Zweiter Tag des Christentreffens in Erfurt

Bätzing: "Der Heilige Vater ist offen für Veränderungen"

Veröffentlicht am 30.05.2024 um 09:30 Uhr – Lesedauer: 
Liveticker Katholikentag

Erfurt ‐ Der Katholikentag in Erfurt ist am Mittwoch, dem Hochfest Fronleichnam, mit seinem inhaltlichen Programm gestartet. Bei einer Podiumsdiskussion zeigte sich Bischof Georg Bätzing mit Blick auf mögliche Reformen in der Kirche optimistisch.

  • Teilen:

16:22 Uhr: Präses Heinrich verurteilt religiös motivierten Hass im Internet

Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat Menschen kritisiert, die religiöse Inhalte für Hasskommentare im Internet verwenden. Manche Userinnen und User nutzten den Glauben für Bedrohungs- und Angstbilder, während sie selbst sich im Recht fühlten, sagte Heinrich am Donnerstag beim Katholikentag in Erfurt. Andere wiederum gebrauchten Begriffe wie "Abendland" und "Volk", um Menschen auszugrenzen. All das widerspreche dem christlichen Prinzip der Nächstenliebe. Jede Parole und jeder Hasskommentar treffe einen Menschen und sei kein anonymes Geschehen.

Bild: ©KNA/Gordon Welters

ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp forderte in Erfurt eine Kirche, zu der sich alle Menschen hingezogen fühlen.

15:45 Uhr: Bätzing hält an Einrichtung von synodalen Räten fest

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hält die Einrichtung von synodalen Räten in der katholischen Kirche trotz des derzeit geltenden Verbots des Vatikans für möglich. Er sei fest davon überzeugt, dass eine Beratungskultur im Miteinander zwischen Kirche und Laien erreichbar sei, sagte der Co-Präsident des Synodalen Wegs im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf dem 103. Deutschen Katholikentags am Donnerstag in Erfurt. Die Kirche werde auch im Gespräch mit den Laien immer eine Bischofskirche bleiben. Das mache sie aus.

Auch die Frage des Diakonats für Frauen hält der Limburger Bischof für lösbar. "Aber fragen Sie mich nicht nach einem Zeitpunkt", sagte Bätzing. Die Ablehnung des Frauendiakonats sei immer damit begründet worden, die katholische Kirche dürfe sich durch einen solchen Schritt nicht von der orthodoxen Kirche entfernen. Doch genau diese orthodoxe Kirche haben dieses Amt für Frauen nun eingeführt.

Der Heilige Vater sei offen für Veränderungen, werde aber nicht an den Grundprinzipen in der Kirche rütteln, so Bätzing weiter. Die Einführung des Frauenwahlrechts in der Synodalversammlung habe Kirchenrechtler in die Verzweiflung getrieben, und trotzdem ist es möglich geworden. Es sei auch für andere Konfliktpunkte zu erwarten, dass Papst Franziskus an den Prinzipien der Kirche festhalte, aber die Möglichkeiten in der gelebten Praxis öffne.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, zeigte sich weniger zuversichtlich. Stetter-Karp, ebenfalls Co-Präsidentin des Synodalen Wegs, forderte eine Kirche, zu der sich alle Menschen hingezogen fühlen. Jeder Christ müsse spüren, dass er als ganzer Mensch willkommen sei. Doch es gibt immer noch Lebensmodelle, die in der Kirche nicht willkommen seien.

14:41 Uhr: Friedensnobelpreisträgerin ruft zur Hilfe für Ukraine auf

Die russische Menschenrechtlerin Irina Scherbakowa hat zur Unterstützung der Ukraine aufgerufen. Das viel zu lange Zögern des Westens habe Russlands Staatschef Wladimir Putin das Gefühl gegeben, sein Krieg könne erfolgreich sein, sagte die Friedensnobelpreisträgerin am Donnerstag beim Katholikentag in Erfurt. Hoffnung gebe ihr jedoch, dass viele Menschen im Westen mittlerweile die Illusionen gegenüber Putin verloren hätten, sagte Scherbakowa. Der Westen solle deshalb auch russische Flüchtlinge unterstützen und mit ihrer Hilfe Informationen zur wirklichen Lage in ihrem Heimatland verbreiten. Mehr als zwei Millionen Menschen seien mittlerweile aus dem Russland geflohen, die größte Migration seit der Revolution 1917.

