Standpunkt

Neues Kapitel im pragmatischen Dialog zwischen dem Vatikan und China

Veröffentlicht am 24.05.2024 um 00:01 Uhr – Von Jeremias Schröder OSB – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und China sind traditionell schwierig. Doch Abtpräses Jeremias Schröder sieht eine neue Qualität dieses pragmatischen Verhältnisses – denn in Rom hat eine denkwürdige Tagung stattgefunden.

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Die vatikanische Diplomatie muss gleichzeitig viele Bälle in der Luft halten, nicht nur den Ukraine-Krieg und den Gaza-Konflikt. Das wurde am vergangenen Dienstag deutlich. Da fand in der römischen Urbaniana-Universität eine Tagung statt, die sich mit dem "Chinesischen Konzil" des Jahres 1924 beschäftigte. Unter dem historischen Mäntelchen wurden höchst aktuelle Themen verhandelt: das Verhältnis von Kultur, Staat und Kirche in China. Die Anwesenheit von Kardinalstaatssekretär Parolin unterstrich den Gegenwartsbezug der Veranstaltung.

Sensationell war auch die Gegenwart des Bischofs von Shanghai, der in einer viertelstündigen Rede eine chinesisch-katholische Position skizzierte. Dem interessierten Nicht-Fachmann fällt auf, dass zwar nicht alle aber doch viele Elemente der gängigen katholischen Ekklesiologie genannt werden. So ist von einer Partikular- oder Ortskirche die Rede, was ja einschließt, dass man sich als Teil der Weltkirche versteht. Das 2. Vatikanum wird als wichtige Referenz genannt.

Das dornige Thema der Sinisierung, also der von der Regierung immer wieder eingeforderten Anpassung an chinesische Verhältnisse und Traditionen, wird geschickt mit dem sehr katholischen Prinzip der Inkulturation verknüpft, mit einem amüsanten Hinweis auf traditionelle chinesische Architektur. Die Situation in China ist sehr komplex, auch repressiv, und für die katholischen Gemeinden oft schmerzlich. Das kommt in dieser Rede nicht vor. Ein chinesischer Bischof, der im Ausland spricht, kann dies nicht zum Thema machen. Aber die genannten Punkte zeigen eben doch ein Bemühen, die schwierige Situation nicht weiter zuzuspitzen, und katholisch vertretbare Kategorien zu finden, mit denen die Fortexistenz der Kirche in China gedacht werden kann. Das ist besser als verbale Konfrontation oder Schlimmeres.

Einige Medien haben das nicht gewürdigt und stattdessen inhaltliche Lücken der Rede und den rhetorischen Hinweis auf in China existierende Religionsfreiheit beklagt. Die offiziellen Reaktionen des Heiligen Stuhles verzichten dagegen richtigerweise auf besserwisserische Spitzen und billige Kritik. Am vergangenen Dienstag und auch heute – am Weltgebetstag für die Kirche in China – wird deutlich, dass es um die Seelen von 1,5 Milliarden Menschen und vielen Dutzend Millionen Katholiken geht. Der römische Oberhirte und seine Helfer nehmen das ernst.  

Von Jeremias Schröder OSB

Der Autor

Jeremias Schröder OSB ist Abtpräses der Benediktinerkongregation von St. Ottilien.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.