Standpunkt

1.700 Jahre Konzil von Nizäa – Jesus Christus als Quelle der Reform

Veröffentlicht am 22.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Jan-Heiner Tück – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer ist Jesus? Eine Figur der Vergangenheit oder begegnet uns in seiner Person auch heute Gott? Das Konzil von Nizäa im Jahr 325 hat die Frage klar beantwortet – und das müssen wir neu erschließen, kommentiert Jan-Heiner Tück.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Im Herbst wird der Synodale Prozess der Weltkirche ins Finale gehen. Die Deutschen Bischöfe haben zuvor ein Schreiben nach Rom geschickt, in dem sich die alarmierende Aussage findet: "Nur 32 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder stimmen der Aussage zu: 'Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat.'" Dieser Befund zeigt, dass Papst Franziskus den Primat der Evangelisierung nicht ohne Grund gefordert hat. Kirchenreformdiskurse, die die Gottesfrage und Christologie abblenden, gehen nicht tief genug.

Das bevorstehende Jubiläum 1.700 Jahre Konzil von Nizäa kann hier ein Anstoß sein. Ist Jesus ein sittliches Vorbild, ein Lehrer der Humanität, eine Figur der Vergangenheit – oder begegnet uns in seiner Person auch heute Gott? Das Konzil hat diese Frage im Jahre 325 klar beantwortet. Der Sohn ist "aus dem Wesen des Vaters", "wahrer Gott vom wahren Gott", "gezeugt, nicht geschaffen", "eines Wesens mit dem Vater“. Diese Wendungen mögen heute fremd klingen, aber sie verteidigen die Gottheit Jesu Christi gegen jede Relativierung. Der Sohn ist dem Vater nicht untergeordnet, wie Arius lehrte, beide sind gleichermaßen Gott. Das ist eine "Revolution im Gottesbegriff“. Gott ist keine verhältnislose Monade, wie die Philosophie der Antike meinte, sondern lebendige Wirklichkeit in Beziehung. Die biblische Aussage "Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8.16) hat so eine begriffliche Fassung gefunden. Das Bekenntnis von Nizäa verbindet Katholiken, Orthodoxe und Protestanten, es ist ökumenisch von höchster Bedeutung.

Für manche ist Nizäa eine verstaubte Reliquie im Depot der Dogmengeschichte. Das ist kurzsichtig. Das Bekenntnis hält wach, dass Gott sich selbst in der Person und Geschichte Jesu Christi geoffenbart hat. Der ewige Sohn ist uns Menschen als Mensch in der Zeit nahegekommen. Gott hat in ihm sein Antlitz gezeigt. Darin liegt Rettung und Heil. Hinter die Punktsetzung von Nizäa können wir nicht zurück, aber wir müssen sie neu erschließen. Kirche ist Erinnerungs- und Interpretationsgemeinschaft, die dieses rettende Ereignis heute zu bezeugen hat. Ein "Christentum ohne Christus“, das im chamäleonhaften Anschluss an die Trends der Zeit sein Heil sucht, führt nicht weiter. Ohne Rückbesinnung auf Gott und seinen Christus gibt es keine Erneuerung der Kirche.

Von Jan-Heiner Tück

Der Autor

Jan-Heiner Tück ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien. Außerdem ist er Schriftleiter der Zeitschrift Communio und Initiator der Wiener Poetikdozentur Literatur und Religion.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.