Diskussion um Segen für Paare in "irregulären Situationen"

Moraltheologe Brantl spricht sich für neuartige Segensfeier aus

Veröffentlicht am 29.04.2024 um 13:36 Uhr – Lesedauer: 
Johannes Brantl
Bild: © Privat

Freiburg ‐ Der Synodale Weg forderte "Segensfeiern für Paare", die Vatikan-Erklärung "Fiducia supplicans" hat liturgische Segnungen von Paaren in "irregulären Situationen" aber ausgeschlossen. Moraltheologe Johannes Brantl macht nun einen Kompromissvorschlag.

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Der Trierer Moraltheologe Johannes Brantl hat sich in der anhaltenden Diskussion um die vatikanische Erklärung "Fiducia supplicans" und die Frage eines Segens für Paare in "irregulären Situationen" mit der Idee einer neuartigen Segensfeier zu Wort gemeldet. In einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (Mai-Ausgabe) plädiert Brantl für eine "Segensfeier für Menschen, die in tiefer Freundschaft verbunden sind". Eine solche Feier "wäre für alle, die nicht im Sakrament der Ehe leben, die gemeinsame, inklusive Form einer dankbaren Feier für das Geschenk der Philia, der Freundschaftsliebe", schreibt der Theologe. Zudem äußert er die Vermutung, dass in einer solchen Feier "sicher nicht minder als in der exklusiven liturgischen Segensfeier für Paare, vor allem aber viel deutlicher als in einer nur wenige Sekunden dauernden Segensgeste gemäß 'Fiducia Supplicans', der Segen Gottes über die menschliche Liebe und die mit ihr verbundenen Beziehungsmerkmale der Treue, der Dauer, der gegenseitigen Hilfe sowie der Achtung vor- und der Verantwortung füreinander zum Ausdruck gebracht werden" könne.

Brantl will seinen Vorschlag als Kompromiss verstanden wissen zwischen den etwa vom Synodalen Weg geforderten "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" und der im Dezember vom Vatikan veröffentlichten Erklärung "Fiducia supplicans", die zwar spontane Segnungen von Paaren in "irregulären Situationen" erlaubt, Segnungen, "die einer liturgischen Feier ähneln könnten" aber einen Riegel vorgeschoben hatte. Der Theologe schreibt in seinem Beitrag, dass angesichts der "heiklen und einigermaßen verfahrenen Situation rund um die Frage der Segensfeier oder aber nicht liturgischen Segnung für Paare, die kirchlich nicht heiraten können oder wollen", noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken sei, ob sich nicht ein Ausweg zwischen beiden Positionen biete, "der sich als theologisch schlüssig, pastoral relevant und die kirchliche Gemeinschaft stärkend" erweise.

Exklusiver Segen für Paare "echt bürgerlich-bieder daherkommendes Projekt"

"Kurz gefragt: Könnte nicht dem legitimen Wunsch nach einem Segen Gottes über die menschliche Liebe und die mit ihr verbundenen Beziehungsmerkmale der Treue, der Dauer, der gegenseitigen Hilfe sowie der Achtung vor- und der Verantwortung füreinander entsprochen und zugleich die kirchliche Einheit gewahrt werden", so Brantl. Er spricht sich vor dem Hintergrund seines Vorschlags gegen einen "exklusiven Segen für Paare" aus, da solch ein "trotz aller Subversion gegenüber der kirchlichen Sexualmoral" im Grunde doch recht bürgerlich-bieder daherkommendes Projekt immer noch queere Menschen ausschließe, die sich etwa als asexuell, aromantisch, polysexuell oder polyamorös einschätzten.

Segensfeier für Paare, die sich lieben
Bild: ©picture alliance/dpa/Fabian Strauch (Symbolbild)

Brantl spricht sich gegen einen "exklusiven Segen für Paare" aus, da solch ein "trotz aller Subversion gegenüber der kirchlichen Sexualmoral" im Grunde doch recht bürgerlich-bieder daherkommendes Projekt immer noch queere Menschen ausschließe.

"Aber wichtiger noch: Warum soll es einen exklusiven Segen für Paare geben, wenn völlig zu Recht angemahnt wird, kirchliches Denken und Handeln müsse weit mehr als bisher die wachsende Zahl von Singles in der Gesellschaft in den Blick nehmen, deren zentrales Lebensthema ebenfalls darin besteht, ein soziales Netzwerk von hoher emotionaler Bedeutung aufzubauen und zu stärken", fragt Brantl weiter. In einer zunehmend alternden Gesellschaft, in der die überlieferten Sozialformen von Ehe und Familie brüchig geworden seien und der Pflegenotstand drohe, könne mehr als zuvor die Freundschaftsbeziehung zu einer Art Rettungsanker in den Stürmen und Untiefen des Lebens werden.

Segen für Freundschaften lasse sich bestens biblisch begründen

Wirklich qualitätsvolle Freundschaften zwischen Menschen zu segnen, lasse sich mit Blick auf das Zeugnis der Heiligen Schrift sowie eine lange tugendethische Tradition bestens begründen, schreibt der Moraltheologe. In "bemerkenswerter Übereinstimmung mit der Philosophie der griechischen Antike" habe schon der Weisheitslehrer und Verfasser des alttestamentlichen Buches Jesus Sirach die Bedeutung der tiefen freundschaftlichen Verbundenheit für ein glückliches, unter dem Segen Gottes stehendes Leben hervorgehoben. Und auch der neutestamentliche Befund belege nicht nur ein missionarisch überaus aktives Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen des Völkerapostels Paulus. Insbesondere im Johannesevangelium werde auch von unmittelbar persönlich gefassten Freundschaften Jesu berichtet.

"Aus anthropologischen, theologischen und pastoralen Gründen spricht also viel für eine 'Segensfeier für Menschen, die in tiefer Freundschaft verbunden sind'", folgert Brantl. Sie würde seiner Einschätzung nach von ihrem Charakter her "sicher nicht" zu einer Verwechslung mit einer Trauung tendieren, was hingegen im Falle einer exklusiven Segnung von Paaren, die sich liebten, durchaus zu erwarten sei. "Insofern könnte man die Freundschaftssegnung auch ohne offenen Widerspruch zur Erklärung 'Fiducia Supplicans' liturgisch angemessen gestalten und jeweils an einem bestimmten Tag im Jahr – zum Beispiel am 29. Juli (Gedenktag der heiligen Marta, Maria und Lazarus) oder am 27. Dezember (Fest des Apostels und Evangelisten Johannes) – in den Gemeinden mit allen Gläubigen gemeinsam feiern." (stz)