Schwester Jakoba Zöll über das Sonntagsevangelium

Das Kriterium Jesu ist die Vielfalt

Veröffentlicht am 28.09.2024 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Olpe ‐ Im Sonntagsevangelium geht es dieses Mal um Zugehörigkeit und dass diese Gegenstand von Diskussionen ist. Doch Jesus weitet den Blick, die Vielfalt spielt eine wichtige Rolle, schreibt Schwester Jakoba Zöll.

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Das heutige Sonntagsevangelium beginnt direkt nach dem Streit der Jünger darum, wer von Ihnen der Größte ist und Jesus ein Kind in Ihre Mitte stellt.

Johannes kommt zu Jesus und erzählt ihm davon, dass die Jünger einen Menschen gesehen haben, der in Jesu Namen Dämonen austreibt, aber nicht zum Jüngerkreis gehört. Sie haben versucht, ihn daran zu hindern. Johannes stellt hier keine Frage, er will nicht wissen, was er und die anderen in einem solchen Fall zu tun haben, er erzählt Jesus, in meinen Ohren höre ich schon den empörten Tonfall, wie sie gehandelt haben und erwartet Bestätigung, vielleicht sogar ein Lob für ihren hehren Einsatz. Stattdessen sagt Jesus: "Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns." (Mk 9,39-30) Ziemlich plakativ klingt das und zudem noch sehr vereinfachend. In jedem Fall aber gegensätzlich zu dem, was Johannes von seinem bzw. der Jünger Tun berichtet hat. Beide, Johannes und Jesus, legen unterschiedliche Kriterien für Zugehörigkeit zu Jesus an.

Für Johannes gehört dazu, wer "uns" (Mk 9,38), also der Jüngergruppe um Jesus nachfolgt. Das tut der besagte Mensch nicht, damit ist alles andere, zum Beispiel sein Handeln in Jesu Namen und die erfolgreichen Dämonenaustreibungen, völlig irrelevant. Für Jesus gehört dazu, wer "in meinem Namen" (Mk 9,39) handelt, Machttaten vollbringt, und wer "nicht gegen uns" (Mk 9,40) ist. Der Fremde erfüllt beide hier von Jesus genannten Kriterien für die Zugehörigkeit zu ihm, er handelt ganz explizit in Jesu Namen und vollbringt mit den Dämonenaustreibungen große Machttaten. In keiner Weise wird aus dem Bericht des Johannes deutlich, dass er gegen Jesus ist, damit ist er nach Jesu eigenen Worten für ihn.

Jesus grenzt nicht ab oder aus, er entgrenzt. Zugehörig zu Jesus sein (und in seinem Namen wirksam Heil bringen!) kann, wer immer in Jesu Namen handelt und nicht gegen ihn ist. Für mich ist das heutige Evangelium eine Erinnerung daran, dass nicht mein Glauben, meine Spiritualität, meine Art zu beten, mein Lebensentwurf oder meine kirchenpolitischen Positionen die einzig wahre ist. In Jesu Kriterien von Zugehörigkeit und Nachfolge passt lebendige Vielfalt, die Diskurs aushalten kann. Nicht das Ringen miteinander und umeinander wird damit verbannt, sondern das generalisierte Urteil, das Ab- und Ausgrenzen von Menschen aufgrund, im Lichte dieses Evangeliums, fadenscheiniger Unterschiede. Mit dem Evangelisten Markus lässt sich mit einem Augenzwinkern hinzufügen, dass genau da, wo wir den Menschen Zugehörigkeit zu Jesus absprechen, häufig das gelingt, was uns selbst schmerzlich misslingt – der Fremde treibt erfolgreich Dämonen aus, während die Jünger Jesu nur ein paar Perikopen zuvor genau daran gescheitert waren.

Aus dem Evangelium nach Markus (Mk 9,38-43.45.47-48)

In jener Zeit sagte Johannes, einer der Zwölf, zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen. Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde. Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.

Die Autorin

Schwester Jakoba Zöll ist Olper Franziskanerin. Sie arbeitet an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und schreibt an ihrer Promotion.

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