Erst Pastoralreferent, jetzt Ständiger Diakon
Unterstützt es die Klerikalisierung einer Berufsgruppe, wenn sich kirchliche Mitarbeiter, Laien, zum Ständigen Diakon weihen lassen? Darüber wurde nach der Weihe von drei Pastoralreferenten zu Ständigen Diakonen in Stuttgart Ende Mai in diesem Jahr diskutiert, auch auf Facebook. Doch für die drei kirchlichen Mitarbeiter war dieser Schritt eine wichtige Entscheidung und eine Stärkung des eigenen kirchlichen Profils.
Ab und zu begrüße ihn schon mal jemand mit "Herr Diakon" oder "Herr Pfarrer", berichtet Dominik Weiß. Seit seiner Weihe sei er aber derselbe geblieben, lacht der frühere Pastoralreferent aus Baiersbronn. Der 43-Jährige wurde im Mai in der Stuttgarter Sankt Eberhardkirche zum Ständigen Diakon geweiht. Für den Theologen und Familienvater war das eine bewusste Entscheidung, an deren Anfang recht pragmatische Überlegungen standen. Seit zehn Jahren arbeitet Weiß als Pfarrbeauftragter in der Katholischen Kirchengemeinde St. Maria Königin der Apostel in Baiersbronn, einer Pfarrei im Schwarzwald. In dieser Leitungsfunktion ist er für die liturgischen Feiern, die seelsorgliche Begleitung, die Verwaltung und das kirchliche Personal zuständig. Seitdem Weiß Diakon ist, kann er auch Kinder taufen und bei Eheschließungen assistieren. Früher musste er als Pastoralreferent für das Spenden der Sakramente jeweils Priester aus der Seelsorgeeinheit Freudenstadt anfordern. Das habe alles gut geklappt, doch jetzt als Diakon sei manches einfacher und stimmiger, meint Weiß.
Auch seine Frau Judith Weiß arbeitet in derselben Pfarrei im Schwarzwald. Die Theologin und ausgebildete Pastoralreferentin ist mit einer halben Stelle dort unter anderem für die Kindergärten und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Gemeinsam kümmern sich die beiden um die rund 3.000 Katholiken in einer Kirchengemeinde mit drei Kirchorten, die zum Dekanat Freudenstadt gehört. "Im Vorfeld gab es schon welche, die wissen wollten, warum ich mich als kirchlicher Angestellter noch zusätzlich zum Diakon weihen lasse", erzählt Weiß. Auch im Kurs mit den anderen Weihekandidaten und deren Familien wurde darüber diskutiert. Seine Frau trage seine Entscheidung gut mit und sei damit versöhnt, sagt Weiß. Würde sie als Theologin und pastorale Mitarbeiterin darunter leiden, dann hätte er auf das Amt verzichtet. Das Ja der Ehefrau ist eine Zulassungsbedingung zur Diakonenweihe. Anfangs dachte Weiß, er könnte sowohl Pastoralreferent bleiben als auch Diakon sein. Doch das war nicht möglich. Der Auflösungsvertrag aus der Personalabteilung der Diözese kam am Tag vor der Weihe. Es war ein eigenartiger Moment für den Pfarrbeauftragten, als er diesen unterzeichnete.
Mit Stola, Albe und Dalmatik am Altar
Jetzt gehört Dominik Weiß – ähnlich wie die Priester – per Dekret, aber ohne Arbeitsvertrag zum Klerus der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Nach seiner Weihe haben ihm manche aus der Gemeinde zur Beförderung gratuliert, berichtet Weiß. Als Beförderung verstehe er seine Weihe aber nicht. Auch verdiene er deshalb kein zusätzliches Geld. Bei seiner Weihe hat er dem Bischof Gehorsam und Treue versprochen. Einer seiner Söhne, der bei dem Weihegottesdienst ministrierte, habe ihn vorab kritisch gefragt, ob er sein Leben lang für die Kirche arbeiten möchte, erzählt Weiß und bekräftigt: "Ich sage Ja zur Kirche mit ihren Licht- und Schattenseiten". Nun freut er sich auf seinen Dienst in der Gemeinde als Diakon. Er hat schon Anmeldungen für Taufen und Trauungen erhalten. Bei liturgischen Feiern am Altar trägt Weiß jetzt meist eine Albe, eine Stola und die Dalmatik. Damit ist er als Ständiger Diakon und Kleriker erkennbar.
