Entscheidung für den Glauben, wenn andere aus der Kirche austreten

"Endlich katholisch" – Warum sich Erwachsene taufen lassen

Veröffentlicht am 06.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Bonn ‐ Adrian Wallersheim hat sich in diesem Jahr taufen lassen. Für den Unternehmensberater aus Brühl erfüllte sich damit ein langer Herzenswunsch. Gemeinsam mit anderen Erwachsenen aus dem Erzbistum Köln hat er sich auf den Weg gemacht, katholisch zu werden.

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Wenn sich Erwachsene taufen lassen, ist das meist eine bewusste Entscheidung. Und manches Mal auch ein längerer Weg dorthin. So zumindest war es bei Riccardo Wagner. Lange hat sich der Familienvater und Professor für Nachhaltiges Management und Kommunikation an der Fresenius-Hochschule in Köln mit dem Glauben aufeinandergesetzt, bis er sich dazu entschieden hat, katholisch zu werden. Als er dann in diesem Jahr an Ostern in der Andreaskirche in Köln getauft wurde, war das eine große Erleichterung für ihn, wie er sagt

Aufgewachsen ist Riccardo Wagner in Altenburg in Ostthüringen. Ohne Religion. Als Kind kannte er Kirchen nur als Sehenswürdigkeiten, erinnert sich der 50-Jährige. 1989 zieht er mit seiner Familie nach Hamburg und beginnt dort nach dem Abitur eine Banklehre. Danach arbeitete er als Wirtschaftsjournalist und studierte berufsbegleitend. Damals setzte er sich mit verschiedenen Religionen auseinander. Immer wieder ist er auf der Suche nach etwas, das ihm Halt und Sinn gibt. Doch dann erlebt Wagner im Jahr 2014 einen besonderen Moment. Damals war er bei einer Tagung des Wirtschaftsethikverbandes in einem Exerzitienhaus von Franziskanerinnen in der Nähe von Frankfurt. Dort in einer Bücherecke liest er in einem Buch des Franziskanerpaters Richard Rohr den Satz: "Wir müssen Gott nicht suchen, Gott macht sich auf den Wegzu uns." Diese Worte ergreifen Wagner. Es hat tief drinnen "Klick gemacht hat", erinnert er sich. 

Von da an beschäftigt sich der Hochschuldozent ernsthaft mit dem Christentum. Später besucht er regelmäßig Gottesdienste, liest die Bibel und den Katechismus der katholischen Kirche und besorgt sich sogar das Kompendium für Soziallehre. "Das alles hat mich fasziniert und nicht mehr losgelassen", meint der Familienvater. Auch sei er dadurch "Weihrauchfan" geworden und habe das Rosenkranzgebet für sich entdeckt. Einen Rosenkranz hat er unterwegs meist dabei. Irgendwann entscheidet sich der 50-Jährige dann, ganz zur Gemeinschaft der Gläubigen dazu zu gehören und meldet sich bei der Katholischen Glaubensinformation FIDES in Köln für einen Taufkurs an. Dort im Kurs trifft er zufällig auf seinen Nachbarn aus Brühl. Das ist Adrian Wallersheim. Die beiden kennen sich schon länger, wussten nur nicht voneinander, dass sie beide das gleiche Anliegen hatten, sich taufen zu lassen. "Es war schön, dass wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind", blickt Wallersheim zurück. 

Bild: ©FIDES Köln

Riccardo Wagner beugt sich über das Taufbecken. Seine Taufe fand im Gottesdienst in der Osternacht in der Kölner St. Andreaskirche statt.

Der 40-jährige Familienvater ist in Köln aufgewachsen, ohne Bezug zum Glauben. Doch schon früh hat er Interesse an Religion, wie er erzählt. Dass er ungetauft war, habe er bereits in jungen Jahren als Mangel erlebt. Eine Zeitlang wohnt Wallersheim mit seiner Familie in München. Dort erlebt er bei der Taufe seiner Tochter einen Pfarrer, der ihm gegenüber eher abweisend war. "Vielleicht, weil ich einfach keine Ahnung von Kirche und Glaube hatte", überlegt Wallersheim. Damals ging für ihn eine Tür zur Kirche zu.

