"Frengels&Chef": Das Digitale als Ort von Kirche nicht unterschätzen
Gemeindereferentin Michelle Engel und Pfarrer David Grüntjens aus der Dionysius-Pfarrei in Krefeld haben mit ihren Instagram-Kanal "Frengels&Chef" offenbar einen Nerv getroffen. Über 30.000 Follower verfolgen mittlerweile die lustigen, humorvollen aber auch nachdenklichen, christlichen Posts. Katholisch.de hat sich mit den beiden getroffen und nach dem Geheimnis ihres Erfolgs gefragt.
Frage: Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gerade auf Ihrem Instagram-Kanal die 30.000-Marke geknackt. Während den Ortskirchen in Deutschland die Gläubigen davonlaufen, wird Ihnen die Bude eingerannt. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Engel: Die Sehnsucht der Menschen ist ja da. Die Suche nach einem Sinn im Leben. Und wir scheinen auf Insta einen Nerv zu treffen, der genau das bedient. Zu Ostern ist ein homosexuelles Paar eine Stunde mit dem Auto gefahren, nur um mit uns Ostern zu feiern. Weil die sich bei uns willkommen gefühlt haben.
Grüntjens: Ein Mann hat mir gesagt, dass er mit der Kirche ehrlich nichts am Hut hat, aber meine Predigten gutfindet. (lacht) Nein, im Ernst. Es melden sich Menschen, die kurz davor waren, aus der Kirche auszutreten und jetzt bleiben. Andere fragen, ob sie bei uns katholisch werden können. Wegen uns. Das ist total verrückt.
Frage: Wie erklären Sie sich das?
Engel: Es melden sich viele, die von ihren Kirchengemeinden enttäuscht sind. Ein Ehepaar hat sich an uns gewandt, dessen Kind gestorben war. Spät abends fühlte sich kein Geistlicher mehr zuständig. In solchen Krisensituationen allein gelassen zu werden, das macht was mit den Menschen.
Grüntjens: Wenn du dich an die Kirche wendest, dann erwartest du, dass du da gehört wirst. Das ist furchtbar wichtig. Und wenn du dann plötzlich über Insta eine Rückmeldung erhältst, dann ist das eine nicht erwartete, positive Reaktion von einer Kirche, von der du eigentlich nichts mehr erwartest.
Engel: Uns erreichen bis zu 200 Nachrichten am Tag. Viele davon sind seelsorgliche Anliegen. Alle Nachrichten, die uns erreichen, werden bearbeitet. Alle. So kann es sein, dass ich nachts um drei Uhr noch im Bett liege und Posts beantworte. Schließlich bin ich deren erste Ansprechperson. Aber dann verweise ich auch an entsprechende Stellen bei denen vor Ort. Sonst könnte ich das auch nicht leisten. Ich kann auf die Entfernung nicht allen gerecht werden.
Frage: Wie sind die Reaktionen?
Engel: Die Leute sind positiv überrascht: "Schön dass du dich meldest. Schön zu sehen, dass Kirche auch anders sein kann." Die Kirche sollte ja bei den Menschen und mit ihnen unterwegs sein. Wenn ich dann zurückgemeldet bekomme, dass das "Bodenpersonal" keine Zeit mehr für sie hat, dann macht mich das total wütend.
Grüntjens: Wenn ich als pastoraler Mitarbeitender keine Zeit mehr habe für die Anliegen der Menschen, dann habe ich den falschen Job. Punkt.
Plötzlich springt Grüntjens mitten im Gespräch wie von der Tarantel auf. "Wat hat er denn wieder?", fragt Engel und zückt ihr Handy. Eine kleine Wespe fliegt summend durchs Zimmer. "Wie kriege ich die denn jetzt raus?", fragt der Chef mit hilflosem Lachen, zögert dann aber nicht lange und schnappt sich Wasserglas und Untersetzer. Die Wespe fliegt mittlerweile vor der Fensterscheibe auf und ab. Schnell steigt er auf einen Stuhl, immer im Objektiv der Kamera, und bugsiert das Tier ins Glas – und nach draußen. Das Tier ist gerettet und der Kanal um eine lustige Geschichte reicher.
Frage: Sie wirken vor allem in den Videos wie ein altes Ehepaar, das sich gegenseitig gerne einen einschenkt, gleichzeitig aber in Zuneigung verbunden ist. Und dennoch siezen Sie sich, auch wenn sich ab und an das rheinische "Du" dazwischen mogelt. Sind die 30.000 nicht Grund genug für ein Du?
Grüntjens: Naja, einen Versuch gab es ja, so quasi. (lacht) Ich war zu einem Spieleabend bei Freunden eingeladen, einem Pärchen. Spielen zu dritt fand ich doof. Also habe ich Frau Engel gefragt, ob sie nicht dazukommen wollte.
Engel: Ja genau, mit dem Satz: "Wenn Sie dazu kommen, dann biete ich Ihnen auch das 'Du' an." Das war mir ehrlich gesagt zu plump. Also habe ich nein gesagt. Und irgendwie ist das "Sie" dann zu unserem Markenzeichen geworden. Auch wenn wir das nicht konsequent durchziehen.
