Platzmangel in Erfurt: Zu Besuch bei den Katholikentags-Campern
Markus Schröder rollt im Erfurter Nieselregen ein Verlängerungskabel auf und verstaut es in seinem Campingwagen. Gestern ist der Katholikentagsteilnehmer mit seiner Frau Ruth auf den Campingplatz am Messegelände angekommen. "Wir müssen heute vom Platz", sagt er. "Wir hatten Glück überhaupt noch einen Platz zu bekommen: Der Campingplatz ist vollkommen ausgebucht." Sie hatten vergessen vorzubuchen, eigentlich sei bei ihren Campingtouren immer noch etwas frei – nur eben diesmal nicht. Doch sie haben Glück im Unglück: Der Campingplatzbetreiber bietet während des Katholikentreffens zusätzlich zu seinen 48 Stellplätzen 22 weitere Plätze auf dem Parkplatz davor an. "Da können wir die Sanitäreinrichten mit nutzen", sagen die Schröders (Bild oben). Obwohl sie auch alles in ihrem Wohnmobil haben, wie sie stolz zeigen. Wenn man ein paar Sachen aus dem Toilettenraum räume, können man darin sogar duschen. Doch vor ihrem Umzug nutzen die beiden noch die Möglichkeit und leeren die kleine Bordtoilette ihres Campers und füllen Frischwasser auf – man weiß ja nie.
Schulbetrieb sorgt für Probleme in Erfurt
Zum Katholikentag 2024 in Erfurt sind die Schlafplätze knapp. Daher riefen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und das Gastgeberbistum Erfurt die Einheimischen im Januar auf, Privatquartiere zur Verfügung zu stellen. Auch Spieler des FC Rot-Weiß Erfurt appellierten aus Platzmangel an ihre Fans. Letztlich brachte die Aktion 300 zusätzliche Schlafplätze bei Erfurterinnen und Erfurtern. In Gemeinschaftsquartieren sind laut Katholikentag rund 2.000 Besucher untergebracht. Allein 900 von ihnen schlafen in einer Messehalle. Die üblichen Unterkünfte in Schulen und Turnhallen stehen nicht zur Verfügung, denn in Erfurt ist Fronleichnam kein Feiertag – der Schulbetrieb läuft daher ganz normal. Ein katholisches Krankenhaus hat eine Station für Menschen mit Behinderung freigeräumt. Auch die Erfurter Hotels sind voll: rund 6.000 Besucher haben hier Platz gefunden. Wieder andere müssen aber aus umliegenden Städten nach Erfurt pendeln. "Das funktioniert ganz gut", sagt einer der Pendler. Ein bisschen ärgert er sich aber, dass bei der Platzproblematik das Katholikentags-Bus-und-Bahn-Ticket nur bis an die Stadtgrenze reiche. Auch manch eine Abendveranstaltung leerte sich am ersten Tag schlagartig – denn zu später Stunde werden ÖPNV-Verbindungen ins Umland dünn.
Ein paar Plätze neben den Schröders auf dem Campingplatz steht Manuela Guthörl aus dem Saarland mit ihrem selbstausgebauten Camping-Van. Im Fenster des Autos hängt schon der diesjährige Katholikentagsschal. "Als Erkennungszeichen", sagt sie. Stolz zeigt Guthörl zwei T-Shirts. "Weihwasser im Tank. Glaube im Gepäck" steht auf ihnen. Und: "Let's sing, pray & roll! Halleluja!". Beim Katholikentag wird aber nur eines der Shirts getragen, denn die Freundin von Guthörl musste spontan absagen. Also machte sich die Saarländerin am Mittwoch allein auf die sechsstündige Fahrt durch die Republik. Einsam ist sie trotzdem nicht – am Abend traf sie zufällig ihre Campingplatz-Nachbarn vom Evangelischen Kirchentag im vergangenen Jahr in Nürnberg. Es mache ihr Spaß, neue Leute auf den Plätzen kennenzulernen, sagt sie. Mittlerweile dokumentiert sie alle ihre Reisen in einem kleinen Tagebuch. Auch vom vergangenen Kirchentag sind Bilder, Erlebnisse und Andenken darin. Früher hat die Katholikin bei Katholikentagen in Gastfamilien gewohnt, nachdem sie 2021 den Van umgebaut hat, ist diese Unterkunft aber das Mittel ihrer Wahl geworden. Sie sei zu alt für die Isomatte, sagt sie und deutet auf das üppige Bettzeug und die dicke Matratze hinter ihr. Überhaupt ist ihr Van gut ausgestattet – auch mit Katholikentags- und Reisesouveniers. Über dem Bett steht – zwischen verschiedenen Kreuzen – eine Luther-Playmobil-Figur. "Der Luther spielt hier beim Katholikentag ja weniger eine Rolle", sagt sie und greift anschließend in das Regal am Fußende des Betts. Dort hat sie eine kleine Bibel, auf der sie mit einem Aufkleber "Bus-"-Bibel ergänzt hat. "Die wird immer gebraucht." Gleich muss sie aber los. Denn den Auftaktgottesdienst möchte sie nicht verpassen.
