Eine besondere Vorberichterstattung zum Spiel

EM-Finale Spanien vs. England: Ein katholisch-fußballerischer Blick

Veröffentlicht am 14.07.2024 um 11:50 Uhr – Von Matthias Altmann und Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Spanien gegen England: Im Finale der Fußball-Europameisterschaft in Berlin stehen sich zwei Fußball-Großmächte gegenüber, die eine ganz unterschiedliche Historie mit der katholischen Kirche haben. Katholisch.de wirft vor dem Anpfiff einen besonderen Blick auf die Kontrahenten – mit Augenzwinkern.

  • Teilen:

Es ist das Hochamt des diesjährigen Sportsommers: das Finale der Fußball-Europameisterschaft. Dabei treffen an diesem Sonntagabend im Berliner Olympiastadion mit England und Spanien zwei Großmächte des Fußballs aufeinander. Es ist nicht nur das Duell der aufstrebenden Jungstars Lamine Yamal und Jude Bellingham (siehe Titelbild), sondern auch zweier Nationen, die – allerdings auf ganz unterschiedliche Weise – eine spannende katholische Geschichte haben. Katholisch.de nimmt das Finale zum Anlass, um mit etwas Augenzwinkern einen katholisch-fußballerischen Blick auf beide Länder zu werfen.

Geschichte

England: "Football’s coming home", hieß es hoffnungsvoll, als 1996 die Europameisterschaft in England stattfand – und, dass 30 Jahre voller Schmerz die Fans nicht vom Träumen abgehalten hätten. Denn bis dato hatte England, das Mutterland des Fußballs, 1966 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im eigenen Land seinen einzigen großen Titel geholt. Inzwischen sind aus den 30 Jahren des Schmerzes 58 geworden… Was richtiges Leid bedeutet, mussten englische Katholiken über Jahrhunderte erfahren. König Heinrich VIII. trennte 1531 die katholische Kirche in England vom Papsttum und gründete die anglikanische Kirche. Spätestens seit der "Pulverfass-Verschwörung" am 5. November 1605 (die berühmte Guy Fawkes Night) wurde es in England immer schwieriger für Katholiken: Sie standen fortan unter dem Verdacht des Landesverrats und wurden teilweise verfolgt. Erst im 19. Jahrhundert kam es zur Emanzipation. Spätestens in der Regentschaft von Königin Elisabeth II. wurden allerletzte Differenzen ausgeräumt. In den vergangenen Jahrzehnten kickten auch – mehr oder weniger erfolgreich – Katholiken in der Mannschaft der "Three Lions", etwa Wayne Rooney.

Spanien: Die Iberer hatten immer talentierte Spieler und auf dem Papier eine starke Mannschaft – dennoch dauerte es lange, bis die Nationalmannschaft auf internationaler Bühne erfolgreich war. Auch der Katholizismus setzte sich in ganz Spanien erst nach 1492 durch, als man die letzten muslimischen Mauren von der iberischen Halbinsel vertrieben hatte ("Reconquista"). Und wie der spanische Fußball um 2010 die Welt beherrschte (drei große Titel von 2008 bis 2012), beherrschten die spanischen Könige nach der Entdeckung Amerikas große Teile der sogenannten Neuen Welt. War die Waffe der spanischen Fußballer allerdings nur das "Tiki-Taka"-Passspiel, griffen die Herrscher zu deutlich brutaleren Mittel, um den katholischen Glauben durchzusetzen. Heute befindet sich die Kirche in Spanien – wie die Fußball-Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren – in einer Krise: Der Missbrauchsskandal wirft nun auch hier seine Schatten (übrigens auch in der Kirche in England). Auch der spanische Fußballverband gab zuletzt kein gutes Bild ab, Stichwort "Kuss-Skandal" um den ehemaligen Präsidenten Luis Rubiales. Gelingt den spanischen Bischöfen wie der Nationalmannschaft bei dieser EM bald ein Befreiungsschlag?

Kardinal John Herny Newman
Bild: ©KNA (Archivbild)

John Henry Newman war ursprünglich ein anglikanischer Geistlicher und konvertierte zur katholischen Kirche.

