Muttersprachliche Gemeinden verdienen mehr Aufmerksamkeit
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Es ist eine Verbeugung vor der katholischen Zivilgesellschaft in Deutschland. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bietet in der "Herder Korrespondenz" einen Abriss der Vielfältigkeit des Engagements von Katholikinnen und Katholiken in Verbänden und Vereinen, gerade des Beitrags katholischer Frauen. "Die katholische Kirche bleibt trotz ihrer innerkirchlichen Probleme und Herausforderungen mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement eine wichtige Größe in unserer Gesellschaft", so die Sozialdemokratin.
Einen Punkt in ihrer Bilanz finde ich aktuell sehr spannend. Bas betont das "besondere Gewicht" der katholischen Kirche "auf dem Feld der Migrationspolitik", das sich speise "aus der erlebten Alltagspraxis. Etwa vier Millionen Katholikinnen und Katholiken in Deutschland sprechen eine andere Muttersprache als Deutsch." Vier Millionen von gut 20 Millionen. "Welch ein Potenzial für unsere pluralistische Gesellschaft, für gelebte Offenheit und Toleranz."
Diese Offenheit und Toleranz braucht Deutschland. Unter den Millionen katholischer Christinnen und Christen werden nicht wenige sein, denen die Debatten um Remigration und Ausgrenzung, populistische Lautsprecher und der Hass auf alles Fremde Sorgen bereiten. Wer in Deutschland faschistische Politik wählt, will nicht die Buntheit einer Kirche mit Polen und Vietnamesen, mit spanischsprachigen Gläubigen aus vielen Weltregionen, Koreanern, Kroaten oder Philippinos. Um so wichtiger war das einmütig beschlossene Wort der Bischöfe "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" mit dem Nein zur AfD. Katholische Identität ist Weltbürgerschaft.
Allein: Man sieht diese katholische Vielfalt zu wenig. Dazu reicht es ja nicht, den muttersprachlichen Gemeinden kaum mehr genutzte Kirchenräume zur Verfügung zu stellen. Über die bei diesem Punkt mangelnde Buntheit des ZdK wurde schon öfter gemäkelt. Vier Millionen – da braucht es mehr als einige wenige Vertreterinnen oder Vertreter muttersprachlicher Gemeinden.
Aber ich möchte das noch weiter herunterbrechen: Wenn in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt rund ein Drittel der katholischen Gläubigen nicht deutscher Muttersprache ist, sind sie dann entsprechend präsent in Gremien, bei Pfarrfesten und ähnlichen Veranstaltungen? Und letztlich… ich bin gespannt auf den Moment, wenn der erste Weihbischof oder Bischof mit migrantischer Familiengeschichte für ein deutsches Bistum ernannt wird.
Der Autor
Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.