Himmelklar – Der katholische Podcast

ZDF-Moderatorin Gause: Laien müssen in Gemeinden mehr gehört werden!

Veröffentlicht am 01.05.2024 um 00:30 Uhr – Von Tim Helssen – Lesedauer: 

Köln ‐ Die Kirche steht einem großen Bedeutungsverlust gegenüber. ZDF-Moderatorin Gundula Gause beobachtet das mit Sorge, sagt sie im Interview. Sie sehe aber viele gute Bemühungen in Gemeinden. Eine wichtige Rolle spielen für sie auch Reformbewegungen wie der "Synodale Weg", den sie unterstützt.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Gundula Gause ist praktizierende Protestantin – ihr Mann Katholik. Anlässlich ihres 60. Geburtstags erzählt sie, mit welchen Gefühlen sie dem Bedeutungsverlust der Kirchen gegenübersteht und wie sie zu Papst Franziskus steht. Die ZDF-Moderatorin erlebt in Kirchengemeinden sehr viel mühevolle Arbeit, in die Zukunft zu schauen und auch junge Menschen an die Kirche zu binden. Ob diese Problematik aber auf allen Ebenen erkannt wurde, bezweifelt sie. Mit Blick auf die Weltkirche sieht sie eine starke Notwendigkeit der Modernisierung und der Veränderung, um wieder Zulauf zu bekommen und dem Bedeutungsverlust entgegenzuwirken.

Frage: Die meisten kennen Sie aus dem "heute journal" im ZDF. Etwas weniger bekannt ist, dass Sie auch gläubige evangelische Christin sind und katholisch geheiratet haben. Hat dieser konfessionelle Unterschied für Sie überhaupt eine Bedeutung?

Gundula Gause (ZDF-Nachrichtenmoderatorin): Ja, insofern schon, als dass wir aktive Christen sind. Mein Mann ist Katholik, ich bin die Protestantin und wir leben die Ökumene. Wir setzen uns sehr mit der Zukunft der Kirchen auseinander – vor dem Hintergrund des Bedeutungsverlustes und der Skandale, die wir alle sehen und über die wir als Nachricht zu berichten haben.

Dieser Niedergang der Kirchen, der zu verzeichnen ist, der Mitgliederschwund, der Akzeptanzrückgang und ein Verlust in der Reputation sind leider festzustellen. Es ist schon erkannt worden in den Kirchen, dass gegengesteuert werden muss, siehe Synodaler Weg. Aber der Weg ist leider noch weit.

Frage: Wie gehen Sie mit dem Bedeutungsverlust der Kirche in der Gesellschaft um?

Gause: Es berührt mich persönlich stark. Ich mache mir darüber sehr viele Gedanken – gemeinsam mit meinem Mann, der mit einem großen Schwung ein sogenanntes Kirchenpapier angegangen ist, als wir ein Flugblatt in unserem Briefkasten hatten: Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Gemeinde – in zehn, in 20, in 30 Jahren? Wenn man anfängt, darüber nachzudenken und sich auch grundsätzlich mit den großen und glücklichen Ergebnissen und Errungenschaften unseres christlichen Abendlandes auseinandersetzt – und die Gefahren jetzt sieht, dann treibt es einen um, wie so viele aktive Christen. Viele Gemeinden sind ja in Umstrukturierungsprozessen. Viele Gemeinden müssen Kirchenhäuser schließen. Man kann nicht mehr in allen Gemeinden Gottesdienste anbieten. Stichwort Priestermangel. Es ist auch so, dass man natürlich durch den Mitgliederrückgang feststellen muss, dass viele Gottesdienste nicht mehr so gut besucht sind. Wenn man im Gottesdienst um sich schaut, stellt man fest: Von den 50 oder 60 Leuten, die an diesem Hochamt teilnehmen, wer weiß, wer davon noch in zehn Jahren dabei ist. Und wie sieht es mit dem Nachwuchs und damit der Zukunft aus? Da erlebe ich sehr viel positive Graswurzelarbeit. In vielen Gemeinden läuft sehr viel Gutes an der Basis. Aber ob diese massive Problematik wirklich auf allen Ebenen angekommen ist, das muss man leider bezweifeln. Siehe auch die Reaktionen aus dem Vatikan in Bezug auf den Synodalen Weg in Deutschland.

„Ich schätze als Protestantin Papst Franziskus sehr. Aber seine Rede von vor einiger Zeit, man brauche keine zweite evangelische Kirche, hat mir persönlich schon ein bisschen wehgetan.“

—  Zitat: Gundula Gause

Frage: Wie schätzen Sie die Reaktionen aus dem Vatikan ein? Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Gause: Ein wenig Traurigkeit, ganz ehrlich. Ich schätze als Protestantin Papst Franziskus sehr. Aber seine Rede von vor einiger Zeit, man brauche keine zweite evangelische Kirche, hat mir persönlich schon ein bisschen wehgetan. Denn im Kern sind wir ja alle Christen und es geht uns allen um den Erhalt des Christentums. Jetzt sehen wir natürlich die Unterschiede auf den Kontinenten und müssen auch voller Freude sehen, welchen Zulauf das Christentum zum Beispiel in Afrika hat. In Europa sehen wir aber eine gegenläufige Entwicklung. Und hier, meine ich, müssten sich die christlichen Kirchen weiter modernisieren, Reformbereitschaft zeigen und damit auch die Bereitschaft zu Veränderung.