"Topstars"

England: Bobby Charlton, Geoffrey Hurst, Gary Lineker, Paul Gascoigne, …: Der englische Fußball produzierte allerhand Legenden mit Ecken und Kanten. Auch die katholische Kirche in England hat im Laufe der Zeit manche „Topstars“ hervorgebracht, besonders im Frühmittelalter, als sie dort – wie in anderen Ländern Westeuropas auch – auf Tabellenplatz eins stand (schlicht, weil es an starker Konkurrenz fehlte…). Doch selbst, als es sportlich für die Katholiken in England immer schlechter lief, schnürte der ein oder anderen Weltklassespieler für sie die Schuhe. Thomas Morus zum Beispiel, der beinharte Verteidiger, der alles gegen den von Heinrich VIII. gegründeten Emporkömmling, die anglikanische Kirche, gab. Nicht zu vergessen ist auch der spätere Kardinal John Henry Newman, der nach seinem Wechsel von den Anglikanern ein großer Spielmacher bei den englischen Katholiken wurde.

Spanien: Xavi, Iniesta, Puyol, Piqué, Ramos, Alonso, Villa: Spaniens goldene Fußballergeneration war von 2008 bis 2012 nicht zu stoppen und wurde einmal Welt- und zweimal Europameister. Eine Art goldene Generation kennt auch die Kirche in Spanien: die Mystikerin Teresa von Avila, ihr Wegbegleiter Johannes vom Kreuz sowie Ignatius von Loyola und Franz Xaver, die beiden großen Gründergestalten des Jesuitenordens. Alle vier lebten ungefähr zur selben Zeit und wurden zu herausragenden Figuren in der katholischen Kirche.

Kapitäne

England: Der Weltklassestürmer Harry Kane, unter Vertrag beim FC Bayern München, führt die "Three Lions“ seit einigen Jahren als Kapitän aufs Feld. Obwohl mit seinen bisherigen Vereinen alles kurz und klein schoss – einen bedeutenden Titel konnte er bisher noch nicht gewinnen. Manche sprechen sogar von einem Fluch... Der "Kapitän" der englischen Katholiken ist Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster und Vorsitzender der Bischofskonferenz. Er ist ein erfahrener Mann und hat schon viele Spiele auf dem Buckel. Nichols spielte lang konstant, doch im Rückblick auf seine Laufbahn wurde die ein oder Schwäche in seinem Spielstil offenbar. So musste er nach dem großen Missbrauchsbericht in der Kirche Englands einräumen, dass auch er lange geschwiegen und Opfern nicht gebührend zugehört habe. Nichols ist inzwischen 78 und steht daher unmittelbar vor dem Karriereende: Das Rücktrittangebot von Bischöfen wichtiger Sitze oder Kardinälen wird oftmals erst zu ihrem 80. Geburtstag angenommen.

Spanien: Die spanische Nationalmannschaft führt aktuell Álvaro Morata aufs Feld, der für Atlético Madrid spielt, aber viele Jahre seiner Karriere in Italien verbrachte. Kurz vor dem EM-Halbfinale gegen Frankreich sorgte er mit einem Interview für Furore, in dem er mangelnden Respekt seitens der spanischen Öffentlichkeit beklagte. "In Spanien ist es schwer für mich, glücklich zu sein. Ohne Zweifel bin ich außerhalb Spaniens glücklicher", ließ Morata wissen. Luis Argüello, seit dem Frühjahr Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz, beklagte einst auch fehlenden Respekt für die Kirche: Als er noch Generalsekretär der Bischofskonferenz (2018-2022) war, warf er der spanischen Regierung ein politisches Manöver vor, als diese die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle durch die Kirche als halbherzig kritisierte. So sorgte auch Argüellos Wahl zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz für Missstimmung bei Missbrauchsbetroffenen. Inzwischen hat sich Argüello mit Opfern getroffen und ein Fehlverhalten der Bischöfe eingestanden. Álvaro Morata werden die Fans seine Aussagen gewiss verzeihen, falls Spanien den EM-Titel holt. Gelingt es auch Erzbischof Argüello, sich mehr Vertrauen zu erarbeiten?

Die Kirche Sagrada Familia in Barcelona
Bild: ©stock.adobe.com/pcusine (Archivbild)

Die Sagrada Familia in Barcelona: ein architektonisches Juweil, das noch relativ jung ist.

