Standpunkt

Wir dürfen die Neigung zum Kirchenaustritt nicht einfach hinnehmen

Veröffentlicht am 26.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Dominik Blum – Lesedauer: 

Bonn ‐ Es ist Sommer – Zeit zum Durchatmen. Doch einige Probleme werden auch in der Freizeit nicht kleiner, kommentiert Dominik Blum: etwa die Neigung dreiviertel aller Katholiken, aus der Kirche auszutreten. Er ruft zum Handeln auf.

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Sommerloch. Zeit zum Durchatmen. Ja, aber: Es gibt Probleme, die werden auch in der Ferienzeit nicht kleiner. Manche davon können vielleicht besonders gut draußen bearbeitet werden, bei Cola oder Bier, wenn die Sonne scheint. Dazu gehört auch die Frage nach dem Kirchenaustritt.

Die KMU6, die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD mit Beteiligung der katholischen Kirche, hat unter dem Stichwort 'Vertrauen' nach der Neigung gefragt, aus der Kirche auszutreten. Drei Viertel der katholischen Befragten tendieren zu einem Kirchenaustritt. Drei Viertel! Um Himmels Willen, das können wir doch nicht einfach so hinnehmen. In der evangelischen Kirche, das nur als Fußnote, sind es 'nur' zwei Drittel. Von denen haben 2023 380.000 Menschen diesen Schritt auch vollzogen. Das rechnen wir jetzt besser nicht hoch auf die katholische Konfession. Deren Austrittszahlen werden übrigens in der Regel im Sommer veröffentlicht. Ein Schelm, wer da an das Sommerloch denkt, in dem sie möglichst schnell wieder verschwinden sollen.

Die Motive für den Kirchenaustritt sind komplex – die KMU6 beschreibt sie im Blick auf die befragten Katholiken grob zusammenfassend mit "Wut und Ärger". Die meisten Gründe gehen also auf unseren Deckel. In unserer Pfarreiengemeinschaft auf dem Land im Bistum Osnabrück fragen wir – wie vielerorts – in einem Brief danach. Natürlich erst, nachdem die Leute ausgetreten sind. "Oh, es tut uns leid, was ist denn los? Haben wir etwas falsch gemacht? Melden Sie sich doch bei uns …" Die Reaktion ist gleich null. Wer die Neigung in die Tat umgesetzt hat, hat mit uns abgeschlossen. Auf die 150 Briefe in den letzten beiden Jahren kam genau eine Antwort. Der Tenor: "Nett, dass Sie fragen. Ist aber jetzt zu spät." Stimmt ja auch. Aber wir kommen an die Leute, die über einen Kirchenaustritt nachdenken, nicht früher ran. Oder doch?

Kritische Fragen kann man am besten in einer entspannten Atmosphäre besprechen. Im Biergarten zum Beispiel. Deshalb starten wir im Juli ein Sommerprojekt. "Geht auf uns …" will den Versuch machen, Menschen auf ein kühles Getränk einzuladen, die sich über die Kirche ärgern. Oder sogar über einen Kirchenaustritt nachdenken. Die "Wut und Ärger" loswerden wollen oder noch Fragen und Anregungen haben. Wir wollen niemanden umstimmen. Wir versuchen zuzuhören und Kritik auszuhalten, stehen Rede und Antwort, wenn wir gefragt werden. Wir möchten dazulernen und trinken dabei Bier und Cola. Wenn jemand kommt.

Was wir tun, vielleicht in der Sommerpause oder danach, um auf die Kirchenaustrittsneigung von drei Vierteln der Katholiken zu reagieren, ist fast egal. Aber einfach so hinnehmen können wir sie wirklich nicht.

Von Dominik Blum

Der Autor

Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.