Frage: Mit dem Synodalen Weg ist die katholische Kirche auch schon einen Schritt in die Reform hineingegangen. Wenn Sie auf diese Reformbewegung blicken, was löst das denn bei Ihnen aus? Eher Hoffnung oder Verständnislosigkeit?

Gause: Von außen betrachtet ist es erst einmal hervorragend, dass man sich auf den Weg begeben hat. Das, was ich davon erfahre, über öffentliche Äußerungen, aber auch zum Teil aus Berichten von Teilnehmern, lässt mich doch eher nachdenklich zurück. Die Reformnotwendigkeit ist erkannt und es wird auch schon einiges umgesetzt. An den Kern vieler Probleme traut man sich aber doch noch nicht heran. Hier muss ich jetzt sagen, ich bin Laie. Ich bin keine Teilnehmerin von Maria 2.0. Ich habe durch viele Gespräche mit Katholiken auch ein großes Verständnis für solche Momente wie das Zölibat und für grundsätzliche katholische Positionen. Ich meine nur, wir sollten diese Positionen respektieren und zugleich die Kirchen noch nahbarer machen, noch mehr öffnen für einen wirklich demokratischen Dialog mit Laien. Man sollte Laien viel mehr ins Gespräch holen. Warum kann man in der katholischen Kirche nicht auch eines Tages an ein Gremium denken, in dem zum Teil Kleriker sind und zum Teil engagierte Laien? Ich erlebe so viele hochkompetente Laien an den jeweiligen Basen der Gemeinden, die sich in ihrer Gemeinde im Pfarrbeirat engagieren und das religiöse Leben in den Gemeinden voranbringen. Ich glaube, die müssten noch mehr gehört werden in den Strukturen und den Hierarchien.

Frage: Was haben die denn vor allen Dingen für Forderungen? Was erleben Sie da? Was möchten die Menschen denn gerne bewegen?

Gause: Sie möchten mehr gehört werden. Sie möchten eine höhere Legitimation für die Mitwirkung von Frauen und damit auch eine andere Akzeptanz von Frauen in der katholischen Kirche. Ich denke, das sind die Hauptpunkte. Denn den engagierten Christen, Katholikinnen und Protestantinnen, geht es um den Erhalt der kirchlichen Strukturen und um eine Zukunft für die Kirchen in Deutschland. Wenn man da eine offenere und zeitgemäßere Kommunikation wagen würde, wäre das, glaube ich, sehr von Vorteil. Ich habe vor kurzem einen katholischen Diakon in der Osternacht gehört und war begeistert über dessen Auftritt. Eine ganz nahbare Predigt hat er gehalten – sehr menschlich. Und ich meine, worum geht es denn im Glauben? Es geht doch auch um eine gewisse Transzendenz und eine gewisse Öffnung für den Glauben. Er hat das Wunder der Osternacht wunderbar erklärt, von wegen Tod und Auferstehung – und damit diesen Gedanken des ewigen Lebens. Den hat er in einer Form beschrieben, das war einfach sehr erfüllend und beglückend.

Frage: Sie setzen sich auch sehr für die Ökumene ein. Wo sehen Sie denn gerade in der Ökumene auch Wegweiser für die Zukunft? Wie kann die Zukunft der Kirche in einem ökumenischen Gedanken gut gelingen?

Gause: Sie kann nur in einem ökumenischen Gedanken gelingen, meine ich. Wenn man sieht, wie sehr die christliche Kirche in Europa in Bedrängnis ist, denke ich, wenn wir vielleicht 100 Jahre weiterdenken oder 200 Jahre – wenn man in großen Zeiträumen denkt – dann ist es für mich eine Lösung oder ein tragfähiger Kompromiss, dass diese beiden Kirchen in einer Form wieder stark aufeinander zugehen. Denn es geht ja im Kern um das Christliche und um das Christentum. Von daher ist für mich die Ökumene die Lösung.

Frage: Der gelebte Glaube ist natürlich auch etwas, was Sie persönlich sehr beschäftigt und womit Sie sich auch schon viel auseinandergesetzt haben. Sie waren im Jahr 2017 Botschafterin für das große Jubiläum zu 500 Jahren Reformation. Sie haben damals gesagt, dass Sie dazu beitragen möchten, dass Menschen neu darüber nachdenken, wie sie ihren Glauben leben. Wie nehmen Sie das heute, sieben Jahre später, in der Gesellschaft wahr? Was hat sich im gelebten Glauben getan?

Gause: Leider ist es so, dass ich es aufgrund der Skandale – Missbrauchsskandal, Finanzskandal, Mitgliederschwund und dieses Bedeutungsverlustes, den die Kirchen erleben – so empfinde, dass auch das Leben des Glaubens in der Form schwierig ist. Im Grunde ist es eine existenzielle Frage geworden. Natürlich findet man als Christ und als Christin immer andere Christen, die sich engagieren. Man findet sich, so wie wir beide uns jetzt im Gespräch gefunden haben. Da entsteht so viel Gutes, dass man es gar nicht glauben mag, dass unser Glaube Gefahren ausgesetzt ist. In der Gänze ist es aber leider so, dass wir einen Rückgang von christlicher Aktivität und von gelebtem Glauben konstatieren müssen. Von daher muss ich bei meinem Appell bleiben, nicht nur eine neue Form des Glaubens und des Lebens des Glaubens für sich zu finden, sondern überhaupt weiterhin den Glauben als Geschenk zu begreifen, so wie ich es tue, und überhaupt im christlichen Wertekonstrukt weiterzuleben.

Von Tim Helssen