Kathedralen

England: Als Mutterland des Fußballs ist England für einige legendäre Stadien bekannt. Allen voran natürlich für Wembley – den Ort des bekanntesten Nicht-Tores der Fußballgeschichte, das England 1966 seinen bis heute einzigen internationalen Titel beschert hat (wo ist eigentlich der VAR, wenn man ihn wirklich mal braucht?!). Die bekannteste katholische Arena des Landes steht ebenfalls in London: Westminster Cathedral. Wobei "bekannt" relativ ist, schließlich ist die nur zehn Gehminuten entfernte Westminster Abbey als Krönungskirche der englischen Könige wesentlich bekannter und architektonisch um Längen beeindruckender. Westminster Cathedral - Kathedrale des Erzbistums Westminster und Hauptkirche der katholischen Minderheit in England und Wales - geht es mit dem anglikanischen Stadtrivalen ein bisschen so wie dem amtierenden englischen Fußballmeister Manchester City. Dessen „Etihad Stadium“ ist auch wesentlich unbedeutender als "Old Trafford", die Heimspielstätte des Rivalen Manchester United.

Spanien: Madrid und Barcelona, die beiden größten Städte Spaniens, sind in vielen Bereichen Rivalen. Allen voran im Fußball, wo Real Madrid und der FC Barcelona das Maß aller Dinge sind und ihr Aufeinandertreffen in den Kathedralen "Estadio Santiago Bernabéu" und "Camp Nou" als "El Clásico" zu den bekanntesten Duellen im Weltfußball gehört. Während dabei mal die eine und mal die andere Mannschaft triumphiert, ist die Sache bei der Suche nach der bekanntesten Kirche des Landes klar: Hier gewinnt eindeutig Barcelona, denn an der Sagrada Família führt architektonisch, historisch und kirchlich kein Weg vorbei. Die weltberühmte Basilika mit ihren charakteristischen Türmen ist das Hauptwerk des katalanischen Baumeisters Antoni Gaudí – und immer noch nicht ganz fertig. Nach mittlerweile 142 Jahren Bauzeit ist das Ende der Arbeiten inzwischen aber zumindest absehbar. Das Gotteshaus ist aktuell übrigens nicht die einzige Großbaustelle in Barcelona: Auch der Camp Nou wird derzeit aufwendig umgebaut.

Edelfans

England: Seit Englands Bruch mit der katholischen Kirche unter König Heinrich VIII. war das Verhältnis zwischen den Herrschern in London und Rom lange Zeit schwierig. Erst in der jüngeren Vergangenheit ist auf beiden Seiten eine deutliche Entspannung spürbar, auch wenn sich englische Könige weiterhin nicht zur "päpstlichen Religion" bekennen dürfen. Das gilt auch für den bekanntesten Edelfan der englischen Mannschaft: Prinz William. Der Thronfolger ist Mitglied der anglikanischen Kirche (allerdings wohl kein sonderlich aktives) und als künftiger König auch das künftige Oberhaupt der anglikanischen Church of England. Die Suche nach einem katholischen Edelfan der "Three Lions" gestaltet sich auch sonst schwierig. Beim EM-Halbfinale wurde mit Sänger Ed Sheeran zwar ein Promi gesichtet, der sich vor Jahren eine Privatkapelle bauen lassen wollte – katholisch ist er allerdings ebenfalls nicht. Was prominenten katholischen Beistand angeht, sieht es für das Team von Trainer Southgate also schlecht aus.

Spanien: Wenn es um die Katholizität von Königshäusern geht, haben die Spanier – trotz diverser Skandale rund um den früheren König Juan Carlos und zuletzt auch den amtierenden König Felipe VI. und seine Frau Letizia – gegenüber den Engländern natürlich die Nase vorn. Das sorgt auch dafür, dass die spanische Nationalmannschaft im Gegensatz zu den Engländern beim EM-Finale auf prominenten katholischen Beistand hoffen darf. König Felipe ist nämlich der wohl bekannteste Edelfan der meist in Kardinalsrot spielenden "La Furia Roja" und auch bereits bei einem EM-Spiel dabei gewesen. Am 20. Juni sah der 56-Jährige auf der Ehrentribüne in Gelsenkirchen den starken Auftritt der roten Furie gegen Italien; nach dem Spiel stattete er der Mannschaft sogar einen Besuch in der Kabine ab. Dabei schenkten die Spieler dem Monarchen ein Trikot mit seinem Namen und der Nummer 10. Felipe versprach, das Trikot fortan bei jedem EM-Spiel der Mannschaft anzuziehen. Auch vor Ort beim Finale in Berlin?

Von Matthias Altmann und Steffen Zimmermann