Standpunkt

Intransparentes Nihil-Obstat-Verfahren schadet Theologie und Lehramt

Veröffentlicht am 17.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Juliane Eckstein – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wenn Betroffene über die Unbedenklichkeitserklärung lange im Unklaren gelassen werden oder sie ihnen grundlos verweigert wird, schadet das auch der Kirche und der Theologie, meint Juliane Eckstein. Sie fordert eine Neugestaltung des Verfahrens.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Kürzlich sprach sich die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich für den Verbleib der Katholischen Theologie an den staatlichen Universitäten aus. Dies sei im Interesse sowohl der Gesellschaft als auch der Kirche, weil so einerseits "Vereinseitigung und Fundamentalisierung" vorgebeugt und andererseits ein "Beitrag zur Reflexion der praktischen Selbst- und Weltverortung des Menschen" geleistet werde. Das sehe ich genauso, nur steht diesem Ideal die derzeitige Nihil-Obstat-Praxis gegenüber.

Diese führt nämlich dazu, wie kürzlich eine Studie feststellte, dass sich Theologen zu bestimmten Themen gar nicht erst äußern oder manche Fragen nicht bearbeiten. Ich selbst kenne entsprechende Empfehlungen, die Nachwuchstheologen mit auf den Weg gegeben werden.

Nun kann ich einem amtlichen katholischen Gütesiegel durchaus einen Sinn abgewinnen, weil es einen Schutz gegen selbsternannte Glaubenswächter bietet. Wenn die Betroffenen in diesen Verfahren allerdings über lange Zeit in Unwissenheit gelassen werden, die Unbedenklichkeitsbescheinigung grundlos verweigert wird und es dann keine Möglichkeit gibt, sich zu rechtfertigen, schadet das nicht nur den Betroffenen, sondern auch der Theologie, der Kirche und letztlich dem Lehramt selbst.

Immer wieder hat die Hierarchie unliebsame Themen erst tabuisiert, dann polemisch bekämpft, um schließlich von den gesellschaftlichen Entwicklungen überrollt zu werden. Ihrer Glaubwürdigkeit hat dieses Handlungsmuster mehr geschadet als genutzt. Selbst konforme Positionen profitieren allenfalls kurzfristig davon, wenn sie öffentlich nicht herausgefordert werden dürfen. Langfristig hilft es ihnen mehr, wenn sie dank offener Debatte weiterentwickelt und geschärft werden können.

Zudem kann es nicht im Sinne des Lehramts sein, wenn ein verweigertes Nihil Obstat beinahe einem theologischen Ritterschlag gleichkommt. In seinem Brief an den neu designierten Präfekt der Glaubenskongregation betonte Papst Franziskus letztes Jahr, dass sich die Bewahrung des Glaubens darin zeigt, dass er angesichts neuer Fragen vertieft und neu interpretiert wird. Damit aus diesem Anspruch Wirklichkeit wird, braucht es dringend eine Neugestaltung des Nihil-Obstat-Verfahrens.

Von Juliane Eckstein

Die Autorin

Dr. Juliane Eckstein ist Theologin und Alttestamentlerin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.