Deutsche Bischöfe ziehen gemischte Bilanz zur Europawahl
Die Bischöfe in Ostdeutschland haben eine gemischte Bilanz der Europawahl gezogen. Einerseits äußerten der Berliner Erzbischof Heiner Koch und die Bischöfe Gerhard Feige (Magdeburg), Wolfgang Ipolt (Görlitz), Ulrich Neymeyr (Erfurt) und Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) in einer gemeinsamen Erklärung am Dienstag ihre Freude darüber, "dass sich so viele Menschen aktiv an der Europawahl beteiligt haben und damit mitbestimmen, wohin Europa sich entwickelt". Viele Wähler hätten für ein gemeinsames Europa, für eine starke Demokratie und für Menschlichkeit und Solidarität auch über nationale Grenzen hinaus votiert. Mit 64,8 Prozent hatte die Wahlbeteiligung bei der Europawahl in Deutschland nach offiziellen Angaben einen neuen Höchstwert seit der Wiedervereinigung erreicht. Gegenüber der vorangegangenen Wahl lag die Beteiligung 3,4 Prozent höher.
Andererseits äußerten sich die Oberhirten aber auch kritisch zu den Wahlergebnissen, die für die europäische Gemeinschaft Herausforderungen bereithielten. "Parteien, die extremistische und demokratiefeindliche Positionen vertreten, erhielten nicht nur bei der Europawahl, sondern auch bei den Kommunalwahlen vermehrt Zuspruch." Jetzt liege es an den Vertretern der demokratischen Parteien, aber auch an der katholischen Kirche und jedem Einzelnen, Zusammenhalt und Verbundenheit zu stärken und sich nicht entmutigen zu lassen. "Gehen wir miteinander ins Gespräch, nehmen wir die Sorgen anderer ernst und suchen wir gemeinsam nach Wegen eines hoffnungsvollen Miteinanders, indem wir davon erzählen, was dieses Land errungen hat und was es lebenswert macht", appellierten die Bischöfe. Das Gelingen der Demokratie und einer Zukunft der Menschlichkeit "liegt in unseren Händen".
Marx betont Dringlichkeit nationenübergreifender Zusammenarbeit
Münchens Kardinal Reinhard Marx betonte mit Blick auf die Europawahl die Dringlichkeit nationenübergreifender Zusammenarbeit. "Die großen globalen Herausforderungen können nur gelöst werden, wenn Länder zusammenarbeiten. Jede Tendenz zu mehr Nationalismus, zu einem Verharren auf rein nationalen Interessen, steht dem entgegen", sagte der Erzbischof von München und Freising. Dies gelte etwa für Fragen der Migration, die Verhinderung und Lösung kriegerischer Konflikte sowie die Bewahrung der Schöpfung. "Um die Demokratie, die Freiheit und unsere Lebensgrundlagen zu bewahren, brauchen wir Projekte der Verständigung wie die Europäische Union", so Marx weiter. Die Kirche müsse deshalb klar gegen jeden Nationalismus sein. Der Kardinal äußerte sich bei einer Konferenz der Pastoralkommission des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen in München.
Besorgt zeigte sich Marx über den Stimmenzuwachs extrem rechter, nationalistischer Parteien, die die Europäische Union zum Teil abschaffen wollten. Zugleich sei es aber nicht so, dass eine Mehrheit für extreme Parteien und somit gegen die Europäische Union gestimmt habe. "Im Gegenteil haben mehr als zwei Drittel der Wählenden mit ihrer Stimme für diese Union und für die Verständigung gestimmt", sagte Marx mit Blick auf das Wahlergebnis in Deutschland. In anderen Ländern sei es ähnlich. Das mache Hoffnung, "dass die, die die EU abschaffen wollen und letztendlich gegen Pressefreiheit, Demokratie und Menschenwürde stehen, nach wie vor in der Minderheit sind". Zum Schutz gegen Extremismus und zerstörerische Tendenzen brauche es Transparenz und Dialog. "Dafür müssen auch wir als Kirche eintreten, damit wir zur Lösung der großen und drängenden Herausforderungen beitragen", so Marx. (stz)