Scherbakowa ist Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial, die 2021 vom Obersten Gericht Russlands verboten worden war. 2022 wurde Memorial mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Im selben Jahr verließ die Germanistin Russland. Weiter sagte Scherbakowa, mit Putin werde es keine Veränderung in Russland geben. Ihm gehe es mit seinem Krieg in der Ukraine in erster Linie um einen Kampf gegen die aus seiner Sicht verruchten westlichen Werte. Dabei gelinge es ihm, Werte systematisch umzudeuten. So sei die Verwendung des Begriffs Frieden in Russland mittlerweile gefährlich. Auch Menschenleben spielten kaum noch eine Rolle.

Aus Sicht der Menschenrechtlerin konnte Putin seine diktatorische Herrschaft aufbauen, weil die russische Gesellschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Identität verloren habe. "Es war vielen Menschen nicht klar, was es bedeutet, ein Demokrat zu sein." Darin sieht die Menschenrechtlerin auch eine große Gefahr für den Westen. Wenn Menschen das Vertrauen in Institutionen und Medien verlören, spiele das undemokratischen Kräften in die Hände. Die russische Propaganda arbeite mittlerweile daran mit, dieses Vertrauen im Westen zu untergraben. "Wir sehen überall die Kräfte von links oder von rechts, populistische, rechtsradikale, linksradikale, die Institutionen gefährden", so Scherbakowa.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Teilnehmer des Katholikentags in Erfurt halten einen Katholikentagsschal mit dem Motto "Zukunft hat der Mensch des Friedens" hoch.

14:19 Uhr: Soziologe Rosa: Katholikentag wirkt wie ein Energie-Booster

Der Katholikentag liefert nach Ansicht des Soziologen Hartmut Rosa wertvolle Energie fürs gesellschaftliche Miteinander. "Natürlich sind viele Menschen vom Kirchenalltag zu Hause frustriert, weil die Kirchen leer sind. Und dann stellt man beim Katholikentag plötzlich fest: Da lebt doch noch was", sagte Rosa am Donnerstag in Erfurt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Dieses Gefühl von Lebendigkeit und Verbundenheit – daraus entsteht soziale Energie." Glaubende wie Zweifelnde machten auf Katholiken- und Kirchentagen positive "Au, ja!"-Erfahrungen: "Man hat zusammen gesungen, diskutiert und gebetet. Da kommt wieder etwas in Fluss, da sind dynamische Entwicklungen", erläuterte der Direktor des Erfurter Max-Weber-Kollegs.

Katholiken- und Kirchentage haben nach seiner Einschätzung auch eine politische Funktion, indem sie verschiedene Stimmen miteinander "in Resonanz" brächten: "Es ist ein Ort, wo man sehr unterschiedliche politische, religiöse, ethische Auffassungen findet, die sich nicht durchsetzen wollen, die nicht kämpfen wollen, sondern die miteinander in einen Austausch treten wollen. Wenn wir solche Orte verlieren, sind wir auch als Demokratie und als Gesellschaft verloren."

11:43 Uhr: Katholikentag sammelt für Gesundheitsprojekte

Beim Katholikentag in Erfurt wird für zwei medizinische Projekte in Thüringen und im Nahen Osten gesammelt. Die Hälfte der Spenden soll einem neuen Hospiz im Eichsfeld zugute kommen, in dem unheilbar kranke Menschen begleitet werden. Wie die Veranstalter weiter mitteilten, geht die andere Hälfte an die israelische Nichtregierungsorganisation "Road to Recovery". Sie bringe palästinensische Patienten aus dem Westjordanland in israelische Krankenhäuser. Dort erhielten sie lebenswichtige Operationen und weitere Behandlungen. Die Arbeit von "Road to Recovery" unterstütze vor allem palästinensische Kinder. Sie erhielten dadurch Zugang zu medizinischen Leistungen, die für sie sonst unerreichbar seien. Der Verein mit rund 1.300 Freiwilligen helfe auch bei der Anschaffung von medizinischen Geräten.

