Umbau von Beratungsgremium sorgt für Streit

Neuer Konfliktherd um Kardinal Woelki

Veröffentlicht am 12.06.2024 um 11:29 Uhr – Von Andreas Otto (KNA) – Lesedauer: 

Köln ‐ Es ist ein überraschender Schritt: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki will sein oberstes Beratungsgremium reformieren. Vor allem die Einführung eines Losverfahrens stößt dabei auf deutlichen Widerspruch.

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Das Gremium hat nur beratende Funktion – und ein Beschluss für den Erzbischof keinerlei Bindungskraft. Im Leitungsgefüge des Erzbistums Köln spielt der sogenannte Diözesanpastoralrat dennoch eine große Rolle. Denn das kurz DPR genannte oberste Beratungsgremium von Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Ort heftiger Kontroversen entwickelt. Die Missbrauchsaufarbeitung, der Aufbau einer bistumseigenen Hochschule oder die Fusion von Pfarreien – bei allen Themen wurde dort massiver Widerspruch zu Woelki laut. Nun hat der Kardinal für die nächste Amtsperiode das Gremium verkleinert und eine neue Zusammensetzung festgelegt. Das und vor allem ein neuartiges Losverfahren, über das Laien in das Gremium gelangen sollen, stößt auf Kritik.

Dem Rat gehörten bislang bis zu 75 Personen an – eine Mischung aus Klerikern und Laien. Und zugleich eine Mischung aus Vertretern hauptamtlicher und ehrenamtlicher Mitarbeitender. Nun soll das Gremium auf 51 Mitglieder zusammenschrumpfen. Bisherige Delegierten-Gruppen, aus denen mehr oder weniger deutlich Widerworte gegen Woelki zu vernehmen waren und die in einer Art Fraktionsstärke vertreten waren, sollen künftig zahlenmäßig eingedampft werden.

Das missfällt besonders dem Diözesanrat, den gewählten Katholikinnen und Katholiken aus Gemeinden und Verbänden. Das Gremium, das vehement für Kirchenreformen eintritt und gegen Woelkis Hochschulpläne Front machte, hat mit zehn Delegierten im DPR bisher einen großen Block gestellt. Es soll künftig im DPR – ebenso wie die Gruppen der Stadt- und Kreisdechanten sowie der Gemeinde- und Pastoralreferenten – nur noch zwei Stimmen haben.

"Unsere Stimme wird wegradiert"

Von hier kommt denn auch lauter Protest gegen Woelkis Reformvorhaben: Etablierte Strukturen würden mutwillig zerstört. Wenn im neuen DPR die gewählten Laien von etwa 14 auf 4 Prozent gekürzt werden, sei das eine "sehr starke Veränderung", so Vorstandsmitglied Raimund Lukannek. "Wie wollen wir da eine Parität zwischen Männern und Frauen, zwischen Verbänden und Vereinen herstellen, zwischen Alt und Jung – also all dem, was wir für richtig halten und was auch ein Spiegel der Diözese wäre?" Und er bekundet die Befürchtung, "dass damit unsere Stimme mehr oder weniger wegradiert wird".

Dem widerspricht Generalvikar Guido Assmann. Der Diözesanrat habe nach wie vor Sitz und Stimme im DPR und könne sich auch als eigenes Gremium mit dem Erzbischof austauschen. Und die Verkleinerung betreffe doch vor allem die viel größere Zahl der Priester, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Der Kölner Generalvikar Guido Assmann
Bild: ©Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte/J. Rumbach (Archivbild)

Der Kölner Generalvikar Guido Assmann.

Die Leitung des Erzbistums erwartet von der neuen Zusammensetzung "mehr Beteiligung und Mitsprache aus der Breite des Bistums" – und verweist auf ein in der Bistumsverwaltung entwickeltes Novum: Neben den 18 von den verschiedenen Gruppierungen entsandten Vertretern sollen als Pendant 18 Laien in das Gremium aufgenommen werden – und zwar per Losverfahren.

Wer da mitmachen will, kann sich bewerben und wird nach seinen persönlichen Angaben einem von vier Lostöpfen zugeordnet: Denn es sollen sechs Katholiken unter 30 Jahren, vier über 70-Jährige, vier Personen aus städtischen und vier aus ländlichen Gemeinden gezogen werden. Und immer jeweils zur Hälfte Frauen und Männer. Die Erfinder glauben, dass diese von den Bürgerräten inspirierte Idee dazu beiträgt, die "Vielfalt des Gottesvolkes" abzubilden.

Unterschiede zum Vorbild Bürgerrat

Ob sich das so entwickelt, wird sich zeigen. Theoretisch könnten sich konservative wie reformorientierte Katholiken – auch organisiert – überproportional in die Lostrommeln werfen. Der Bonner Theologe Jonas Maria Hoff, der sich mit Losverfahren in Bibel, Kirche und Gesellschaft beschäftigt hat, sieht das Kölner Modell skeptisch. Er verweist auf Unterschiede zum Vorbild Bürgerrat. Während dieser komplett ausgelost werde, würde in Köln nur bei den Nicht-Klerikern gelost. Überdies sei die Zahl von 18 Losplätzen zu gering, um gesellschaftliche Differenzierungen ausreichend abzubilden. Damit ein Losverfahren repräsentativ werde, bedürfe es eines komplexen mehrstufigen Vorgehens mit einer strukturierten Vorauswahl. So sei beim jüngsten Bürgerrat zunächst eine große Stichprobe von Bürgern kontaktiert und ihnen eine Teilnahme am Losverfahren angeboten worden.

Diese Art "aufsuchender" Ansprache ist im Kölner Modell nicht vorgesehen. Es werde ein an den kirchlichen Kontext angepasstes "offenes Losverfahren" geben, teilte das Erzbistum auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Dabei könnten sich alle getauften und gefirmten Katholiken ab 16 Jahren online eintragen, sofern sie nicht haupt- oder nebenamtlich für das Erzbistum arbeiten.

Der Fahrplan für die Gremienreform scheint festzustehen. Einwände würden nichts mehr ändern, sei ihnen mitgeteilt worden, so Lukannek. Nur wenn Priesterrat, Gemeinde- und Pastoralreferenten sowie Diözesanrat dieselben Vorbehalte äußerten, würde der Kardinal damit befasst. Ansonsten ist von Juni bis September eine Kampagne zur Kandidatensuche geplant, um im September oder Oktober die Lostrommel zu rühren.

Von Andreas Otto (KNA)