"Wie ein Geschenk des Himmels"

Katholische Megachurch: Die größte Pfarrkirche in den USA

Veröffentlicht am 07.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Visalia/Bonn ‐ Mangel an katholischen Priestern gibt es überall in der Welt – vor allem aber in den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig verzeichnet die Kirche in Kalifornien einen Zuwachs an Pfarreien. Doch wie gehen sie damit um? Ein neues Konzept soll Abhilfe schaffen.

  • Teilen:

Die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten steht vor einem großen Problem. Während die durchschnittliche Pfarrgemeinde größer geworden ist, ist die Zahl der Priester zurückgegangen. Dass dies zu großen Problemen in der Pastoral und Seelsorge führt, liegt auf der Hand. Angesichts dieser Herausforderungen suchte die nordamerikanische Diözese Fresno nach kreativen Lösungen. Ihre Antwort: der Bau einer außergewöhnlich großen Kirche. Je größer, desto besser, lautete offenbar die Devise für den neuen Ansatz. Was dabei rauskam: die größte Pfarrkirche in Nordamerika, eine sogenannte "Megachurch". 

Die Rede ist von einer Kirche, die vier Gemeinden zu einer "Großkirche" vereint. Auch der Bischof der Diözese Fresno, Joseph Brennan, sprach in einem Beitrag des US-Fernsehsenders CBS von einer "katholischen Megachurch" und spielte damit wohl auf bereits bekannte protestantische und nicht-konfessionelle Großkirchen an, wie etwa die 1980 erbaute Chrystal Cathedral, die seit 2019 die katholische Christ Cathedral ist. Oder die von Joel Osteen geleitete Lakewood Church in Houston, Texas, eine Großkirche ohne denominationelle Zugehörigkeit. Im Vergleich zu Osteens Kirche mit rund 16.000 Plätzen erscheint die katholische Variante allerdings weniger "gigantisch", wie sie in einigen Medienberichten genannt wurde.

Bischof von Fresno bei Einweihung von "katholischer Megakirche"
Bild: ©Diocese of Fresno Communications

Der Bischof von Fresno bei Einweihung der größten Pfarrkirche Nordamerikas St. Charles Borromeo.

Dennoch ist St. Charles Borromeo die größte katholische Pfarrkirche Nordamerikas. Sie kostete rund 24 Millionen Dollar, bietet 3.200 Sitzplätze und erstreckt sich über fast einen Hektar. An drei Sonntagsgottesdiensten füllen mehr als 8.000 Gläubige die Kirchenbänke. "Wenn Jesus in diese Megakirche käme, würde er wahrscheinlich sagen: Das ist zwar nicht das, was ich mir vorgestellt habe, aber macht weiter so. Das ist ein kreativer Ansatz", sagte der Oberhirte schmunzelnd gegenüber CBS.

Tatsächlich lag die Zahl der Katholiken in seiner Diözese seit ihrer Gründung im Jahr 1967 bei rund 307.000. Doch die Zahl stieg stetig: 2012 waren es 1.074.944 Katholiken von rund 2,4 Millionen Einwohnern auf dem Bistumsgebiet. Die Diözese unterhält rund 86 Pfarreien, mehrere karitative Einrichtungen, vier Schulen, eine kleine Zeitung, ein Exerzitienhaus und mehrere Friedhöfe. St. Charles Borromeo ist die jüngste der Pfarrgemeinden, mit der man aufgrund des Priestermangels auf ein "sehr reales Bedürfnis" reagiere, so Brennan weiter.

Gründe für Personalkrise vielfältig

Bistumssprecher Chandler Marquez sagte gegenüber katholisch.de, solche Zusammenlegungen von Pfarreien seien aufgrund des Priestermangels und des Rückgangs der Kirchgänger eine Realität für die katholische Kirche in Nordamerika. Denn nach Zahlen des Pew Research Center sind 13 Prozent der US-Bevölkerung ehemalige Katholiken. Sie gehören den Protestanten oder den Konfessionslosen an. Damit ist die katholische Kirche mehr als jede andere Glaubensgemeinschaft von Konfessionswechseln betroffen.

"Für die Diözese bedeutet die Zusammenlegung von vier Pfarreien und einer Mission zu einer, dass wir unsere Ressourcen viel besser nutzen können", sagte er. Andere Diözesen in Nordamerika würden dieses Modell im Bereich der katholischen Bildungsarbeit mit ihren Einrichtungen bereits erfolgreich anwenden. Schließlich habe man sich in der Diözese die Frage gestellt, warum ein solches Modell nicht auch auf die Gotteshäuser übertragen werden könne. Größere Kirchen bzw. Gottesdiensträume, so Marquez, ermöglichen es einem Geistlichen, effizienter zu arbeiten und "sich um mehr Menschen gleichzeitig zu kümmern".

