Weltsynode 2.0 in Rom: Das passiert in den nächsten Wochen im Vatikan
Die Weltsynode trifft sich in Rom – zum zweiten Mal. Vom 30. September bis 27. Oktober kommen mehrere Hundert Bischöfe und einige Laien aus aller Welt im Vatikan zusammen. Auch diesmal findet die Synodenversammlung nicht in der vatikanischen Synodenaula, sondern in der Audienzhalle statt. Das hat mit der großen Teilnehmerzahl zu tun. Waren bei bisherigen Synoden meist ausschließlich Bischöfe geladen, sind diesmal auch Nicht-Bischöfe mit dabei. Insgesamt haben 368 Synodale Stimmrecht, davon sind 272 Bischöfe und 96 keine Bischöfe – 45 von ihnen sind Frauen. Aus Deutschland werden der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, der Münsteraner Bischof Felix Genn, der Augsburger Bischof Bertram Meier, der Passauer Bischof Stefan Oster, Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sowie Bohdan Dzyurakh, Apostolischer Exarch der in Deutschland und Skandinavien wohnenden katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus dabei sein.
Schon im vergangenen Jahr brachte die bunte Mischung der Versammlung interessante Begegnungen hervor: Kirchenpolitisch Fernstehende posierten miteinander für Fotos, konträre Positionen kamen ins Gespräch und Teilnehmende knüpften neue Netzwerke. Inhaltliches drang meist nicht nach außen und wird es wohl auch in diesem Jahr nicht, denn: Der Vatikan hat erneut eine Informationssperre verhängt. Die Synodalen dürfen nicht über Wortmeldungen, Diskussionen und Abstimmungen in der Aula berichten. Das solle den gemeinschaftlichen Geist stärken und einen Vertrauensrahmen schaffen, so die Synodenplaner rund um Kardinal Mario Grech.
Den Auftakt der zweiten römischen Weltsynoden-Versammlung bilden zwei Besinnungstage im Vatikan ab dem 30. September. Am Vorabend der großen Eröffnungsfeier soll dann ein Bußgottesdienst im Petersdom stattfinden. Im Rahmen dieses Gottesdienstes sollen auch Opfer von Ausgrenzung und Gewalt zu Wort kommen. Am 2. Oktober beginnt die Sitzungsphase. Sie wird feierlich mit einer Messe auf dem Petersplatz eröffnet.
Tagesablauf der Synode
Anschließend beginnt die inhaltiche Arbeit der Synode. In der Regel treffen sich die Synodalen Montag bis Samstag um 8:45 Uhr in der Audienzhalle zu einem Morgengebet. Gearbeitet wird dann – von einer dreieinhalbstündigen Mittagspause unterbrochen – bis 19:30 Uhr. Einmal die Woche feiern die Synodalen gemeinsam eine Eucharistiefeier im Petersdom. Samstagnachmittag und sonntags haben sie in der Regel frei. In dieser Zeit sind sie eingeladen, römische Pfarreien zu besuchen. Zudem werden Tagungen, Vernetzungstreffen und Empfänge ihre Terminkalender auch in den freien Stunden füllen.
Die Tagesordnung entspricht den Themen des Arbeitspapiers der Synode, dem sogenannten Instrumentum laboris. Anhand dessen Gliederung sollen die Synodalen herausarbeiten, was dem Papst am Ende der vier Wochen als Reform- und Handlungsvorschläge vorgelegt wird. In vier mehrtägigen Arbeitseinheiten widmen sich die Synodalen einzelnen Aspekten des Arbeitsdokuments. Eine fünfte größere Einheit am Ende ist für die Schlussabstimmung vorgesehen.
Die Arbeitsweise der Synode ist eine Mischung aus Gespräch und Meditation. Diese "Spirituelle Konversation" (Abwechslung von Redebeiträgen und Gebeten ohne direkte Interaktion) wurde auch im vergangenen Jahr angewandt. In moderierten Kleingruppen, zu je 10 bis 12 Personen können von jedem bis zu dreiminütige Statements abgegeben, dann folgt Stille. Große Countdown-Uhren helfen, die Balance zu wahren. Anschließend wird nacheinander über die Eindrücke des Gehörten gesprochen, um dann – nach einer weiteren Stille – eine Zusammenfassung des Gesagten und Gefühlten für die Generalversammlung zu erstellen.
Im vergangenen Jahr resümierte der synodenerfahrene Kardinal Christoph Schönborn, dass es wohl mehr Frieden auf der Welt gäbe, würden auch Politiker so arbeiten, wie die Weltsynode im Vatikan. Synodale aller kirchenpolitischen Lager berichteten von einer Atmosphäre intensiven Zuhörens. Von vielen war aber auch zu hören: Es koste Nerven der anderen Position widerspruchslos zuzuhören. Andere nahmen die Methode zudem als zeitaufwendig und wenig zielführend wahr.
