Suizidvorbeugung: Deutsche Bischöfe drängen auf gesetzliche Regelungen
Die deutschen Bischöfe haben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein verbindliches und umfassendes Suizidpräventionsgesetz noch in dieser Regierungsperiode gefordert. Die vom Minister vorgestellte nationale Suizidpräventionsstrategie "reicht inhaltlich bei Weitem noch nicht aus", sagte der Vertreter der Bischofskonferenz, Prälat Karl Jüsten, am Donnerstag in Berlin. Dabei erinnerte er an entsprechende Forderungen des Bundestags. Dieser hatte im Juli 2023 mit überwältigender Mehrheit bis Ende Januar ein Konzept und bis Ende Juni ein Gesetz zur Suizidvorbeugung verlangt.
Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass es einen Gesetzentwurf geben wird, nannte aber weder einen Zeitpunkt noch einen Kostenrahmen. Mit der Strategie will Lauterbach die Beratungs- und Kooperationsangebote bundesweit koordinieren und eine zentrale Notrufnummer – etwa die 113 – einführen. Fachkräfte im Gesundheitswesen und der Pflege sollen besonders geschult werden. Auch die Forschung will der SPD-Politiker ausbauen. Zudem soll der Zugang zu Mitteln und Orten für einen Suizidversuch wie Gleisanlagen, Brücken und Hochhäuser eingeschränkt werden.
Jüsten begrüßte die angestrebten Maßnahmen, wie etwa auch eine bessere psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung, Fort- und Ausbildungsmaßnahmen und die Betreuung nach einem Suizidversuch. Darüber hinaus dürften aber "Menschen nicht in Situationen geraten und verbleiben, in denen sie den Tod als vermeintlich kleineres Übel dem Leben vorziehen", betonte Jüsten. Menschen mit Suizidassistenzgedanken müssten frühzeitig erreicht werden. Dazu müssten die Palliativmedizin und Hospizarbeit sowie eine qualitativ gute medizinische und pflegerische Versorgung gestärkt werden. Auch die Länder sollten entsprechend ihren Zuständigkeiten tätig werden. Die katholische Kirche leiste gerne ihren Beitrag "mit Seelsorge, kirchlichen Angeboten und Einrichtungen", so der Prälat.
Caritas fordert Zeitenwende bei Selbsttötungen
Auch die Caritas meldete sich zu Wort: Sie forderte eine Zeitenwende beim Umgang mit Selbsttötungen. Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa erklärte: "Eine Gesellschaft, die tatenlos wegsieht, wenn sich in Deutschland pro Tag 30 Menschen das Leben nehmen, ist nicht die Gesellschaft, in der wir leben wollen." Der Deutsche Caritasverband leiste seit über 20 Jahren mit der Online-Suizidpräventionsberatung "U25" einen konkreten Beitrag, um jungen Menschen zu helfen. Einsamkeit sei kein Thema älterer Menschen allein.
Die Caritas-Chefin forderte die Politik zudem auf, Suizidprävention nicht auf Beratung und Notfalltelefone zu verkürzen. "Es braucht mehr Zäune an Brücken und Kirchtürmen. Die Sanierung der Bahngleise muss von Umzäunungen konsequent begleitet werden. Es braucht konkrete Schutzkonzepte, die dem spontanen Suizidwunsch auch bauliche Maßnahmen entgegenstellen."
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) verlangte die Vorlage eines verbindlichen Suizidpräventionsgesetzes bis zum Sommer. Die vorgestellte Strategie liefere zwar wichtige Bausteine für die Stärkung von Prävention. Das ersetze aber keine gesetzlichen Regelungen, erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.
Aus Sicht des ZdK ist ein nachhaltiger Ausbau von professionellen sowie ehrenamtlichen Beratungs- und Hilfsangeboten wesentlich. Dazu zähle ein deutschlandweiter Präventionsdienst unter Einbezug von Telefonseelsorge, sozialpsychiatrischen Diensten und weiteren Einrichtungen, so Stetter-Karp. Menschen mit Suizidgedanken und ihre Angehörigen sollten aus Sicht des ZdK rund um die Uhr Anlaufstellen haben, die online und telefonisch erreichbar sind. Für Menschen mit schwersten, todbringenden Erkrankungen müsse das Palliativangebot ausgebaut werden. Stetter-Karp forderte darüber hinaus, die Beihilfe zur Selbsttötung gesetzlich zu regeln. "Ansonsten bleibt für suizidale Menschen, für ihre Ärztinnen und Ärzte sowie die Pflegenden eine fatale rechtliche Unsicherheit."
Der Malteser Hilfsdienst forderte mehr Unterstützung für Menschen in Krankenhäusern, Hospizeinrichtungen und Altenheimen. Alle in der Pflege tätigen Personen müssten Basisschulungen zur Suizidprävention erhalten. In jedem Wohnbereich einer Pflegeeinrichtung sollte eine Palliative-Care-Fachkraft tätig sein. Deutschland benötige mehr niedrigschwellige Hilfen für Trauernde. Die Zahl der Selbsttötungen ist in Deutschland zuletzt um fast 10 Prozent gestiegen. Im Jahr 2022 nahmen sich 10.119 Menschen das Leben. (ben/KNA)