Standpunkt

Die Polemik des Papstes gegen kinderlose Paare

Veröffentlicht am 05.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 

Bonn ‐ Auf seiner Asienreise lobt der Papst Familien mit vielen Kindern und kritisiert Paare, die sich lieber für ein Haustier statt Nachwuchs entscheiden. Doch mit dieser Polemik hilft Franziskus niemandem, kommentiert Björn Odendahl.

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Der Papst hat es wieder getan. Während seiner knapp zweiwöchigen Asienreise lobte Franziskus den Kinderreichtum indonesischer Familien, die "drei, vier, fünf oder mehr Kinder" hätten. Damit seien sie Vorbild für andere Länder, "in denen Menschen einen Hund oder eine Katze anstatt eines Kindes bevorzugten".

Auf wen der Papst damit anspielt, dürfte klar sein. Immer wieder klagt er über die niedrigen Geburtenraten und die Überalterung vor allem in Italien, aber auch in anderen europäischen Ländern. Er wirft den Menschen vor, gar keine oder nur ein einziges Kind zu zeugen und sich stattdessen Haustiere als weniger betreuungs- und kostenintensive Alternative anzuschaffen. Franziskus' Kritik an kinderlosen Paaren ist also immer auch eine (sehr oberflächliche) Kritik an fehlender gesellschaftlicher Verantwortung zugunsten von Konsum und Selbstverwirklichung.

Was der Papst allerdings übersieht, ist, dass seine polemischen Worte kinderreiche Familien und kinderlose Paare/Menschen gegeneinander ausspielen. Auch hierzulande kennen wir Neiddebatten in beide Richtungen. Kinderlose beklagen etwa die steuerliche Bevorzugung von Eltern durch Kinderfreibeträge, Paare mit Kindern argumentieren, dass der eigene Nachwuchs eine Menge Geld kostet und später schließlich die Rente der Kinderlosen finanzieren wird. Unbedachte Äußerungen wie die des Papstes verschärfen diese Spannungen nur.

Doch Franziskus übersieht bei seinem pauschalen Jubel über Kinderreichtum noch etwas anderes: Weltweit sind die Rahmenbedingungen sowie die Motivation, Kinder zu bekommen (oder nicht zu bekommen), sehr unterschiedlich. Es geht um Fragen wie die finanzielle Entlastung durch den Staat, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Reintegration von Müttern in den Arbeitsmarkt oder ganz grundsätzlich: die Selbstbestimmung der Frau. Während in einigen Breitengraden Kinder ihre Eltern finanziell vor große Herausforderungen stellen, sind sie in anderen als finanzielle Unterstützer kaum wegzudenken – bis hin zum großen Problem der Kinderarbeit in vielen Teilen Lateinamerikas, Asiens oder Afrikas.

Statt also Kinderreichtum pauschal zu begrüßen und kinderlose Paare zu kritisieren, sollte Franziskus viel eher auf die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Missstände hinweisen. Und zu guter Letzt auch die sehr persönliche Entscheidung respektieren, dass manche Menschen sich ganz bewusst gegen Kinder entscheiden.

Von Björn Odendahl

Der Autor

Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.