Synodalität und Demokratie
Erklärtes Ziel der Synode ist es laut Vatikan, die Synergien zwischen Laien, Bischöfen und Papst zu nutzen, um jeden nach seiner Funktion einzubinden. Rom hat dazu klare Vorstellungen: "Die Konsultation des Gottesvolkes bringt keineswegs die Übernahme der Prinzipien der Demokratie, die auf dem Mehrheitsprinzip beruhen, im Inneren der Kirche mit sich."
Nachdem im vergangenen Jahr die Synode deutlich von der römischen Außenwelt abgekoppelt war, haben die vatikanischen Synodenplaner zwei große Themenabende angesetzt, bei denen Experten und Expertinnen Synodalität aus verschiedenen Blickwinkeln erläutern und diskutieren werden. Zu diesen Abenden sind auch Nicht-Synodale eingeladen.
Diese Öffnung der Synodenwelt macht deutlich, was Papst Franziskus seinen Synodenplanern mit auf den Weg gegeben hat: Alle sollen gehört werden, alle sollen teilnehmen. In unzähligen Variationen wiederholten Papst und Synodenplaner diese Einladung zur Teilnahme. Die Synode soll schließlich über den innerkirchlichen Umgang sprechen und neue Wege des Miteinanders und der Entscheidung ausloten. Dafür wurden seit Beginn der Weltsynode im Herbst 2021 einige Beteiligungsformate ausprobiert. Der dreijährige Prozess gilt als Herzensprojekt von Franziskus. Der Vatikan befragte Gläubige in ihren Diözesen und auf Länder- sowie Kontinent-Ebene. Die Ergebnisse dieser Zusammenkünfte wurden immer wieder nach Rom geschickt, dort zusammengefasst und erneut zur Lektüre in alle Welt geschickt. Auf Grundlage der daraus resultierenden Rückmeldung tagte im vergangenen Jahr die erste Vollversammlung der Weltsynode in Rom.
Auch sie produzierte ein Papier mit Wünschen und Anregungen. Einer der Wünsche: Ortspfarrer sollten mehr in das Verfahren eingebunden werden, denn das Interesse an der Weltsynode an der Basis war eher zurückhaltend. Rückmeldungen der einzelnen Befragungen lagen meist im unteren Prozentbereich. Also lud der Vatikan Ende April 2024 mehrere hundert Priester nach Rom, um ihre Alltagserfahrungen zu hören. Ihre Berichte sollen nun in der Synodenaula eine Rolle spielen.
Bei all diesen Partizipationsangeboten wurden die römischen Synodenplaner nicht müde darauf hinzuweisen, dass es bei der Weltsynode rein um das Miteinander und nicht um Sach- oder gar Reformthemen gehen solle. Doch schnell stellte sich heraus, dass die Synode nicht im luftleeren Raum stattfindet. Immer wieder waren fehlende Leitungskompetenz des Klerus, die Frage nach der Rolle der Frau, fehlende Glaubensbildung in den Pfarreien, sexueller Missbrauch, Armut, Verfolgung, Klimawandel, Inkulturation der Liturgie und viele andere Themen Gegenstand der Gespräche. Der Vatikan versuchte zwar immer wieder auf das Metathema "Synodalität" zuzuspitzen, doch wann immer über die Grundfrage "Wie wollen wir gemeinsam Kirche sein?" diskutiert wurde, landeten die Synodalen schnell bei Sachthemen.
Auch das erste römische Treffen der Weltsynode bat nach vierwöchigen Beratungen schließlich den Papst um Prüfung möglicher Reformen und kirchenrechtlichen Veränderungen. Das Abschlusspapier befürwortet das Bemühen um eine veränderte Sexualmoral sowie um eine verständliche und geschlechtergerechte Sprache bei Gottesdiensten. In der Frage des Zugangs von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern hält der Text unterschiedliche Meinungen fest, die nicht in einen Konsens mündeten. Das Dokument formuliert zudem den Wunsch einer stärkeren Dezentralisierung der Kirche mit nationalen und kontinentalen Bischofsversammlungen und eine stärkere Beteiligung von Laiinnen und Laien bei Bischofsernennungen.
Im März entschied Papst Franziskus dann überraschend, einige der umstrittensten Fragen Expertengruppen zu überlassen – darunter beispielweise die Frage nach der Diakoninnenweihe. Ein Zwischenergebnis soll nun in Rom präsentiert werden. Jüngst erklärte der vatikanische Synodenorganisator Kardinal Mario Grech, dass mit der Verlagerung der Diskussion eine ewige Wiederholung in der Aula vermieden werden solle. Der Papst habe gehört, dass diese Themen drängen und kümmere sich nun. Die Synode könne sich nun wieder ihrem Thema Synodalität widmen, so Grech. Die Entscheidung löste bei Synodalen Verwunderung aus. Progressive Kräfte vermuteten eine Verzögerungstaktik des Vatikans. Synodalitätsexperten wie der venezolanische Theologe Rafael Luciani, der Teil des Synodenorganisations-Teams ist, widersprachen diesem Vorwurf.
Bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz kritisierte DBK-Chef Georg Bätzing in der vergangenen Woche, dass die Themen der Weltsynode eingegrenzt worden sind. "Das ist zwar verständlich, macht es den Teilnehmenden aber oft nicht leicht, das zur Sprache zu bringen, was ihnen auf den Nägeln brennt und am Herzen liegt." Insbesondere müsse die Weltsynode in der Frage nach einer Teilhabe von Frauen in der Kirche "konkrete Schritte" finden, fügte Bätzing hinzu. Er wünsche sich, dass die katholische Kirche ermögliche, dass Frauen die Diakonatsweihe bekommen können.
Die Themen der Versammlung
Das Arbeitspapier der nun anstehenden Weltsynoden-Runde hebt statt der berüchtigten "heißen Eisen" vor allem atmosphärische Fragen hervor. Grundlegend wird nach dem Verhältnis von Gemeinschaft und Unterschiedlichkeit in der Kirche gefragt. Aber auch das Verhältnis von Ortskirche und Weltkirche, sowie von Laien und Klerus spielt eine Rolle. Insbesondere die Frage nach Entscheidungsprozessen und Transparenz bekommt weiten Raum im Arbeitspapier. Die Synodalen werden in den kommenden Wochen zudem besprechen, wie das Prinzip der Transparenz und Rechenschaftspflicht künftig auch für die höchste Hierarchieebene gelten könne: Vorgeschlagen wird etwa, dass der Papst Gesetze künftig erst nach gemeinschaftlichen Beratungen verkünden solle.
Ob und wie diese Bemühungen fruchten werden, wird von Beobachtern unterschiedlich bewertet. Der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke kritisiert beispielsweise den Anschein, Synodalität habe auch nur im Entferntesten etwas mit demokratischer Mitbestimmung zu tun. Lüdecke spricht von "symbolischer Partizipation" und "Demokratieersatz", die letztlich zu Frustration und Ermüdung des Kirchenvolkes führten.
Der portugiesische Kurienkardinal Jose Tolentino de Mendonca sieht die Einführung synodaler Beratungen in der katholischen Kirche hingegen als zukunftsweisende Veränderung an. Es gehe darum, die Kirche nicht mehr als eine Pyramide zu sehen, sondern als einen lebendigen Organismus. Die Weltsynode werde dazu beitragen, das klar zu erkennen, und es werde weitreichende Konsequenzen für die Zukunft haben.
Auch deutsche Kirchenfunktionäre setzen ihre Hoffnung auf die Beratungen der Weltsynode. Jüngst reiste eine Delegation des Zentralkomitees der deutschen Katholiken nach Rom und warb dabei unter anderem auch für das Reformprojekt "Synodaler Weg". Die Weltsynode zeige, dass die deutschen Reformthemen weltweite Themen seien und der Vatikan sie nicht ignorieren könne, betonen Vertreter des Präsidiums immer wieder.
Bischof Stefan Oster ist davon überzeugt, dass dabei von deutscher Seite durchaus spezielle Perspektiven eingebracht werden können. Dazu gehöre etwa, "dass wir seit langem gute Strukturen der Beteiligung von Laien im kirchlichen Leben haben", sagte er dem "Passauer Bistumsblatt". Außerdem scheine ihm, dass man in Deutschland in der Erkenntnis und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs schon wichtige Schritte gegangen sei, die viele Ortskirchen in anderen Ländern noch vor sich hätten.
So sieht es auch der Jesuit und Publizist Andreas R. Batlogg. Er zeigte sich zuletzt optimistisch, dass die zweite Session der Weltsynode zu konkreten Ergebnissen und Veränderungen führen werde. Papst Franziskus werde nicht wie nach der Amazonas-Synode starke Voten einfach übergehen können, sagte er in einem Interview.
Am Ende entscheidet der Papst
Dass der Papst sehr wohl Themen ignorieren kann, hat er nicht zuletzt bei der Amazonassynode bewiesen, als er die Bitte um Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe in seinem Abschlussschreiben nicht zuließ. Nun nimmt die Weltsynode ihre Arbeit auf. Welche Bitten sie an den Papst richtet, wird sich Ende Oktober zeigen. Welche dieser Bitten der Papst in souveräner Entscheidung annehmen wird, zeigt sich wohl erst Anfang 2025 wenn das nachsynodale Schreiben veröffentlicht wird.
Das Instrumentum Laboris
Worüber sprechen die Synodalen in Rom? Das Instrumentum Laboris gibt Aufschluss.