Die deutschen Katholiken und die Weltsynode – Alles fein ausbalanciert
Ihr kirchliches Reformprojekt Synodaler Weg hatten die deutschen Katholiken längst begonnen, bevor der Papst im Sommer 2021 seinen weltweiten synodalen Prozess ins Leben rief. Angesichts der unterschiedlichen Ansätze fragten Skeptiker immer wieder: Wie soll der bereits strukturierte deutsche Synodale Weg in den eher offen gestalteten Prozess der Weltkirche münden?
Dem Papst und vielen anderen Bischofskonferenzen geht es eher um einen anderen Kommunikations- und Umgangsstil. Viele Katholiken in Deutschland, und mit ihnen ein Großteil der Bischöfe und des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), verlangen statt dessen konkrete Reformen – vor allem in vier Bereichen, in denen sie strukturelle Begünstigungen für Missbrauch in der Kirche sehen: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, priesterliche Existenz heute, Frauen in Diensten und Ämtern sowie Sexuallehre und Partnerschaft.
Die unterschiedlichen Ansätze und Verfahrensweisen schienen so konträr, dass manche Skeptiker gar zwei Züge aufeinander zurasen sahen. Seit dem Treffen von deutschen Bischöfen mit Kurialen im März hat sich die Lage jedoch etwas entspannt.
Die von der Deutschen Bischofskonferenz vergangene Woche vorgelegte Zusammenfassung der Reflexionsberichte aus den deutschen Bistümern zum bisherigen Verlauf der Weltsynode überrascht weniger durch konkrete Forderungen. Vielmehr präsentiert sie sich wie ein Mobile, das unterschiedliche Kräfte und Erwartungen an synodale Prozesse ausbalanciert: jene der ehrgeizigen Reformkräfte hierzulande, jene der vatikanischen Kurie sowie jene von unterschiedlichen, den Deutschen mehr oder weniger gewogene Kräften in der Weltkirche.
Beispielhaft dafür: Die Rundum-Absicherung nach allen Seiten, Veränderungen für eine synodalere Kirche müssten geschehen "in Treue zur Botschaft Jesu und mit einem wachen Blick für die Zeichen der Zeit, fest verwurzelt in der Tradition der Kirche und zugleich im offenen Hören auf das Wirken des Hl. Geistes in der Gegenwart, eingebunden in die Gemeinschaft der Weltkirche und zugleich inkulturiert in unseren westeuropäischen soziokulturellen Kontext".
Innerkirchliche Beziehungsebene
Formal reagiert die am 22. Mai veröffentlichte gut neun Seiten lange Zusammenfassung der Reflexionsberichte aus den deutschen (Erz-)Diözesen einerseits auf den Synthesebericht der Synodensitzung in Rom im Oktober 2023. Andererseits dient sie der Vorbereitung auf die Synodensitzung im diesjährigen Oktober. Inhaltlich präsentiert der Text weniger konkrete Forderungen, stattdessen bearbeitet er stärker die innerkirchliche Beziehungsebene.
Aus nahezu jeder deutschen Diözese – 24 von 27 – gibt es dazu Zitate. Auch aus jenen, deren Bischöfe dem Synodalen Weg ablehnend gegenüberstehen. So wird etwa das Bistum Passau des Skeptikers Stefan Oster mit der Frage zitiert: "Wie könnte eine Selbstbindung des Bischofs bzw. eine Rechenschaftspflicht gegenüber partizipativen Gremien in bestimmten Bereichen aussehen? Wie können Kompetenzen in der gemeinsamen Sendung durch Taufe und Firmung – auch kirchenrechtlich – gestärkt und vermehrt werden?"
Und aus dem Erzbistum Köln wird gemeldet: "Synodales 'Kirche-Sein' wird an keiner Stelle infrage gestellt. (...) Über alle Rückmeldungen hinweg zeigt sich die Einsicht, dass es dringender Veränderungen in der Kirche bedarf." Während das eher als reformfreudig geltende Bistum Aachen mit dem Hinweis auf die sogenannte "Konsentmethode" zitiert wird: Diese "zielt auf 'Einwand-freie' Beschlüsse, in denen nicht die Mehrheit entscheidet, sondern alle schweren Einwände in die finale Entscheidung integriert werden müssen".