Etwas spartanischer ist Gerlinde Hoffmann aus Warendorf unterwegs. Sie rüstet gerade ihr Fahrrad, um in die Stadt zu fahren. Das Fahrrad hat sie in ihrem Microcamper – einem kleinen Kastenwagen mit Matratze drinnen – transportiert. Meistens stehe das Rad vor dem Wagen, aber wenn sie nur einen kurzen Mittagsschlaf macht, dann lässt sie es auch mal neben sich im Camper stehen. Das passe schon. Die Protestantin aus Nordrhein-Westfalen besuchte bisher meistens evangelische Kirchentage. Aber die Katholikentage gefallen ihr auch. Kirche sei ein wichtiger Faktor in der Gesellschaft, findet sie. Dass der Katholikentag im säkularen Erfurt stattfinde, mache es besonders spannend. Stolz erzählt sie dann noch, dass sie auch ein Vordach in dem kleinen Auto hat. Das brauche sie aber nicht, denn beim Katholikentag sei sie sowieso viel unterwegs.
Gegenüber haben Hans Pflaumbaum und Almut Lansche aus Hockenheim ihr Vordach ausgezogen. Vor ihrem Campingvan stehen Gartenmöbel im Nieselregen. "Das gehört doch dazu – auch bei Regen", beteuern die beiden. Im Camper liegen Bibel, Rosenkranz und Heiligenbildchen. Den Stellplatz haben sie spontan noch bekommen. Irgendjemand habe in letzter Minute abgesagt – aber sie hätten auch kein Problem gehabt, am Straßenrand zu campen. Auf vier Rädern in der Natur gehe ihnen das Herz auf. Man merke schon, wer sich zu Corona eine fahrende Wohnung gekauft habe, sagt Pflaumbaum nicht ganz wertfrei. Das sei schon ein Unterschied zu den eingefleischten Campern. Viele der Neu-Camper wollten keinen Kontakt mit den anderen – das finden die beiden schade. Ihnen ist es besonders wichtig, die anderen Camper außenherum kennenzulernen. Alles andere sei doch spießig.
"Du kannst mir getrost folgen. – Gott"
Eine Stellplatzreihe weiter steht Michael Klitzke mit seiner Frau. Hinter der Frontscheibe ihres modernen Wohnmobils steckt ein Schild "You'll never walk alone – Gott". Auf der Rückseite des Gefährts steht in großen Buchstaben "Du kannst mir getrost folgen. – Gott". Klitzke ist als Vertreter der Marburger Medien auf dem Katholikentag. Seine Kollegen haben nur noch eine Unterkunft außerhalb Erfurts gefunden. "Das kostet Geld und Fahrzeit", sagt er. Mit dem Wohnmobil sei es viel angenehmer, erklärt er. Klitzke vertreibt christliche Medien: Karten, Magazine, Bücher, CDs und DVDs mit Glaubenssprüchen hat er im Angebot. Wenn er auf dem Campingplatz auf seine Wohnmobil-Beschriftung angesprochen werde, entstünden oft gute Gespräche, sagt er. Dann hat er eine kleine Auswahl seiner Medien im Wohnmobil liegen und verschenkt sie bei Interesse. Manchmal werde er auch schief angeschaut wegen seiner Aufschriften auf dem Wohnmobil. Aber das passiere wirklich selten. Dann zieht Klitzke seine Regenjacke an und geht Richtung Straßenbahnhaltestelle. Auch das sei ein großer Vorteil des Platzes – die Anbindung sei grandios, sind sich alle Camper einig. Und so ziehen die mehr als 60 Campingwagen-Besatzungen an diesem Morgen in den Erfurter Regen und erkunden die Katholikentagsstadt.