Regens: Keine verbindliche Zahl für Priester-Ausbildungsstandorte mehr
Bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda beraten die deutschen Bischöfe auch über die Zukunft der Theologie in Deutschland. In den Konkordaten ist die Existenz der Theologischen Fakultäten mit der Priesterausbildung verknüpft. Wie die Theologie sich heute profilieren sollte, erklärt der Fuldaer Regens Dirk Gärtner im katholisch.de-Interview. Außerdem spricht der Vorsitzende der Regentenkonferenz in Deutschland über die Zukunft der Priesterausbildung und verrät, wann mit einer neuen Rahmenordnung zu rechnen ist.
Frage: Herr Gärtner, seit einigen Jahren wird über die Neuordnung der Priesterausbildung in Deutschland diskutiert. Erst hieß es, es werde künftig nur noch drei Standorte geben, dann wurden daraus zehn. Bei welcher Zahl stehen wir denn jetzt?
Gärtner: Neuordnung meint eigentlich zwei Dinge. Zum einen die Standorte selbst, aber auf der anderen Seite auch die qualitative Weiterentwicklung der Priesterausbildung. Die Standortfrage steht tatsächlich weiter im Raum und es gibt momentan kein Gesamtkonzept für Deutschland. Einige Diözesen haben sich auf kleinere Kooperationen verständigt.
Frage: Es gibt also keinen konkreten Plan, sondern die Bistümer schauen selbst einzeln, inwiefern sie miteinander kooperieren wollen?
Gärtner: Tatsächlich war es Aufgabe der Bistümer, sich neu darüber zu verständigen, an welchen Ausbildungsstandorten sie ausbilden wollen. Diese Prozesse sind zum Teil mit dem Ergebnis gelaufen, dass manche Zusammenlegungen stattgefunden haben und andere nicht. Aber es gibt keine verbindliche Zahl, wie seinerzeit die drei Standortvorschläge Münster, München und Mainz im ursprünglichen Konzept. Das Thema ist erstmal vom Tisch.
Frage: Woran liegt das?
Gärtner: Die Diözesen haben natürlich unterschiedliche Notwendigkeiten, wonach sie einen Standort aufrechterhalten oder schließen. Die Motive dafür sind sehr unterschiedlich.
Frage: Mit der Frage der Standorte ist auch die Frage der Existenz von katholischen theologischen Fakultäten verbunden. Sie sind selbst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Regensburg. Auch die Bischöfe diskutieren bei ihrer Vollversammlung über die Zukunft der Theologie in Deutschland. Was müssen katholische Fakultäten Ihrer Meinung nach tun, um auch ohne Priesterausbildung ihre Existenz erhalten zu können?
Gärtner: Wir werden in Zukunft nicht mehr nur auf die Regelungen, die sich aus dem Konkordat ergeben, pochen können, sondern wir werden in der Theologie hoffentlich innovative Projekte und Studiengänge haben, die die Relevanz des Fachs aufzeigen. Es gibt inzwischen an mehreren Fakultäten theologische Studiengänge, die zwar nicht kanonisch sind, aber die nochmal andere Praxisrelevanz haben und in andere Themenfelder eingebettet sind. Diese Studiengänge erweisen sich als Zugpferde im Sinne der Nachfrage. Ein Beispiel ist der Studiengang "Perimortale Wissenschaften" in Regensburg. Dort haben wir jedes Jahr 25 bis 30 Neuanfänger in einem theologischen Studiengang, der sich mit den Fragen von Tod und Sterben auseinandersetzt. Und es gibt weitere Beispiele von anderen Universitäten.
Frage: Reicht das denn aus, um in Zukunft den Standort an sich und die Lehre an einem Standort fortbestehen zu lassen und den Status als Fakultäten zu sichern, auch wenn keine Priester und vielleicht auch keine Religionslehrerinnen und Religionslehrer mehr ausgebildet werden?
Gärtner: Nochmal: Die Frage ist zunächst, ob Theologie eine Relevanz im gesellschaftlichen Diskurs hat. Damit setzen wir einen ersten Fuß nach vorne, um zu signalisieren: Wir sind ein Player, mit dem man sich auseinandersetzen muss, an uns kommt man nicht vorbei. Das Übrige wird sich dann zeigen, da wage ich noch keine Prognose. Ich nehme aber schon wahr, dass viele Fakultäten inzwischen den Weckruf verstanden haben und tatsächlich Innovatives auf den Weg bringen. Wir werden nicht alles durchtragen können, aber überhaupt mal Risikobereitschaft zu besitzen und in den Diskurs zu gehen ist schon ein Gewinn. Inzwischen ist man weg von einem "Weiter so" oder dem bloßen Festhalten an Konkordaten – nicht nur in Regensburg.
