Standpunkt

Frauenfeindliche Zensur macht Bibel zur entheiligten Schrift

Veröffentlicht am 06.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Joachim Frank – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Forderung, frauenfeindliche Bibelstellen aus der Leseordnung zu streichen, hat Joachim Frank zum Nachdenken gebracht: Ein solcher Schritt sei keine Wiedergutmachung – könne aber zum prophetischen Zeichen werden.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Der Charme von Stolpersteinen liegt darin, dass sie einen aus dem gewohnten Trott bringen und besser auf den Weg achten lassen. Als die Aachener Theologin Annette Jantzen unlängst in ihrem immer lesenswerten Blog "Gotteswort weiblich" forderte, die berühmt-berüchtigte Weisung des Epheser-Briefs zur "Unterordnung" der Frauen in der Sonntagsmesse nicht mehr vorzulesen und ihn aus der Leseordnung zu streichen, da dachte ich spontan: "Verständlich, aber falsch. Anstößige Bibelstellen müssen doch aus- und nicht abgelegt werden, besprochen und nicht verschwiegen."

Doch diese scheinbar rationale Reaktion ist das Gegenteil dessen, was sie zu sein vorgibt. Sie wirkt nicht aufklärerisch, sondern führt zum reflexhaften Weitertrotteln, lässt Männer und die Männerkirche die Schuldgeschichte dieses Textes. Mit ihm wurden – und werden – Frauen gedemütigt, erniedrigt in ihrem Anspruch auf Gleichheit, nach unten gedrückt beim Aufbegehren für Gerechtigkeit.

Aus der gesamten Bibel kommt im Gottesdienst überhaupt nur ein Drittel aller Texte vor. Was fehlt, sind keineswegs nur die schwer erträglichen Gewaltorgien aus den Königsbüchern oder die Fluchpsalmen. Wo sind  – wie Annette Jantzen zurecht fragt – die vielen Geschichten starker, selbstbewusster Frauen mit ihrem Widerspruch zum patriarchalen Mainstream? Wo sind all die Stellen, die das männlich konfigurierte Gottesbild erschüttern könnten? Wo ist das Hohelied mit seinem lustvollen Verhältnis zu Sinnlichkeit und Erotik? Weggelassen, gezielt beschnitten, durch dreistes Gestückel mundtot gemacht, zum Verschwinden gebracht.  

Beschämend in ihrer Fülle sind die Belege Jantzens und anderer Theologinnen für diese manipulative, frauenfeindliche Zensur. Sie macht die Bibel im Gottesdienst zur ent-heiligten Schrift. Den liturgischen Antwortruf "Wort des lebendigen Gottes" bringt man nach solchen Lesungen kaum noch heraus, weil er einem höhnisch vorkommt – gotteslästerlich gar?

Gewiss, das "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn"-Ärgernis aus der Leseordnung zu entfernen, macht nichts von dem ungeschehen, was es angerichtet hat. Es ist auch keine Wiedergutmachung, verändert nichts zum Besseren an der Geschlechterhierarchie zulasten der Frauen. Aber ein Stein des Anstoßes für die Kirche wäre es schon, ein prophetisches Zeichen, ein Heilsmoment.

Von Joachim Frank

Der Autor

Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.