Standpunkt

Christen sollten sich gegen Islamismus und Islamophobie engagieren

Veröffentlicht am 02.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Oliver Wintzek – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach dem Anschlag in Mannheim greifen dort wie anderswo islamfeindliche Zerrbilder um sich. Angesichts dessen fordert Oliver Wintzek mehr gegenseitige Aufklärung der Religionen. Denn wo Unkenntnis herrsche, sei der Weg zur Meinungsmache kurz.

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Das obige Bild erfreut sich einer gewissen Bekanntheit, wird es doch regelmäßig herangezogen, um das Verhältnis von Islam und Christentum zu veranschaulichen. Der hochaufragende Kirchturm neben dem Minarett der Mannheimer Selim-Moschee gehört zur neugotischen Liebfrauenkirche – an dieser bin ich seit geraumer Zeit als Priester tätig. Mannheim besitzt seit Jahrzehnten eine die Innenstadt prägende muslimische Community, das gehört zu dieser quirligen Stadt. Doch wurde sie am 31. Mai Zeugin einer islamistisch motivierten Messerattacke. Der Anschlag ereignete sich auf dem zentralen Marktplatz, wo eine einschlägig bekannte islamophobe Organisation Flagge zeigte.

Die Erschütterung sitzt nach wie vor tief, bis heute werden Blumen am Tatort abgelegt. Mannheim hielt zusammen – und doch greifen Ressentiments und undifferenzierte Pauschalisierungen à la Okzident gegen Orient um sich. Gegen diese Verpestung der Atmosphäre reicht das bloß architektonische Nebeneinander von Minarett und Kirchturm nicht. Es braucht ein wirkliches Miteinander, das sich nicht in freundlichen Gesten erschöpft. Gefährlich religiös kolorierten Parolen muss mit theologischem Sachverstand begegnet werden: Geschichtlich belehrte Aufklärung über die gemeinsamen Herkünfte ist das Gebot der Stunde, trotz oder gerade wegen der jeweils als heterodox bezeichneten Fortschreibungen. Es braucht Stätten der Verständigung, um sich auch selbst besser zu verstehen.

Allemal Kirchengemeinden sollten den Ort dafür bieten, dass Islam und Christentum einander in ihrer so artverwandten Theozentrik wirklich kennen und anerkennen können. Wo Unkenntnis herrscht, ist der Schritt zur Meinungsmache klein. Im Bunde mit dem Einen Gott könnten die jeweils zum Himmel weisenden Spitztürme Fingerzeige sein, diesem Gott miteinander eingedenk zu sein, statt vom christlichen Abendland oder vom gottlosen Westen zu schwadronieren. Orte wie das Dialogforum der Liebfrauenkirche braucht es nicht nur in Mannheim!

Von Oliver Wintzek

Der Autor

Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.