Grüntjens: Wir sind natürlich auch freundschaftlich verbunden. Sonst würde all das, was wir machen, auch nicht so gut klappen.
Engel: Es herrscht aber nicht immer Jubel, Trubel, Heiterkeit. Wir können auch miteinander streiten. Das gehört auch dazu, aber nicht in den Kanal.
Frage: Haben Sie ein Beispiel, das Ihre Beziehung treffend beschreibt?
Engel: Als ich aus meinem Urlaub zurückkam, hatte Chef alle Bilder in meinem Büro durch Bilder von sich ausgetauscht. Mein "Dat is'n Scherz jetzt, ne?!" hat er natürlich gleich gefilmt. Vorher war ich ja immer hinter Chef hergerannt für eine Aufnahme. Das war für ihn nervig und für mich. Und dieses Video ging echt durch die Decke und hat uns gezeigt, die Leute haben Lust auf die Art, wie wir miteinander umgehen.
Grüntjens: Bei uns ist nichts gescripted, sondern spontan. Und das macht es, glaube ich, auch aus. Wir sind so wie wir sind, authentisch und ehrlich. Wenn dann solche Sätze kommen, wie "Mädchen, dat haste jetzt aber nicht gesagt", das erwartet man von einem Priester nicht. Und das kommt an.
Engel: Er kann mir auch mal einen Spruch drücken. Aber alle wissen, dass ich die Hosen anhabe.
Grüntjens: Sie können sich ja wehren. Sie sind ja eine starke Frau.
Frage: Wenn man sich die Kommentare durchliest, dann kann man den Eindruck haben, dass alle toll finden, was Sie tun. Gibt es keine Kritik? Keine Hater?
Grüntjens: Doch, natürlich gibt es die auch, aber sehr wenige. Wenn dann aber doch einmal Hasskommentare auftauchen, dann reagiert die Gemeinschaft von sich heraus und gibt Kontra, so dass die Hater sich teilweise selber wieder löschen. Wir müssen da gar nicht großartig etwas tun.
„Entgegen der Meinung einiger Kritiker sind wir wirklich katholisch. Hardcore katholisch. Aber unsere Einstellung und die Art der Verkündigung ist wie bei Jesus: Wir sind eine Kirche in der jeder so willkommen, wie er ist.“
Frage: Angesichts Ihres Erfolgs: Haben Sie die Pastoraltheologie um eine Facette erweitert?
Grüntjens: Wir dürfen das Digitale als Ort von Kirche nicht unterschätzen. Es ist ein pastoraler Ansatz. Ich habe immer gedacht, dass das Gemeindeleben sich in der Kirche abspielen muss. Jetzt erfahre ich, dass auf Insta manchmal mehr Kirche zu erleben ist, als in Gemeinde. Das ist verrückt. Digitale und reale Welt gehören für uns mittlerweile zusammen.
Engel: Aber wir machen ja grundsätzlich nichts Neues. Aber wir sind nahbar und jede und jeder ist bei uns willkommen. Und da uns die Community vertraut und uns gutfindet, lassen die sich auch auf Dinge ein, die sie sonst ablehnen würden.
Grüntjens: Uns wird ja oft vorgeworfen, nur Jux und Klamauk zu machen. Dabei gibt es auf dem Kanal auch bewusst geistliche Elemente, wie die täglichen Gebete. Auch die Sonntagspredigt wird mitgeschnitten. Die Meinung beim sogenannten Bodenpersonal ist ja gerade: "Glaube und Gott schrecken die Menschen ab. Je weniger man davon spricht, desto besser ist es." Wir machen da die gegenteilige Erfahrung.
Frage: Wie meinen Sie das?
Grüntjens: Wir müssen uns wieder rantasten an Gott und den Glauben. Anspruchsvolle Inhalte müssen so aufbereitet werden, dass sie zeigen, dass die Botschaft Jesu in unserem Alltag heute noch Bedeutung hat. Das versuche ich auch in meinen Predigten. Und finde es immernoch krass, dass die im Schnitt von 50.000 Menschen angeschaut werden. Entgegen der Meinung einiger Kritiker sind wir wirklich katholisch. Hardcore katholisch. Aber unsere Einstellung und die Art der Verkündigung ist wie bei Jesus: Wir sind eine Kirche in der jeder so willkommen, wie er ist.
Frage: Sie surfen ja gerade ganz oben auf der Erfolgswelle. Was machen Sie, wenn die mal bricht?
Engel: Es ist total schön, was gerade abgeht und wie viele Menschen wir mit unseren Posts erreichen. Wenn wir uns aber die Entwicklung anschauen, dann muss man schon sagen, dass es viel schneller ging von 10.000 auf 20.000 zu kommen, als von 20.000 auf 30.000. Das zog sich schon ein bisschen.
Grüntjens: Und wir sind so realistisch, dass es nicht immer weiter steil bergauf gehen wird. Solange uns noch Leute folgen machen wir weiter. Aber wir müssen auch den Mut habe zu sagen: "Jetzt ist es auch gut gewesen. Wir treffen den Nerv nicht mehr. Und dann die Konsequenz ziehen und den Kanal einstellen." Aber soweit sind wir noch lange nicht.