Dass Pastoral- oder Gemeindereferenten, die Diakone werden, unterstellt werde, sie würden die eigene Berufsgruppe verraten oder klerikal agieren, habe er schon öfters gehört, meint Erik Thouet. Der Theologe ist seit zwölf Jahren in der Diözese Rottenburg-Stuttgart für die Auswahl und Ausbildung der Ständigen Diakone zuständig. Dass in diesem Jahr gleich drei der insgesamt neun Kandidaten, die im Kloster Heiligkreuztal auf das Diakonat vorbereitet und in der Stuttgarter Konkathedrale Sankt Eberhard geweiht wurden, Pastoralreferenten waren, sei sowohl Fügung als auch Zeichen, räumt der Ständige Diakon ein. Er prüfe gemeinsam mit einem Ausbildungsteam die Motivation der Bewerber. "Für die meisten ist es ein stimmiger Weg, sich aufzumachen und das eigene pastorale Profil weiterzuentwickeln und zu stärken", so der Ausbildungsleiter. Das Diakonat sei ein stärkeres Sich-in-den-Dienst-Nehmen für die Menschen und für Gott, sagt Thouet, der selbst seit über 20 Jahren als Diakon nebenamtlich tätig ist. "Man wird ja nicht geweiht, um persönlich irgendwie veredelt zu werden oder sich besser zu fühlen."
Rund 300 Ständige Diakone gibt es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die meisten davon übernehmen den Dienst neben- oder ehrenamtlich neben ihrem Hauptberuf, manche auch in Teilzeit oder gegen eine kleine Aufwandsentschädigung. Bewerber müssen bei der Weihe mindestens 35 Jahre alt sein, weil Diakone "in Beruf und Familie bewährt" sein sollten, erklärt Thouet. Verheiratete Diakone seien eine wichtige Brücke zu den Familien in den Gemeinden hin, so der Theologe. Voraussetzung für die Ausbildung zum Diakon ist der Theologische Fernkurs in Würzburg und im Anschluss daran eine vierjährige berufsbegleitende Ausbildung, die auch kirchliche Mitarbeiter absolvieren müssen, zusätzlich zu ihrem Theologiestudium und anderen kirchlichen Ausbildungswegen. Die meisten ausgebildeten Diakone sind noch weit über den Ruhestand hinaus aktiv im kirchlichen Dienst.
Trotzdem ist das Diakonat kein Lückenfüller-Amt für fehlende Priester, erklärt Thouet, der als Vizepräsident im Internationalen Diakonatszentrum (IDZ) tätig ist. Dort mache er immer wieder die Erfahrung, dass es etwa in Indien, Afrika oder in Litauen für Männer längst noch keine Selbstverständlichkeit ist, Diakon werden zu können. Thouet hält das Amt des Diakons für unverzichtbar für die Kirche der Zukunft. Gerade weil es Menschen brauche, die zu den Benachteiligten hingehen, beschreibt der Ausbildungsleiter das Berufsprofil.
Michael Holl arbeitet seit über 36 Jahren als Pastoralreferent in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Daran möchte der 63-Jährige vorerst nichts ändern. Seit zwei Jahren ist er Wallfahrtsseelsorger auf dem Palmbühl bei Schömberg, einem Ort in der Nähe von Balingen. Früher war der ausgebildete Theologe lange Zeit in der Diözese für die Ministrantenarbeit zuständig, später hat er die Diözesanstelle "Berufe der Kirche" geleitet. Dass er jetzt wieder in der Gemeinde arbeitet, fühlt sich für ihn genau richtig an. "Hier bei den Menschen ist mein Platz", sagt er. Erst kürzlich hat er gemeinsam mit einem Team von Ehrenamtlichen einen roten Kaffeewagen ins Leben gerufen, mit dem man herumfahren kann. Der eignet sich wunderbar, um mit Menschen vor der Kirche oder auf dem Markt ins Gespräch zu kommen, schwärmt der Pastoralreferent. Michael Holl findet "Open-Air-Seelsorge" besonders wichtig. Im Pfarrhaus darauf zu warten, dass jemand zufällig zum Gespräch vorbeikommt, hält er für aussichtslos. Es sei ein Geschenk, wenn Menschen bei uns aufatmen können, betont der Theologe. Holl will weitere Ehrenamtliche zu diesem Dienst mit dem offenen Gesprächsangebot ermutigen und befähigen.
