Theologe: Klimakrise muss im Gottesdienst thematisiert werden
Der Theologe und Physiker Georg Sauerwein sieht in der Liturgie Herausforderungen und Chancen, die Klimakrise zu thematisieren. Als Christen verfüge man über einen "enormen Schatz an vielfältigen Ansätzen, um mit dieser Krise umzugehen, und wir können zudem auch in gewissem Maße auf andere religiöse Traditionen zugreifen und zudem Neues entwickeln", schreibt Sauerwein in einem Beitrag für das Onlineportal "Feinschwarz" (Donnerstag). Die Klimakrise zu ignorieren, so der Theologe, berge nicht nur die Gefahr des Realitätsverlustes in sich, sondern sei vor allem verantwortungslos gegenüber den Menschen, die die Klimakrise nicht ignorieren könnten.
Das bedeute aber nicht, dass jeder Sonntagsgottesdienst ein Klimagottesdienst sein müsse. "Aber so wie die Klimakrise immer wieder sehr deutlich unser Leben und ganz besonders das Leben marginalisierter Menschen beeinflusst und verändert, so muss sie auch unsere Liturgie beeinflussen und verändern", betont Sauerwein. Er selbst sehe darin eine "ermutigende Herausforderung", gerade in einer Zeit abnehmender Religiosität und leerer Kirchen. Ermutigend findet er in diesem Zusammenhang das große Interesse von Aktivisten an der theologischen und spirituellen Auseinandersetzung und Verarbeitung der Klimakrise.
Andachten immer politisch und öffentlich
Spiritualität gehe aber über Emotionen hinaus, deshalb brauche die Klimakrise politische Antworten und politisches Engagement, so Sauerwein. Liturgie und Spiritualität stünden dabei vor der Frage, wie sie weder in eine "unmoralische Vertröstung" noch in eine rein politische Indienstnahme abdriften könnten. "Andachten sind aber immer gemeinschaftlich und damit öffentlich, sodass sie auch in gewisser Weise immer politisch sind. Die Klimakrise und die mit ihr verbundenen Verantwortlichkeiten zu verschweigen ist auch ein politischer Akt", betont der Theologe, der Mitherausgeber eines gerade erschienenen Buches mit Entwürfen für Klimaandachten und -gottesdienste ist.
Die Inhalte einer Andacht könnten politisch sein, aber auch die Andacht selbst könne als politischer Akt verstanden werden – "ob beim Erntedank in der Kirchengemeinde, bei der Andacht vor dem Klimastreik oder bei Andachten, die während zivilen Ungehorsams stattfinden", so der Theologe, der unter anderem Mitglied bei der Bewegung "Christians for Future" ist. Die spirituelle Auseinandersetzung mit der Klimakrise wird die Kirchen nach Ansicht von Sauerwein so lange begleiten, wie die Klimakrise andauert. Deshalb werde es immer wieder neue Überlegungen und Versuche geben müssen, so der Theologe. Und: "Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer spürbarer und dramatischer. Wir können nicht früh genug damit anfangen sowohl theologisch als auch spirituell unsere Antworten zu vertiefen." (mtr)