Standpunkt

Wir brauchen gemeinsames Handeln gegen Hass

Veröffentlicht am 26.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Regina Nagel – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Hasskommentare gegen Geflüchtete nach dem Attentat in Solingen haben Regina Nagel an eine Tagung zum Thema Hass erinnert. Sie fordert eine intensive interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema.

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"Ich bitte Sie, wenn Sie glauben, beten Sie mit mir und wenn nicht, dann hoffen Sie mit mir." So lautete der letzte Satz des Bürgermeisters von Solingen, Tim Kurzbach, nach seinen ersten Worten zur entsetzlichen Tat. Auf Facebook wurde die Kommentarfunktion dazu eingeschränkt, wohl wegen Hasskommentaren. Ob das Tatmotiv des Täters Hass und Terror war und inwiefern gegebenenfalls ein Zusammenhang zum IS besteht, musste zu dem Zeitpunkt noch geklärt werden. Hasskommentare gegen Geflüchtete insgesamt sind jedoch zahlreich zu finden.

"Gewaltgesellschaften: Hass&Macht" war Thema einer interdisziplinären Tagung des Forschungsverbunds CoVio, an der ich in der vergangenen Woche teilgenommen habe.  Empörung sei nicht die Ursache, sondern eine Inszenierung von Hass, wurde dort gesagt und daran muss ich denken bei solchen Kommentaren. Inszenierter Hass von rechts nimmt zu und richtet sich gegen Gruppen und Einzelne, die nicht in die Ideologie der Hater passen. Es handelt sich dabei weder um spontane Wut noch um differenzierte Kritik. Wer hasst reduziert seine Objekte auf wenige Merkmale, die den eigenen Moralvorstellungen zuwiderlaufen. Manche Reaktionen, auch aus katholischen Kreisen, zum "Göttermahl" in Paris waren Beispiele dafür. Ein Kleriker verstieg sich zur Behauptung, dass Frankreich (!) sich dadurch selbst verflucht habe. Dass Barbara Butch und Thomas Jolly im Zuge dieser inszenierten Empörung mit Morddrohungen konfrontiert wurden, das wurde hingenommen. Wie entwürdigende Hass-Sprache funktioniert, zeigt ein Satz einer E-Mail, die ich selbst einmal nach einem kirchenkritischen Statement erhalten habe: "Kakerlaken des Zeitgeistes müssen zertreten werden!" Der nicht anonyme Autor reduzierte mich auf ein von vielen als eklig empfundenes Element einer Masse von Ungeziefer, das vernichtet werden muss.

Anlass und Fazit der oben erwähnten Tagung war die Erkenntnis, dass es fachübergreifend mehr Forschung zum Thema "Hass" braucht. Der Historiker Jürgen Nagel betonte, dass für seinen Fachbereich sozialpsychologisches Wissen wichtig sei, die Sozialpsychologin Kristin Platt freute sich, dass auch Teilnehmende mit theologischem Hintergrund dabei waren. Ich selbst bin überzeugt, dass es notwendig ist, Wissen zum Thema Hass und Erfahrungen mit Hass breit zu kommunizieren. Tim Kurzbach hat seinen Schmerz ausgedrückt und zur Verbundenheit in Gebet oder Hoffnung aufgerufen. Dieser Aufforderung zu folgen und sich Wissen über Hassmechanismen anzueignen, kann eine gute Grundlage sein für gemeinsames Handeln gegen Hass.

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Vorsitzende des Gemeindereferent*innen-Bundesverbands und verantwortliche Redakteurin der Verbandszeitschrift "das magazin". Sie ist Mitherausgeberin eines Buchs zu spirituellem Missbrauch an Frauen in der katholischen Kirche (Selbstverlust und Gottentfremdung, Patmos 2023).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.