Kirchenhistoriker: Reisen gehören integral zum Papstamt dazu
Aus Sicht des Augsburger Kirchenhistorikers Jörg Ernesti haben Reisen eine wichtige Bedeutung für Päpste und ihre Pontifikate. "Heute gehört die Reisetätigkeit ganz integral zur Ausübung des Papstamtes hinzu und ist kaum mehr wegzudenken", sagte Ernesti in einem Interview mit der "Deutschen Welle" (Mittwoch). Als Paul VI. im Dezember 1963 angekündigt habe, reisen zu wollen, sei das "eine faustdicke Überraschung für die Weltkirche und für die in Rom zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelten Bischöfe" gewesen. Es habe im Altertum und Mittelalter zwar bereits einzelne reisende Päpste gegeben, eigentlich seien Päpste aber an den Ort Rom gebunden gewesen. Vor Paul VI. habe mit Pius VII. (1742-1823) zuletzt ein Papst Italien verlassen. Dieser sei von Napoleon nach Frankreich entführt worden. Paul VI. habe in seinem Pontifikat dann fünf Kontinente bereist. Papst Johannes Paul II. habe diese Reisetätigkeit noch einmal potenziert.
Papstreisen könne man als Zeichen dafür sehen, dass die katholische Kirche sich als Weltkirche pluralisiere. "Andererseits – zumindest zur Zeit von Johannes Paul II. wirkte es auch so, dass dieser Mann sehr genau wusste, was er kirchlich wollte, und die immer gleiche Botschaft in allen Zielregionen verkündete und damit den Laden auf seine Art – auf Deutsch gesagt – zusammenhielt", sagte Ernesti. Paul VI. sei es nicht darum gegangen, dass der Papst als Nachfolger Petri die Ortskirchen zu sich kommen lasse. "Er macht sich vielmehr präsent bei den Ortskirchen. Diese Wertschätzung der Ortskirchen entsprach ja dem Denken des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65)", so der Kirchenhistoriker. Die Reisen von Johannes Paul II. changierten aus seiner Sicht zwischen "Neozentralismus im Sinne einer Unterordnung unter Rom und einer Aufwertung der Ortskirche", so Ernesti. "Johannes Paul II. wollte den Vorrang des Papstamtes auch an den entferntesten Ecken der Erde gegenwärtig halten."
Franziskus sieht in Islam-Dialog große Chance für Weltfrieden
Bei früheren Päpsten sei grundsätzlich sorgfältig darauf geachtet worden, alle Weltgegenden und alle großen Nationen mit einem Papstbesuch zu bedenken. Bei Franziskus sei das anders: "An die Ränder gehen, das empfiehlt er der Kirche und seinen Priestern und das setzt er mit seiner Reisetätigkeit um", so Ernesti. "Aber Franziskus setzt auch einen deutlichen Schwerpunkt darin, in islamische Länder zu reisen, in denen es nur kleine christliche Bevölkerungsanteile gibt." Franziskus fokussiere die Idee des interreligiösen Dialogs auf das christlich-islamische Verhältnis. "Denn er sieht in einem Aufeinanderprallen von Christentum und Islam die größte Bedrohung für den Weltfrieden, aber auch die größten Chancen, etwas zum Weltfrieden beizutragen."
Geistlich könne man die Reisen eines sichtlich gealterten Papstes auf Reisen als Konkretisierung dafür verstehen, dass auch die letzte Lebensphase ihre Würde habe und man auch in dieser Phase etwas zu einem gelingenden gesellschaftlichen Leben beitragen könne. "Aber meines Erachtens ist in der Kirche das Problem des Alterns der Päpste noch nicht wirklich reflektiert", so Ernesti. "Damit stoßen ja Dinge an ihre Grenzen." Dass Benedikt XVI. seinen Rücktritt auch damit begründet habe, dass er nicht mehr zu großen Reisen in der Lage sei, bleibe für ihn beeindruckend, so der Kirchenhistoriker.
Papst Franziskus bricht am Montag zu seiner Apostolischen Reise nach Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur auf. Für den 87-jährigen Papst wird diese Reise die längste Auslandsreise seines Pontifikats. (cbr)