Frage: Welche Veränderungen sehen Sie derzeit noch in der Priesterausbildung in Deutschland?
Gärtner: Wir stehen vor der Approbation der neuen Rahmenordnung für die Priesterausbildung und denken momentan sehr intensiv über die Implementierung nach. Wir sind da in einem intensiven Prozess und lassen uns auch von außen beraten. Außerdem haben wir auch jetzt schon eine Diversifizierung der Ausbildungsstandorte.
Frage: Was heißt das konkret?
Gärtner: Wir werden vermutlich zwar immer noch eine Reihe von Priesterausbildungsstandorten haben, aber mit einer unterschiedlichen Akzentuierung in der Programmgestaltung in der Art, wie dort ausgebildet wird. Wir haben beispielsweise einige Propädeutika in Deutschland, die inzwischen von mehreren Diözesen beschickt werden, und die sich unterschiedlich profilieren. Diese Diversifizierung ist eine Chance, Bewerber mit unterschiedlichen biografischen Zugängen zu unterschiedlichen Propädeutika zu entsenden. In Fulda machen wir es schon so, dass wir nicht mehr als geschlossene Fuldaer Gruppe nach Frankfurt oder München gehen, sondern auf den einzelnen Kandidaten schauen. Das ist ein Experiment, das nicht alle Diözesen so machen, wir setzen es aber bereits so um.
Sellmann zu Studie: Den Priesterberuf nicht "musealisieren"
Junge Priester haben ein Selbstverständnis, das mit der modernen Gesellschaft fremdelt: Das sagt eine neue Untersuchung. Studienleiter Matthias Sellmann erklärt im katholisch.de-Interview, warum ihn das beunruhigt – und welche neuen Ansätze in der Ausbildung und beim Priesterbild nötig seien.
Frage: Im Mai wurden die Ergebnisse einer Priesterstudie im Auftrag der Bischofskonferenz veröffentlicht. Eines der Ergebnisse: Die Mehrheit der jungen Priester repräsentiert immer weniger die Mitte der Gesellschaft, sondern zunehmend einen konservativen Rand. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Gärtner: Ich glaube, dass man die Priesterstudie noch einmal genau lesen muss. Die Überschrift lautet "Wer wird Priester?". Wir haben also nach den Motivationsquellen für jene gefragt, die Priester werden wollen. Das war der Fokus. Was sich später in der Berichterstattung über die Studie darübergelegt hat, ist die Frage, welches Milieu wir möglicherweise ansprechen und wo es Milieuverengungen gibt. Die gibt es – aber die gibt es auch in anderen gesellschaftlichen Gruppierungen. Das nehme ich erstmal wahr, ohne dass es mir Sorgen macht.
Frage: Trotzdem spricht die Priesterausbildung offenbar vor allem Männer aus einem bestimmten konservativen Milieu an. Muss man in der Priesterausbildung darauf reagieren, weil die Priester vielleicht nicht mehr "repräsentativ" sind für die Kirche, in der sie wirken?
Gärtner: Es gibt hier sicher unterschiedliche Deutungen davon, was repräsentativ bedeutet. Ich glaube, dass wir in der Vielgestaltigkeit der Lebensläufe eine sehr große Breite haben. Allen Kandidaten gemein ist ein starker Fokus auf Spiritualität und Glaube. Das ist zunächst einmal sehr positiv. Werdende Priester legen großen Wert darauf, Glaubensprozesse und Menschen persönlich zu begleiten.
Frage: Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass junge Priester sich vor allem als Seelsorger sehen und nicht so sehr als Chef oder Manager. Auf Dauer wird sich das aber wohl kaum verhindern lassen. Wie muss die Priesterausbildung darauf reagieren?
Gärtner: Die Studie macht deutlich, dass wir in der Kommunikation dessen, was die Aufgabenbeschreibung und Rolle von Priestern angeht, noch Nachholbedarf haben. Das führt dann dazu, dass es oft auch knirscht und junge Priester nicht so gerne in die Rolle leitender Verantwortung hineinwachsen wollen. Ich würde aber gerne noch einen anderen Punkt in den Blick nehmen.