Als Pastoralreferent und Laie stößt er an hierarchische Grenzen
Holl ist dankbar, schon so viele Jahre mit Menschen gemeinsam auf dem Weg zu sein, zu beten und deren Leben zu begleiten. Dazu brauche er keine Weihe, so der Theologe. Er weiß, wie es ist, wenn man als Laie an kirchliche Strukturen und hierarchische Grenzen stößt und an Vorgesetzte gerät, auch Kleriker, die einen das spüren lassen, sagt der Wallfahrtsseelsorger. Gerne würde er Familien auf dem Weg zur Taufe begleiten und die Taufe spenden, doch bislang wurde dort, wo er arbeitet, keine Dringlichkeit dafür gesehen. Das bedauert der Theologe ein wenig. Doch eine Weihe zum Diakon möchte Pastoralreferent Holl nicht. "Meine Berufung ist nicht von einer Weihe abhängig, sondern von der Taufe", meint er. Für ihn ist die menschliche Nähe entscheidender. Erst kürzlich hat er eine junge Frau auf dem letzten Weg begleitet und mit ihr gemeinsam ihre Beerdigung vorbereitet. "Ich möchte den Menschen zeigen, dass ich dabei bleibe und mit gehe", so Holl. Er hat sich aus Liebe und als getaufter Christ für diesen Beruf entschieden und dabei möchte er bleiben.
Bei Martin Wunram war die Entscheidung, dass er Diakon werden möchte, "lange schon im Herzen da", erklärt der 53-jährige Theologe, der in der Seelsorgeeinheit Fellbach-Schmiden-Oeffingen tätig ist. Seit 25 Jahren war Wunram Pastoralreferent in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Gemeinsam mit Dominik Weiß hat er sich nun im vergangenen Mai in Stuttgart weihen lassen. Für Wunram ist es nur konsequent, jetzt Diakon zu sein, da sich der diakonische Dienst wie ein roter Faden durch sein bisheriges berufliches Leben zieht. So hatte der frühere Pastoralreferent mit Teams einige Tafelläden, Mittagstische und soziale Einrichtungen ins Leben gerufen. Daneben hat Wunram Familienzentren gegründet. Dabei hatte er vor allem sozial benachteiligte Familien im Blick. Menschen stark zu machen und sie so zu begleiten, dass sie wieder einen Lichtblick im Leben sehen, war dabei sein Fokus. Kirche brauche Menschen, die sich so in den Dienst nehmen lassen, betont Wunram.
Sein ganz persönlicher Weg ins Diakonat hat vor vielen Jahren begonnen und sei gemeinsam im Gespräch mit seiner Frau gereift, berichtet der ausgebildete Theologe. Er freut sich darauf, Menschen zu begleiten und das Evangelium als frohe Botschaft Jesu Christi zu verkündigen - "von der Wiege bis zur Bahre und im Vertauen auf Gott", so der Ständige Diakon. Wunram ist überzeugt, dass Seelsorger dringend gebraucht werden. Gerade in Zeiten, in denen kirchlichen Mitarbeitern ein rauer Wind um die Ohren bläst, betont der Familienvater. Der Aufgabe möchte er sich als Diakon stellen, als einer "der durch den Staub geht", wie er es übersetzt. Wenn er jetzt in einem Gottesdienst als Diakon die Gläubigen zum Friedensgruß einlade oder mit dem Wunsch nach Frieden wieder nach Hause entlasse, spüre Wunram, dass seine Aufgabe etwas Besonderes ist. So wie er es bei seiner Weihe versprochen hat: "Empfange das Evangelium Christi. Was du liest, ergreife im Glauben. Was du glaubst, das verkünde und was du verkündest, erfülle im Leben." Für den Ständigen Diakon sind diese Worte ein großer spiritueller Reichtum, den er gerne anderen weiterschenken möchte. Lange hat sich Martin Wunram vor seiner Weihe überlegt, ob er sich weihen lassen soll, obwohl es für Frauen in der Kirche keine Weiheämter gibt. In der Weiheliturgie in Stuttgart wurde das Thema von Weihbischof Matthäus Karrer ganz klar angesprochen und ins Gebet gebracht. "Wir würden uns darüber freuen, wenn Frauen in der Kirche eines Tages diesen Weg in ihre Berufung ganz selbstverständlich gehen könnten", sagt Diakon Wunram.