Erst durch den Umzug 2019 nach Brühl und den Besuch des katholischen Kindergartens seiner Tochter dort, bekommt er einen engeren Kontakt zur St. Stephan-Gemeinde. Regelmäßig besucht er den Gottesdienst und singt sogar bei einem Chorprojekt mit. Mit der Zeit entwickelt der 40-Jährige ein immer stärker werdendes Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche. Und dann fragt ihn seine Tochter einmal: "Papa, wir sind alle getauft, du könntest dich doch auch taufen lassen." Diese Ermutigung führte ihn zu dem Entschluss, sich taufen zu lassen. "Gott hat immer wieder auf verschiedene Weise mit mir gesprochen", ist Wallersheim überzeugt. Auf der Suche nach einem Taufkurs findet er eine Fernsehdokumentation über einen Mann, der sich über die FIDES taufen ließ. Der Beitrag bestärkt ihn, diesen Weg auch zu gehen und sich dort für einen Taufkurs anzumelden. Seine Taufe fand in diesem Jahr im April in seiner Heimatgemeinde in Brühl statt. Das war Wallersheim wichtig, weil er dort erst richtig zum Glauben gefunden hat, wie er sagt. Auch sein Sohn ist in derselben Gemeinde vor zwei Jahren getauft worden. "Nun können wir alle zusammen zur Kirche", freut sich der Familienvater. 

Rund 20 Taufbewerber aus dem Kölner Raum bereiten sich jedes Jahr auf die Taufe vor

Irmgard Conin hat Adrian Wallersheim und Riccardo Wagner gemeinsam mit 13 anderen Katechumenen auf ihren Weg zur Taufe begleitet. Die Theologin leitet seit einigen Jahren die Katholische Glaubensinformation FIDES und gestaltet verschiedene Kurse und Seminare für die Taufkandidaten. Sie berühre es immer wieder, wenn Menschen den Glauben als Ressource für ihr Leben entdecken und aus einer Verbundenheit mit Gott leben, so Conin. Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen der Kirche den Rücken kehren und austreten. Rund 20 Taufbewerber aus dem Kölner Raum bereitet sie jedes Jahr auf die Taufe vor. Sie kennt deren Freude am Glaube, aber auch ihre Zweifel und die kritischen Anfragen. Die ausgebildete Pastoralreferentin und Geistliche Begleiterin arbeitet zugleich im Generalvikariat des Erzbistums Köln im Bereich Personalentwicklung für pastorale Dienste. Dort begleitet die 64-Jährige viele Seelsorgenden und kennt die Strukturdebatten und Diskussionen rund um die Kirchenentwicklung und -erneuerung. Das könne für manche belastend sein, meint die Leiterin der Katholischen Glaubensinformation. Doch die Katechumenen bringen mit ihren Fragen "frischen Wind in die Kirche".

Gemeinsam mit dem Dominikanerpater Sebastian Annas, der Mitarbeiter der FIDES-Stelle im Stadtdekanat Köln ist, bereitet Irmgard Conin die Taufgottesdienste vor, die in der Kölner St. Andreaskirche stattfinden. Wenn sie bei der Feier dann die einzelnen Kandidaten nach vorne zum Altar bitte und sie zum Taufbecken hinbegleite, sei das immer sehr emotional, sagt sie. Als Zeichen der Verbundenheit mit Jesus Christus legt sie jedem Täufling nach der Taufe einen weißen Schal um. Das gehe ihr immer sehr nahe. "Sie haben sich lange darauf vorbereitet, ihr Herz geprüft und geöffnet", ist die Theologin überzeugt. Einige der Taufbewerber aus dem Kölner Raum werden von ihren Gemeinden zu den FIDES-Kursen geschickt, doch die meisten finden die Beratungsstelle über das Internet. Das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe sei für die meist jungen Erwachsenen der Teilnehmenden ein Gewinn, berichtet Conin. Auch weil vor Ort in den Gemeinden die Kapazitäten nicht immer ausreichen, die Einzelnen zu begleiten.

Bild: ©privat

Irmgard Conin legt Adrian Wallersheim bei seiner Taufe in der St. Stephankirche in Brühl einen weißen Taufschal um den Hals. Ganz nah bei ihm stehen auch seine Frau, seine Tochter und sein Taufpate.

