Mit Paulus mehr Gelassenheit bei verletzten religiösen Gefühlen
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Atze Schröder tourt mit dem Programm "Der Erlöser" und die Eröffnungsfeier der olympischen Spiele zeigt eine Mahlszene mit Dragqueens – das sind nur zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, die zu Empörung, Aufregung und nicht selten dem Vorwurf der Blasphemie führen. Bei näherer Betrachtung könnte man zwar feststellen, dass oft ein engerer Bezug zum Glauben nur durch jene Perspektive entsteht, die Glaubende auf die Welt haben. Wenn der Kategorienfehler aufgedeckt und vorschnelle Argumentationen nicht mehr haltbar sind, werden nicht selten verletzte religiöse Gefühle bemüht.
In modernen Gesellschaften muss man vieles ertragen, was nicht gefällt. Neu ist das Problem freilich nicht. Bereits im Neuen Testament wird über die Verletzung religiöser Gefühle berichtet. Mit dem 1. Korintherbrief antwortet Paulus auf Fragen von Mitgliedern der Gemeinde, die sich am Verhalten anderer Mitglieder stören. Da geht es etwa um die Teilnahme Glaubender an paganen Kultmählern und das Essen von Götzenopferfleisch. Paulus‘ Stellungnahme ist frappierend: "Wenn nämlich einer dich, der du Erkenntnis hast, im Götzentempel beim Mahl sieht, wird dann nicht sein Gewissen, da er schwach ist, verleitet, auch Götzenopferfleisch zu essen? Der Schwache geht an deiner Erkenntnis zugrunde, er, dein Bruder, für den Christus gestorben ist." (1 Kor 8,10f)
Paulus sieht in denen, deren religiöses Gewissen in Wallung gerät, Kleingläubige, während er jenen, die trotz ihres Glaubens an Kultmählern teilnehmen, weil sie aus Sicht des Glaubens keine religiöse Qualität haben, eine starken Glauben attestiert. Sie sollen trotzdem auf die Teilnahme verzichten, weil sie die Gefühle der "schwachen" Glaubensgeschwister verletzen.
Das gilt für das innergemeindliche Miteinander. Das Verhalten der Welt gegenüber beschreibt die neunte Seligpreisung: "Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel. So wurden nämlich schon vor euch die Propheten verfolgt." (Mt 5,11f)
Eine vermeintliche Schmähung könnte man also auch gelassen als Auszeichnung interpretieren – und ansonsten das Rechten und Richten Gott überlassen. Auch daran erinnert Paulus auf die Thora verweisend: "Übt nicht selbst Vergeltung, Geliebte, sondern lasst Raum für das Zorngericht Gottes; denn es steht geschrieben: Mein ist die Vergeltung, ich werde vergelten, spricht der Herr." (Röm 12,19)
Der Autor
Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.