster "in die Stadt", wie sie sagt. Damals ist sie Mitte 40.
In Münster geht sie auf die Suche nach einer Gebetsgemeinschaft, mit der sie "zusammen ihren Glauben leben" kann. Dann lernt sie die Franziskanerinnen von Lüdinghausen kennen. In Münster leben Schwestern der Gemeinschaft in einem Konvent. Jennifer Kempen nimmt regelmäßig an deren Gebetszeiten in der Kirche teil und fühlt sich dort wohl. 2020 erfährt sie per Zufall, dass aus dem Konvent zwei Schwestern ausziehen und Zimmer frei werden. Nach längerem Nachdenken fragt Kempen dort nach, ob sie einziehen könne. Sie bekommt die Zusage und freut sich, dass sie nun bei den Franziskanerinnen lebt. Sie spürt eine große Freiheit, als sie damals ihre Wohnung auflöst, die Möbel verschenkt und ihr Auto weggibt. "Es war ein Sprung in ein neues Leben", beschreibt sie ihre Entscheidung im Rückblick. Vorerst denkt sie noch nicht an einen Eintritt ins Kloster. Doch "Gott öffnet einem die Türen", ist Kempen überzeugt.
In der WG mit den Schwestern fühlt sie sich so wohl, dass sie bald ganz zu ihnen gehören und ins Kloster eintreten möchte. Anfangs ist Kempen jedoch unsicher, denn die Frage stand im Raum, ob "die noch jemanden mit 50 nehmen", erzählt sie. Als sie nach einem halben Jahr bei der Ordensleitung nachfragt, ist sie über die Antwort erleichtert: "Wenn du magst, kannst du den Weg mit uns gehen." Es passte einfach, sagt Kempen. Auch beruflich setzte sie damals einen Neubeginn und kündigte ihre sichere Stelle als Kita-Verbundleiterin. "Der ständige Fachkräftemangel setzte mir ohnehin schon länger zu", so die 53-Jährige. Ihr Erspartes hätte sie aber über Wasser gehalten, wenn "das mit dem Eintritt ins Kloster nichts geworden wäre", bemerkt sie. Einen Plan B hatte Kempen damals nicht. Sie wollte sich ganz auf das Leben in der Gemeinschaft einlassen. Und vor allem wollte sie Zeit fürs Gebet haben.
In der Schwestern-WG im Konvent in Münster fühlt sich Kempen von Anfang an wohl. "Das ist mein zu Hause", sagt sie deutlich. Sie genießt das gemeinsame Gebet, das miteinander Essen, den Austausch mit den anderen. Eine der Mitschwestern ist Katharina Kluitmann, die frühere Provinzoberin der Franziskanerinnen von Lüdinghausen. Die beiden anderen Ordenfrauen gehören zu einer indischen Kongregation. Ein Jahr nach ihrem Einzug in die WG beginnt Kempen ihr Postulat und lernt damit die Gemeinschaft der Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe noch näher kennen. Zu der Provinz in Lüdinghausen gehören heute fast 25 Ordensfrauen. Der Orden ist weltweit vertreten und engagiert sich vor allem in sozialen Projekten, in Altenheimen, Krankenhäusern und Schulen wie etwa in Indonesien, Brasilien oder Polen. So war es früher auch in Lüdinghausen, weiß Kempen. Doch die Gemeinschaft hat dort schon alle Einrichtungen aufgegeben.
Als Kempen ihr Noviziat beginnt, nimmt sie einen neuen Namen an. Den Ordensnamen "Schwester Maria Magdalena" hat sie sich selbst ausgesucht. "Der passt zu mir", findet die Franziskanerin, auch weil die Apostelin Maria Magdalena für sie ein Vorbild im Glauben sei, die eine starke Frau gewesen sei und sich durch ihre Liebe zu Jesus ausgezeichnet habe, sagt die 53-Jährige. Auch die niederländische Ordensgründerin der Gemeinschaft hieß mit Ordensnamen Magdalena Dahmen, weiß Kempen.
Sie möchte vorerst kein Ordenskleid tragen
Ein spezielles Ordenskleid oder einen Schleier trägt Schwester Maria Magdalena nicht. Für sie ist es eine große Freiheit. Beim Noviziatsbeginn vor über zwei Jahren in der Klosterkirche in Lüdinghausen hat sie sich dazu entschieden. "Uns Schwestern ist es in unserer Provinz freigestellt, wie wir uns kleiden möchten", erklärt Kempen. In ihrer Alltagskleidung fühlt sich die Franziskanerin wohl. Meist trägt sie Jeans und T-Shirt, dazu ihr Taukreuz um den Hals. Manche ihrer Mitschwestern tragen Rock und Bluse mit Schleier, andere gehen ganz im Habit. Beide Formen scheinen ihre Vor- und Nachteile zu haben, sagt Kempen. Als sie während ihrer Ordensausbildung einmal in Luxemburg bei einem Treffen von Ordensfrauen war, hat sie beobachtet, dass Ordensleute in Tracht von anderen Menschen manchmal bevorzugt behandelt und auch leichter angesprochen werden. Dennoch, sie möchte vorerst kein Ordenskleid tragen. "Ich möchte vor allem mit meiner Art, wie ich mit Menschen umgehe, eine Duftmarke Gottes setzen", erklärt die 53-Jährige.
Wie lange ihre Provinz noch existieren wird, kann Schwester Maria Magdalena nicht sagen. Der Nachwuchsmangel an Ordensleuten ist auch in ihrem Orden spürbar und die Gemeinschaft der Franziskanerinnen von Lüdinghausen wird älter. "Veränderungen geschehen, darauf lasse ich mich ein", so die Ordensfrau. Vieleicht sollten sich "einzelne Gemeinschaften viel stärker vernetzen und zusammenschließen". Gemeinsam könnten sie so die Zukunft von Kirche und Welt mitgestalten, ist die Franziskanerin überzeugt. Das sei sicher anders als früher möglich, aber nicht weniger wirksam. Sie erlebe jedenfalls das Miteinander mit den beiden Schwestern aus einem indischen Konvent in ihrer WG als sehr bereichernd. Vielleicht wäre so ein ordensübergreifendes Zusammenleben ein Zukunftsmodell für Klöster, überlegt Kempen.
In einigen Jahren schon wird sie ihre ewige Profess ablegen. Zweifel an ihrer Entscheidung, ins Kloster zu gehen, hat Schwester Maria Magdalena bis heute keine. Ab und zu hadert sie noch mit dem "veralteten Bild", das manche Menschen von Ordensfrauen haben. "Dass wir allzeit dienen und demütig sein sollen", das gefalle der Franziskanerin nicht. Auch ärgert sie sich manchmal über das klerikale Gehabe von kirchlichen Verantwortungsträgern.
Sie selbst hat sich beruflich neu sortiert. Erst arbeitete sie eine Zeit lang als Pfarramtssekretärin in der Kirchengemeinde gleich in der Nähe des Konvents in Münster. Jetzt ist Schwester Maria Magdalena die neue Hausleitung im Provinzhaus ihrer Gemeinschaft in Lüdinghausen.
Kraft für ihre Aufgaben holt sie sich unter anderem durch das Pilgern. Letztes Jahr war die Ordensfrau auf dem Franziskusweg von Florenz nach Rom unterwegs. Vor ihrem Klostereintritt 2018 ist sie von Kevelaer bis nach Garmisch Partenkirchen gepilgert und im Jahr darauf quer über die Alpen bis nach Bologna gelaufen. Das mache sie glücklich. Und "nur wenn ich glücklich bin, kann ich auch andere glücklich machen", ist die Ordensfrau überzeugt.