Standpunkt

"Bücher statt Büros" ist eine gute Idee von Papst Franziskus

Veröffentlicht am 08.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Peter Otten – Lesedauer: 

Köln ‐ Papst Franziskus wünscht sich von den Gläubigen, dass sie mehr lesen. Nicht seine schlechteste Idee, kommentiert Peter Otten. Er betont die besonderen Perspektiven, die die Literatur eröffnet.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Bis vor ein paar Jahren konnten Menschen am Kölner Dom noch Bücher kaufen. Inzwischen ist die Buchhandlung geschlossen. In die Räume der bistumseigenen Immobilie ist die "Diözesanstelle für Berufungspastoral" gezogen. Ob Papst Franziskus daran gedacht hat, als er nun seinen Brief "Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung" geschrieben hat? Jedenfalls ist nach der Lektüre dieses "radikalen Kurswechsels" klar, dass der Papst seinen engen Mitarbeitern (und darüber hinaus allen Christinnen und Christen) mit auf den Weg gibt: Greift zum Buch! Aber nicht nur zum Brevier.

Ist Franziskus nun eine Art frommer Denis Scheck? In einem Punkt wären beide sicher einer Meinung: Menschen, die Bücher lesen, sähen durch die Augen anderer, schreibt der Papst. Dadurch entstehe Vorstellungskraft, und die sei entscheidend, "sich mit dem Standpunkt, dem Zustand, dem Gefühl der anderen zu identifizieren, ohne die es keine Solidarität, kein Teilen, kein Mitgefühl, keine Barmherzigkeit gibt". Literatur verbindet, davon ist der Papst überzeugt. Für den Theologen im Literaturfan ist darüber hinaus klar, dass sich der Glaube als Teil der Kultur nur innerhalb der Kultur ausdrücken kann: "Wie können wir zu den Herzen der Menschen sprechen, wenn wir 'die Worte', mit denen sie die Dramatik ihres Lebens und Fühlens in Romanen und Gedichten zum Ausdruck bringen wollten, ignorieren, verwerfen oder nicht würdigen?" schreibt Franziskus.

Man kann den Brief mit Fug und Recht als päpstliche Warnung vor kultureller Abschottung lesen. Sofort fallen einem die Auseinandersetzungen um die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele ein. Das Problem des Glaubens bestehe heute nicht in erster Linie darin, "mehr oder weniger an die Lehrsätze zu glauben. Es geht vielmehr um die Unfähigkeit so vieler Menschen, sich angesichts Gottes, seiner Schöpfung, der anderen Menschen anrühren zu lassen" schreibt der Papst. Die Gefahr: "Selbstisolierung, wir geraten in eine Art 'geistige' Taubheit, die sich auch negativ auf unsere Beziehung zu uns selbst und auf unsere Beziehung zu Gott auswirkt, ganz gleich, wie viel Theologie oder Psychologie wir studieren konnten." Wenn Gott zur Welt kommt, dann jedenfalls auch in der Literatur. Bücher statt Büros. Nicht die schlechteste Idee des Papstes.

Von Peter Otten

Der Autor

Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.