Erneut wehrt sich die katholische Kirche in Deutschland gegen den durch Austrittszahlen sowie sinkende Zahlen von Taufen und Priesterweihen vermittelten Eindruck, sie sei eine sterbende Kirche. Die "Vielzahl missionarischer, pastoraler, diakonisch-caritativer und solidarischer Initiativen, Institutionen, Ansätze und Engagements", so heißt es, legten "ein beredtes Zeugnis davon ab, für wie viele Gläubige in Deutschland auch in diesen Zeiten nach wie vor ein christliches Engagement mit einem solidarisch-mitmenschlichen Engagement im Sinn des Evangeliums identisch ist."
Was heißt Synodalität?
Im Übrigen, so wird weiter betont, sei man in Deutschland schon länger dran am Thema Synodalität, das "sich in dieser Ausprägung erst in jüngerer Zeit etabliert hat" und – kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an Papst Franziskus (!) – dessen "Bedeutungsumfang zuweilen noch nicht als genau umrissen betrachtet wird". Erneut erinnern Deutschlands Katholiken an die vor allem in Rom ungehörte Würzburger Synode (1971-1975).
Aus dieser heraus sei in Deutschland über Jahrzehnte hinweg eine synodale Praxis gemeinsamer Beratungen und auch Entscheidungen gewachsen. Eine Erkenntnis hieraus: "Synodale Haltungen und Einstellungen allein genügen nicht, es bedarf auch partizipativer Strukturen, um gemeinsam Verantwortung tragen zu können." Synodalität sei eben "nicht nur Stil der Kommunikation in der Kirche", sondern auch "Strukturaspekt der Beteiligung".
Dabei gelte es, "geeignete Versammlungsformate und Beteiligungsformen weiterzuentwickeln, die mit der hierarchischen und sakramentalen Grundstruktur der Kirche vereinbar sind, und die episkopale Grundordnung der Kirche synodal weiterzuentwickeln". Konnotationen in Richtung Parlamente – die Franziskus wiederholt abgelehnt hat – klingen nicht an.
Teilhabe von Frauen
Paradebeispiel für Veränderungen und "schlechthin unverzichtbarer Aspekt der Erneuerung von Kirche" ist die Teilhabe von Frauen in der katholischen Kirche. Angesichts der teilweisen kirchenpolitischen Brisanz des Themas machen die deutschen Katholiken eine Prioritätenliste auf: Allseits angestrebt wird "ein höherer Anteil von Frauen in Leitungspositionen", teilweise auch per Quote. Vielfach dringend gewünscht wird die "Öffnung des sakramentalen Diakonats auch für Frauen" sowie eine weitere "Diskussion über die Möglichkeit der Zulassung von Frauen zur Priesterweihe".
Weltkirchlich weniger kontrovers ist sicherlich der Wunsch nach Dezentralisierung mit mehr Handlungskompetenzen bei Bistümern und Bischofskonferenzen. So heißt es etwa aus Eichstätt, der Diözese des Synodaler-Weg-Skeptikers Gregor Maria Hanke: "Ohne die 'rote Linie' der weltweiten Gemeinsamkeit in Glaubens- und Sittenlehre zu überschreiten, muss es einen Korridor geben, in dem sich Ortskirchen bewegen und entfalten dürfen."
Zwischen selbstbewusster Betonung eigener Erfahrungen und bekannten Forderungen stellt die Redaktion des Textes versöhnliche Signale an die Skeptiker nach dem Motto: Wir hören auf euch! So heißt es etwa: "Die Perspektive, die sich aus der gesamtkirchlichen Tendenz ergibt, einander synodal zuzuhören und die Erfahrungen und den Sensus fidei der Gläubigen ernst zu nehmen, hat hier eine spürbare Wirkung."
Seit bald fünf Jahren hat Papst Franziskus, immer wieder befragt nach dem Synodalen Weg in Deutschland, sich beklagt, dort habe man seinen Brief "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" nicht verstanden und genügend gewürdigt. Im Gegenteil, so nun die Antwort: "Immer wieder haben die Synodalen in Deutschland sich an dem Brief orientiert."
Über die Jahre sei "immer mehr eine Konvergenz" deutlich geworden, wie sich deutsche und weltweite Initiativen bestärkten und bekräftigten. Viele Überlegungen des Synthese-Berichts vom Oktober 2023 "haben uns geholfen, Perspektiven zu sichten, abzuwägen und unsere Intentionen noch stärker mit der weltkirchlichen Gemeinschaft zu verbinden".