Stetter-Karp: Experiment Erfurter Katholikentag ist geglückt
Ein Glaubensfest in einem glaubensfernen Umfeld: Hat das funktioniert? Und was bleibt vom Erfurter Katholikentag – auch im Blick auf die Zukunft des Formats? Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, blickt auf die fünf Tage zurück.
Frage: Frau Stetter-Karp, Erfurt war ein Experiment: eine kleinere Stadt, nur ein Drittel der Veranstaltungen im Vergleich zum letzten Mal – und das in einem Umfeld mit gerade mal sieben Prozent Katholiken. Ist das Experiment geglückt?
Stetter-Karp: Spontan: Ja! Ohne der gründlichen Auswertung vorzugreifen. Bisher habe ich auch viele positive Rückmeldungen bekommen. Ich denke, die Konzentration war richtig. Wir hatten viele volle Veranstaltungen, manche sogar übervoll, was natürlich schade ist für alle, die nicht mehr reinkommen. Wir haben einen Eindruck bekommen, was es heißt, als Katholiken eine Minderheit zu sein, was ja auch in anderen Regionen auf uns zukommen wird. Schade war, dass die Unwetterwarnung am Samstag sicher einige Tagesgäste vom Kommen abgehalten hat.
Frage: Ihr Leitwort hieß "Zukunft hat der Mensch des Friedens". In der Ukraine und in Nahost herrscht weiter Krieg. Welchen Beitrag hat der Katholikentag dagegen leisten können?
Stetter-Karp: Dass wir mit fünf Tagen Beten und Diskutieren die Kriege beenden können, war natürlich nicht die Erwartung. Aber es gab viele Signale, die uns ermutigen sollten, im eigenen Umfeld weiter für den Frieden zu kämpfen.
Frage: Zum Beispiel?
Stetter-Karp: Spontan fallen mir zwei Erlebnisse ein: Einmal eine christlich-muslimische Friedensandacht. Sehr bewegend. Mit jungen Leuten aus den Religionen, die mir gezeigt haben, dass auch nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober Gespräche möglich sind und wir Brücken bauen können.
Frage: Und das zweite Beispiel?
Stetter-Karp: ... waren die Störungen bei der Diskussion mit Kanzler Scholz. Klingt auf den ersten Blick vielleicht komisch. Aber das hätte ja leicht eskalieren können. Doch plötzlich fing jemand an, "Herr, gib uns deinen Frieden" zu singen, und es blieb friedlich und konnte bald weitergehen. Eigentlich eine Nebensache, aber irgendwie doch auch eine Szene mit Symbolcharakter – gerade in dieser Zeit, wo die Lunte oft kurz und die Erregungsbereitschaft groß ist.
Frage: Im Vorfeld gab es viele Debatten darüber, dass die AfD von den Podien ausgeschlossen wurde. War das im Nachhinein richtig?
Stetter-Karp: Ich würde wieder so entscheiden – Stand jetzt. Ich hatte mit Störungen und Protesten gerechnet. Aber die sind zum Glück ausgeblieben. Und wer die Gesprächs- und Streitkultur hier erlebt hat, hat sicher gemerkt, dass es auch ganz anders gehen kann als bei Debatten mit AfD-Funktionären.
Frage: Die innerkirchlichen Reformdebatten rund um die Weltsynode und das deutsche Reformprojekt Synodaler Weg waren auch immer wieder Thema. Was nehmen Sie mit in die nächste Sitzung des Synodalen Ausschusses übernächste Woche?
Stetter-Karp: Ermutigung und Zuspruch vor allem. Viele Menschen haben mich auf der Straße angesprochen und gesagt: Bleiben Sie dran und bleiben Sie hartnäckig, damit sich etwas ändert. Aber im offiziellen Programm waren diese Debatten bewusst kein Schwerpunkt. Es sollte ja weniger um eine innerkirchliche Nabelschau gehen als vielmehr um die drängenden aktuellen Fragen rund um unser Friedens-Motto.
Frage: Nach dem Katholikentag ist vor dem Katholikentag: Wie geht es weiter? Sind auf Dauer noch alle zwei Jahre solche teuren Großveranstaltungen drin – und das für immer weniger Dauerteilnehmer?
Stetter-Karp: Ich bin da nicht kleinmütig, vor allem wenn ich an die sehr wechselvolle Geschichte der Katholikentage denke, in denen es immer wieder ein Auf und Ab gab. Und trotz schwieriger Herausforderungen nehme ich im ZdK wahr, dass diese Marke Katholikentag einen enormen Stellenwert hat. Sicher gibt es keine Garantie, was in 20 Jahren sein wird, aber für die nächsten Jahre sehe ich da nicht schwarz. Was Würzburg 2026 angeht, gibt es schon eine große Vorfreude. In einem ganz anderen Umfeld als in Erfurt. Das wird von daher sicher wieder größer werden, aber trotzdem kann man ja vieles beibehalten, was hier so gelobt wurde, etwa die kurzen Wege und die guten Begegnungsmöglichkeiten. Lieber nicht zu groß träumen, sondern das, was geht, gut mit Inhalt füllen.