Bei Florian Marek aus Essen war das anders. Der 43-jährige Informatiker, der in Chemnitz aufgewachsen ist, wurde von seinem Pfarrer Ludger Blasius persönlich auf die Taufe vorbereitet. Zwei Mal im Monat haben sich die beiden im Gemeindehaus von St. Antonius zum Austausch über Glaubensfragen getroffen. Das war bereichernd, sagt Marek. So wurde aus seinem "Gläubchen ein Glaube", wie er es beschreibt. Auch er hat sich gemeinsam mit seinem Sohn, der etwa zur gleichen Zeit zur Erstkommunion ging, auf den Weg gemacht. Seine Frau, die aus Polen kommt, hat ihm einige christliche Bräuche und Feste im Kirchenjahr nähergebracht. Er gehe einfach gerne in den Gottesdienst, betont der Familienvater. Das tue ihm gut. Doch erst hatte er Zweifel an seiner Entscheidung. Zum Beispiel sei für ihn die Vorstellung von Himmel und Hölle nur schwer greifbar. Im Gespräch mit dem Pfarrer konnte sich sein Glaube jedoch festigen, auch wenn Fragen offenbleiben. "Was Jesus gesagt hat, das ist meine Kirche und der Platz, wo ich mit anderen zusammenkommen möchte und dazugehören möchte", so Marek.

"Bisher war ich nur ein halber Christ, jetzt bin ich es ganz"

Dieses Jahr in der Osternacht wurde Florian Marek in der Antoniuskirche in Essen getauft. Seine Frau ist seine Taufpatin, denn mir ihr könne er am besten über den Glauben reden, erklärt Marek. Zu Beginn seines Katechumenats hat er sich gleich eine Halskette mit einem Kreuz gekauft: "Die erinnert mich an Jesus". Seinen Glauben nach außen zu vertreten, das gehört für Florian Marek einfach dazu. "Wenn mich einer fragt, dann gebe ich gerne darüber Auskunft, was ich glaube", sagt er. Vielleicht helfe seine Entscheidung  anderen Erwachsenen, die mit ihrem Glauben oder der Kirche innerlich hadern, den gleichen Schritt zu wagen, so Marek. Bei seiner Tauffeier hat er gleichzeitig auch seine Erstkommunion und Firmung erhalten. "Das All-inklusive-Paket", freut sich der Informatiker. "Bisher war ich nur ein halber Christ, jetzt bin ich es ganz."

Auch für Riccardo Wagner war es berührend, als ihn bei seiner Taufe in der Kölner Andreaskirche Pater Sebastian drei Mal das Taufwasser über den Kopf gegossen hat. Und es hat sich für ihn besonders angefühlt, das erste Mal die Kommunion in Brot und Wein zu empfangen. Der Professor für Nachhaltiges Management hat sich sogar einen eigenen Taufnahmen ausgesucht. Der lautet "Caterinus", in Bezug auf die Heilige Katharina von Siena, die für ihn ein Vorbild im Glauben ist, weil sie zu ihrer Zeit damals kritisch gegenüber der Kirche war und trotzdem für sie klar war, dass die Kirche eine heilige Institution war, erklärt Wagner. Das Hinterfragen von Glaubenssätzen gehöre für ihn als Philosoph schließlich dazu. Er tue sich zum Beispiel schwer damit, dass sich in der Kirche Gruppen zwischen den progressiveren und den konservativeren Gläubigen bilden würden. "Es ist schon eine verrückte Mischung, Katholik zu sein", stellt der 50-Jährige fest. Trotzdem ist er glücklich, dass er nun katholisch ist. Ihm gebe der Glaube viel Trost und Vertrauen. Deshalb ist er Katholik geworden. Wagners Taufpatin ist übrigens Irmgard Conin, die Leiterin der Kölner Katholischen Glaubensinformation. Als nach seiner Taufe sein 13-jähriger Sohn zu ihm nach vorne in die Kirchenbank kam, um ihn fest zu umarmen, hat es sich für ihn richtig angefühlt, endlich katholisch zu sein, berichtet Wagner. Sein Sohn ist übrigens nicht getauft. "Meine Frau und ich wollen ihm die Entscheidung selbst überlassen", erklärt Wagner. Dann könne sein Kind selbst überlegen, ob er eines Tages katholisch werden möchte oder nicht.

Von Madeleine Spendier