Experte: Piusbruderschaft will langfristig die Kirche zurückerobern
Die traditionalistische Piusbruderschaft und ähnlich gesinnte Gruppierungen könnten nach Einschätzung eines Experten in der katholischen Kirche an Einfluss gewinnen. "Wenn die eher liberalen oder linksgerichteten Katholikinnen und Katholiken die Kirche verlassen, dann wird der relative Raum für diese Traditionalisten und Traditionalistinnen größer", sagte der Buchautor, Politikwissenschaftler und Kulturanthropologe Thomas Schmidinger dem kirchlichen Internetportal "domradio.de" (Mittwoch).
Die Piusbruderschaft sei stramm organisiert und verfolge langfristig das Ziel, die katholische Kirche zurückzuerobern. Sie versuche gezielt, innerhalb der Hierarchie und dem Klerus der katholischen Kirche Fuß zu fassen, so Schmidinger. "Die Idee dahinter ist, dass irgendwann die aus Sicht der Piusbruderschaft laschen Christen, die Liberalen und Linken, alle aus der Kirche 'hinausgegraust' wurden, dann können die Piusbrüder den 'sturmreifen' Haufen übernehmen." Da der liberale und progressive Teil der katholischen Kirche schrumpfe, sei dies keinesfalls unrealistisch. Eine Re-Integration der Piusbrüder in die gegenwärtige katholische Kirche könne er sich dagegen aktuell nicht vorstellen.
Gefahr für Kinder und Jugendliche
Im Moment sieht der Experte die Piusbruderschaft primär als Gefahr für Kinder und Jugendliche, die in den zugehörigen Familien aufwachsen, "weil man versucht, diese Jugendlichen von der Gesellschaft und von anderen katholischen Strukturen fernzuhalten, um so eine Parallelgesellschaft aufzubauen". Dies geschehe etwa in eigenen Internatsschulen und Jugendorganisationen, so Schmidinger, der unter anderem ein Buch über den Traditionalismus in Österreich verfasst hat.
Mit Blick auf den Wahlerfolg des Rassemblement National in Frankreich verwies Schmidinger auf enge Verbindungen zwischen dem katholischen Traditionalismus und der extremen Rechten. "Marine Le Pen vom Rassemblement National hat ihre Kinder in einer Gemeinde der Piusbruderschaft taufen lassen." Auch in Österreich gebe es solche Verbindungen. Dagegen sei der Rechtsextremismus in Deutschland mehr in protestantisch dominierten Gebieten aktiv und eher antiklerikal bis neuheidnisch. "Daher sehe ich für Deutschland noch nicht viele Überschneidungen." (KNA)