Standpunkt

Warum wissen viele Menschen nicht, wann es Zeit ist aufzuhören?

Veröffentlicht am 24.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Andrea Hoffmeier – Lesedauer: 

Bonn ‐ US-Präsident Joe Biden hat doch noch seinen Rückzug angekündigt. Aus Sicht von Andrea Hoffmeier kam sein Schritt aber eigentlich zu spät. Sie fragt sich, warum viele Menschen nicht wissen, wann es Zeit ist aufzuhören. Dabei seien Rücktritte wichtig.

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"Ich glaube, es ist im besten Interesse meiner Partei und des Landes, wenn ich mich zurückziehe", erklärte der 81-Jährige Joe Biden diese Woche zu seinem Verzicht auf seine Präsidentschaftskandidatur. Viele zollen ihm Respekt dafür. Ist man aber ehrlich, wäre das Beste für seine Partei, die USA und die EU gewesen, wenn er erst gar nicht wieder angetreten wäre.

Hier ist auf der politischen Weltbühne passiert, was mir in der deutschen Politik bis hin zu kirchlichen Gremien und Verbänden immer wieder begegnet: Menschen wissen nicht, wann es Zeit ist aufzuhören. Wie im Falle Bidens, weil Sie ihre Kräfte überschätzen, häufig aber auch, weil sie einfach zu lang auf der gleichen Position sitzen. Wie oft habe ich schon erlebt, dass sich verdiente Persönlichkeiten am Ende um ihre Anerkennung brachten – zu stark wog die Erleichterung, dass sie endlich weg waren. Wie traurig!

Letztlich hat Biden auch nicht wirklich aus Einsicht seine Kandidatur zurückgezogen, sondern erst auf massiven Druck. Aber seine Wähler*innen haben in den Vorwahlen ebenso die Zeichen der Zeit nicht erkannt – zu oft scheint es doch der leichtere Weg zu sein, das Bewährte einfach fortführen. Etwas, was ich ebenfalls aus (kirchlichen) Organisationen kenne: Niemandem wurde frühzeitig eine Chance gegeben in die Aufgaben reinzuwachsen und bevor die Position vakant bleibt, wird der Amtsinhaber immer wiedergewählt. Viele Vereine geben sich so einem langsamen aber sicheren Sterben hin.

Um zukunftsfähig zu sein, benötigen Institutionen aber immer wieder neuen Input, Menschen mit frischer Tatkraft und innovativen Ideen. Sich nicht zu wichtig nehmen und aufhören können, halte ich für Tugenden im Kleinen wie im Großen. Hoffen wir in unserem eigenen Interesse, dass der Rücktritt Bidens nicht zu spät kam und dass der Wahlkampf in der kurzen verbleibenden Zeit noch rumgerissen werden kann. Das hat aber überhaupt nur eine Chance, wenn die Demokraten sich jetzt nicht in der Nachfolgefrage endgültig selber zerlegen.

Von Andrea Hoffmeier

Die Autorin

Andrea Hoffmeier ist Akademiedirektorin der Thomas-Morus-Akademie Bensberg.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.