Standpunkt

Kirche muss sich vom Ballast der gekränkten Grübelei befreien

Veröffentlicht am 26.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Peter Otten – Lesedauer: 

Köln ‐ Bischof Georg Bätzing hat es bei der DBK-Vollversammlung seinen Mitbrüdern in Erinnerung gerufen: Den meisten Menschen fehlt ohne Kirche und Glaube nichts in ihrem Leben. Peter Otten plädiert dafür, diese Analyse schonungslos anzunehmen.

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"Tatsache ist, dass den meisten nichts fehlt, wenn sie ohne Religion und Glauben ihr Leben gestalten." Diesen Gedanken hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, vor ein paar Tagen in einer Predigt bei der Vollversammlung der deutschen Bischöfe gesagt. Gott als Begründung ethischer Entscheidungen und moralischen Handelns falle zunehmend weg. Damit hat er einen Gedanken des Pastoraltheologen Jan Loffeld aufgegriffen. Er hat ja dazu bekanntlich ein ganzes Buch geschrieben.

Dieser Gedanke ist auf den ersten Blick kränkend. Denn niemand empfindet sich und das, wovon er überzeugt ist leichthin als unbedeutend, ohne Resonanz und (Selbst)wirksamkeit. Kein Bäcker, keine Schauspielerin, keine Theologin und eben auch kein Bischof. Was ist also zu tun? Loffeld empfiehlt, die Prämisse zu ändern, von der her die Kirche immer noch weitgehend ihre Aufgabe versteht. Die meisten Menschen haben aus sich heraus kein Bedürfnis nach religiös fundiertem Lebenssinn. Sich daran weiter abzuarbeiten und sich durch fehlende Resonanz kränken zu lassen macht keinen Sinn.

Wer das hingegen akzeptiert und die Kränkung fahren lässt, der bekommt neue Freiräume. Zum Beispiel für das, was Theologie und Konzil die Sakramentalität der Kirche nennen. Wo sie also bescheiden und überzeugend, aber in jedem Fall für neugierig Umherstehende spürbar und auch auf neuen Wegen Werkzeug für die unbedingte Zuneigung Gottes ist. Die Kirche dachte über lange Zeit, dass sie aus sich selbst Bedeutung hat. Das war ein Denkfehler. Bedeutung bekommt die Kirche von anderen verliehen, geschenkt. Nämlich da, wo sie in der Welt um Gottes Willen einen Unterschied macht.

Dort, wo die Welt zu fragen beginnt: Warum machst du einen Unterschied – wenn Menschen krank werden? Wenn sie sterben, wenn Tiere gequält werden, wenn Fremde verjagt oder an den Grenzen verprügelt werden? Warum geht dir das nahe? Woher nimmst du mitten in der Verzweiflung die Hoffnung? So besehen könnte – befreit vom Ballast der gekränkten Grübelei – der Kirche eine aufregende Zeit bevorstehen.

Von Peter Otten

Der Autor

Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.