„Für die Diözese bedeutet die Zusammenlegung von vier Pfarreien und einer Mission zu einer, dass wir unsere Ressourcen viel besser nutzen können“

—  Zitat: Bistumssprecher Chandler Marquez

Dieser neue Kirchentypus könnte demnach als Prototyp dienen, um den Bedürfnissen der Gläubigen in einer Zeit des Priestermangels gerecht zu werden. Mit dem neuen Konzept versuche man, den Priestern "Arbeit und Stress abzunehmen, damit sie sich erholen können". Das führe dazu, "dass sie bessere Seelsorger für die Gläubigen" sein können, so der Bistumssprecher. Für den Bischof ist jedoch klar: Jedes Jahr benötigt er mehr als 25 neue Priester. Erst kürzlich konnte seine Diözese sechs Neupriester weihen – die höchste Zahl seit der Bistumsgründung 1967.

Megakirchen vor allem im protestantischen Bereich bekannt

Der leitende Pfarrer von St. Charles Borromeo, Alex Chavez, blickt jedoch optimistisch auf die neue Kirche und das neue Konzept. Das sehen auch seine beiden neuen Priesterkollegen so, die beide erst kürzlich in der Diözese Fresno geweiht wurden – trotz negativer Erfahrungen. Einer der Neugeweihten, Joseph Klinge, sagte in der CBS-Reportage, der Missbrauchsskandal habe das Ansehen des Priestertums und der Kirche beschädigt. "Ich wurde schon als Pädophiler bezeichnet, nur weil ich Priester werden wollte", so Klinge. Wie es mit der Kirche in Zukunft weitergehen wird, vor allem im Hinblick auf den Rückgang von Gläubigen und Berufungen, bleibt jedoch offen.

Bis dahin gehen Diözese und Pfarrei den Weg einer Großkirche. Chavez hält diesen Kirchentyp für einen Prototyp der Zukunft – zumindest auf katholischer Seite. Für andere Kirchen, etwa die seit den 1960er Jahren im Aufwind befindlichen Kirchen ohne ohne denominationelle Zugehörigkeit, wie die eingangs erwähnte Lakewood Church, sind solche Großkirchen längst nichts Neues mehr. Gleiches gilt für die bereits 1980 von der Reformierten Kirche in Amerika in Auftrag gegebene Großkirche "Crystal Cathedral". Sie war einst das Kirchengebäude der Crystal Cathedral Ministries, einer 1955 von dem Fernsehprediger Robert H. Schuller gegründeten Gemeinde.

Die "Christ Cathedral" in Kalifornien
Bild: ©picture alliance/AP Photo | Mark Rightmire

Die 1980 von der Reformierten Kirche in Amerika in Auftrag gegebene Großkirche "Crystal Cathedral" war einst das Kirchengebäude einer von dem Fernsehprediger Robert H. Schuller gegründeten evangelikalen Gemeinde.

Schuller nannte den Komplex damals "22-Hektor-Einkaufszentrum für Gott", ein Gebäude, das strenggenommen kein Kristallbau (es besteht aus über 10.000 rechteckigen Glasplatten) und keine klassische Kathedrale war. Von dort aus wurde von 1971 bis 2013 wöchentlich der berühmte Fernsehgottesdienst "Hour of Power" ausgestrahlt, den weltweit schätzungsweise bis zu 30 Millionen Menschen in über 200 Ländern verfolgten. Nach einem Insolvenzverfahren wurde die Kirche schließlich 2012 für 50,8 Millionen Euro an das katholische Bistum Orange verkauft und für umgerechnet 68,7 Millionen Euro renoviert.

Seit 2019 ist die in Christ Cathedral umbenannte Kirche die Kathedrale der Diözese und gleichzeitig das Zentrum für 1,6 Millionen Katholiken und bietet, ähnlich wie das neue Kirchengebäude der katholischen St. Charles Pfarrei, rund 3.000 Sitzplätze für Gottesdienstbesucher und Platz für 1.000 Musiker und Sänger. Ob die Rechnung mit dem neuen Konzept in der südkalifornischen St-Borreo-Pfarrei aufgeht, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Die Katholiken vor Ort jedenfalls empfinden laut Bericht ihre neue Großkirche als "Geschenk des Himmels".

Von Mario Trifunovic