Malu Dreyer – Katholikin, Feministin und Frau der Macht
Malu Dreyer ist eine der profiliertesten Politikerinnen in Deutschland, immer wieder wurde sie auch für bundespolitische Ämter ins Spiel gebracht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte sie am Mittwoch als eine beliebte Politikerin, mit der er stets eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Sie wirkte unter anderem über den Bundesrat als Medienpolitikerin bei Debatten in Deutschland mit. Doch Dreyer blieb ihrem Bundesland treu und zog es vor, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz zu bleiben, wo sie bei zwei Landtagswahlen wiedergewählt wurde. Am 10. Juli verabschiedet sie sich von der großen politischen Bühne.
"Ich gehe mit schwerem Herzen, weil ich mir eingestehen muss, dass meine Kraft nicht mehr ausreicht", begründete die 63-Jährige am Mittwoch ihren Schritt. Sie sei dem "lieben Gott immer dankbar" für die Energie, doch jetzt spüre sie diese nicht mehr im ausreichenden Maße für die Aufgaben einer Regierungschefin. Sie sprach von einem sehr anspruchsvollen Amt. "Ich bin einfach nur müde", sagte Dreyer in einer persönlichen Erklärung in der Mainzer Staatskanzlei. Die Entscheidung zum Rücktritt fiel während des zurückliegenden Europa- und Kommunalwahlkampfs in Rheinland-Pfalz, wie Dreyer schilderte.
Persönliche Anliegen waren für Dreyer, die ihren eigentlichen Vornamen Marie-Luise kurz zu Malu zusammenfasst, die Gleichberechtigung der Frauen – und auch Reformen in der katholischen Kirche. Als langjähriges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) konnte sie beide Anliegen miteinander verbinden. "Als katholische Christin überzeugt mich das Argument, dass nicht der Zugang von Frauen zu kirchlichen Diensten und Ämtern begründungspflichtig ist, sondern deren Ausschluss. In meinen Augen ist der Zugang von Frauen zu Weihe-Sakramenten längst überfällig", sagt sie.
Über Parteigrenzen hinweg Menschen überzeugt
Die Sozialdemokratin konnte mit klarer Haltung und zugewandtem Auftreten über Parteigrenzen hinweg Menschen überzeugen. Viele in der SPD wollten sie daher gerne auch stärker auf bundespolitischer Bühne sehen, doch es blieb bei einem Gastspiel. Nach dem Rücktritt von Parteifreundin Andrea Nahles wurde Dreyer 2019 einige Monate Teil eines Trios an der Parteispitze und moderierte einen Neustart.
Die größte Krise im politischen Leben war allerdings eine Naturkatastrophe. Beim Hochwasser im Ahrtal im Juli 2021 gab ihre Landesregierung keine gute Figur ab; weit mehr als hundert Menschen verloren damals ihr Leben. Ex-Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) trat in der Folge als Bundesfamilienministerin zurück, auch Landesinnenminister Roger Lewentz gab sein Amt auf – er behielt allerdings den Vorsitz der SPD in Rheinland-Pfalz. Und Dreyer blieb im Amt. Viele vermissen bis heute eine Entschuldigung der Ministerpräsidentin für das Geschehen im Ahrtal. Sie sprach am Mittwoch von einer großen Zäsur. "Es bleibt ein großer Schmerz."
Dreyer, die seit Jahrzehnten an Multipler Sklerose erkrankt ist, ist Tochter eines Schuldirektors und einer Erzieherin und wurde in Neustadt an der Weinstraße geboren. Sie studierte Katholische Theologie und Anglistik, wechselte später zur Rechtswissenschaft und wurde Staatsanwältin in Bad Kreuznach. 1995 wurde sie kurz vor ihrem Eintritt in die SPD als Parteilose zur hauptamtlichen Bürgermeisterin gewählt. Ab 1997 war sie Sozialdezernentin der Landeshauptstadt Mainz. 2002 wurde sie Sozialministerin in Rheinland-Pfalz.
Mehr als zehn Jahre Regierungschefin
Seit mehr als zehn Jahren ist sie Regierungschefin in Rheinland-Pfalz. Sie folgte im Januar 2013 auf Kurt Beck (SPD) und rückte an die Spitze einer rot-grünen Koalition. Seit rund acht Jahren regiert sie mit den Grünen und der FDP in einer Ampel-Koalition.
Auch der designierte Nachfolger in der Staatskanzlei, Alexander Schweitzer (SPD), lobt die Landes-Ampel und kündigte an, mit dieser über das Jahr 2026 hinaus regieren zu wollen. Schweitzer soll am 10. Juli im Landtag gewählt werden – bis dahin bleibt Dreyer noch im Amt.
Privat lebt Noch-Politikerin Dreyer zusammen mit Ehemann und Ex-Staatssekretär Klaus Jensen in einem inklusiven Wohnprojekt in Trier unweit der Mosel. 2022 erlitt der Ex-SPD-Politiker und Ex-Oberbürgermeister von Trier einen Herzinfarkt, den er nach eigener Darstellung durch Glück überlebte.