Frage: Und zwar?
Gärtner: Viele fühlen sich als Priester berufen, aber nicht als Pfarrer. Die Frage ist doch: Ist die Pastoral nur eine Pastoral territorialer Pfarreien, oder gibt es da noch mehr? Auch hier nehme ich eine Veränderung in fast allen 27 Diözesen wahr: Wir erlauben uns, auch jenseits der territorialen Pfarrseelsorge zu denken und das ermöglicht es, dass auch solche Männer Priester werden können, die sich die Leitung eines riesigen pastoralen Raums nicht zutrauen. Auch hier wird es Reibungspunkte geben, weil bestimmte Notwendigkeiten da sind und wir auch in der Fläche Priester brauchen. Aber dieses Umdenken in den Seelsorgeämtern erlaubt es uns, dass wir mit der Pastoral auch in andere Bereiche gehen oder innovativ werden können, wo wir bisher vielleicht noch gar nicht präsent sind.
„Dieses Umdenken in den Seelsorgeämtern erlaubt es uns, dass wir mit der Pastoral auch in andere Bereiche gehen oder innovativ werden können, wo wir bisher vielleicht noch gar nicht präsent sind.“
Frage: Braucht es also neue Leitungsmodelle, die es ermöglichen, dass nicht nur ein Priester eine Pfarrei leiten kann?
Gärtner: Ich würde es sogar noch prinzipieller sagen: Wir müssen neu über die Verhältnisbestimmung zwischen sakramentaler Weihe und Leitung nachdenken. Das ist eine Thematik, die bis ins Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) zurückreicht, wo bereits die Frage aufkam, ob jemand eine Diözese leiten kann, der kein Bischof ist, sondern "nur" Priester. Das Konzil hat die sakramentale Weihe und Leitung zusammengebunden. Heute müssen wir aber die Frage stellen, ob das so noch Sinn ergibt. Faktisch sind ja in fast allen Diözesen Experimente zu Leitungsformen im Gange. Das läuft relativ geräuscharm und ich habe nicht den Eindruck, dass sich da weltkirchlich irgendwelche Schwierigkeiten auftun. Ich habe eine Zeit lang in Brasilien gelebt und dort erlebt, dass Teams ganz selbstverständlich einen Kirchort leiten und ein Priester dann für sakramentale Handlungen oder die Abstimmung in der Pastoral dazukommt.
Frage: Sie haben die neue Rahmenordnung für die Priesterausbildung angesprochen. Die ist schon länger angekündigt, liegt aber noch immer nicht vor. Woran hapert es?
Gärtner: Es hapert gar nicht. Die Redaktionsgruppe unter der Leitung von Bischof Michael Gerber hat sich erlaubt, in einen längeren Arbeitsprozess zu gehen und diesen auch bewusst synodal auszugestalten. Wir erarbeiten den Text also nicht nur auf Ebene der Regenten, sondern beziehen auch andere beteiligte Gruppen mit ein, also etwa die Seminaristen und andere Experten der Ausbildung. Daher mag der Redaktionsprozess langsam erscheinen, aber der Text ist im gemeinsamen Nachdenken entwickelt worden. Wir haben also hoffentlich hinterher weniger Einsprüche, weil diese schon im Vorfeld aufgefangen wurden.
Frage: Was ist denn aus Ihrer Sicht als Priesterausbilder ein konkreter Punkt, in dem es eine Änderung in der neuen Rahmenordnung geben wird?
Gärtner: Wir sind weggegangen von einem reinen Modulhandbuch, und wollten stattdessen auch Ausbildungsdynamiken und Prozesse beschreiben. Wir wollten darstellen, dass es auch beim Priesterwerden um ein wirkliches Werden geht – also etwas, das sich biographisch in der Identität entwickelt. Damit eine hoffentlich gedeihliche Ausbildungsentwicklung möglich ist, können die Verantwortlichen in der Priesterausbildung zunächst nur die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen.
Frage: Gibt es schon einen Plan, bis wann die Rahmenordnung vorliegt?
Gärtner: Wir sind in den letzten Zügen. Es gab jetzt noch einige Redaktionsschleifen mit den römischen Dikasterien und ich hoffe wirklich, dass wir noch in diesem Jahr zu einem guten Abschluss kommen werden.