Der Caritasverband im gastgebenden Bistum Erfurt errichtet den Angaben zufolge in der Kurstadt Heiligenstadt ein stationäres Hospiz, das nach der Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa benannt ist. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, todkranken Obdachlosen in Kalkutta (Indien) ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. In der neuen Einrichtung sollen bis zu 13 Menschen Trost und Begleitung in ihrer letzten Lebensphase erfahren. Unabhängig von Herkunft, Religion oder Weltanschauung stehe das Hospiz allen Menschen offen.

Bild: ©KNA/Roger Hagmann

Christen dürften sich nicht entmutigen lassen in ihrem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden – "auch wenn wir damit auf Ablehnung stoßen", sagte Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr am Donnerstag bei regnerischem Wetter in einem Gottesdienst zu Fronleichnam auf dem Erfurter Domplatz.

10:52 Uhr: Katholikentag mit Gottesdienst unter freiem Himmel fortgesetzt

Mit einem Gottesdienst unter freiem Himmel zum Hochfest Fronleichnam ist der Katholikentag in Erfurt fortgesetzt worden. Der gastgebende Bischof Ulrich Neymeyr predigte am Donnerstagvormittag zusammen mit der Sprachwissenschaftlerin Ulrike Lynn über das biblische Motto des Treffens "Zukunft hat der Mensch des Friedens". Christen dürften sich nicht entmutigen lassen in ihrem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden – "auch wenn wir damit auf Ablehnung stoßen", sagte Neymeyr bei regnerischem Wetter auf dem Domplatz. An dem ökumenischen Gottesdienst nahmen laut Veranstalter 6.000 Menschen teil.

Auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige wandte sich gegen die Vorstellung, Kirche dürfe sich nicht in die Politik einmischen. In seinem Predigttext zur katholischen Fronleichnamsfeier am Abend erinnerte er an die Zeit des Nationalsozialismus und Kommunismus, in der der Glaube ins Private zurückgedrängt wurde: "Das Christentum sollte höchstens noch auf Gottesdienst und Sakristei beschränkt sein oder als private Gefühlsangelegenheit im stillen Kämmerlein dahinvegetieren dürfen."

Auch heute versuchten manche Gruppierungen wieder, Religion ins Abseits zu drängen, sagte Feige. Unter Verweis auf die Neutralität des Staates und den weltanschaulichen Pluralismus werde die Kirche aufgefordert, sich auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren und lediglich die religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu erfüllen. Feige hielt dagegen: "Wenn es grundsätzlich und konkret um die Würde und Freiheit eines jeden Menschen geht, die Achtung der Menschenrechte und das Gemeinwohl, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung, können und dürfen wir als Kirchen nicht schweigen."

9:30 Uhr: Katholikentag beginnt Arbeit – Debatten zu Frieden und Reformen

Mit einem Gottesdienst zum Hochfest Fronleichnam geht der Katholikentag in Erfurt am heutigen Donnerstag weiter. Zum Hauptthema Frieden wird die russische Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa erwartet. Auch etliche Bischöfe, Politikerinnen und Prominente aus Kultur und Gesellschaft beteiligen sich an Veranstaltungen. Da Fronleichnam in Thüringen kein gesetzlicher Feiertag ist, folgt am Abend ein großer Open-Air-Gottesdienst. Bei der Eröffnung am Mittwochabend hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den großen Vertrauensverlust der Kirchen bedauert. Zugleich dankte er den Christen für ihr Engagement in Kirche und Gesellschaft. Aus ihrem Glauben heraus stellten sie sich entschieden gegen Extremisten und Feinde der Demokratie.

Am heutigen Donnerstag geht es auch um den Missbrauchsskandal und um Reformen in der Kirche. Unter anderem diskutieren der Bischofskonferenz-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing und Katholikentags-Präsidentin Irme Stetter-Karp sowie die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus. Der Erfurter Katholikentag steht unter dem Motto "Zukunft hat der Mensch des Friedens" und dauert bis Sonntag. Angemeldet haben sich rund 20.000 Teilnehmende. Am Freitag und Samstag werden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie mehrere Ministerinnen und Minister erwartet. (mit Material von epd und KNA)