Schweizerin ist bei Gesprächen dabei

Synodale: Rechne bei Weltsynode mit dynamischem Auftakt

Veröffentlicht am 29.09.2024 um 12:00 Uhr – Von Helena Jeppesen-Spuhler – Lesedauer: 
Helena Jeppesen-Spuhler
Bild: © privat

Rom ‐ In Rom beginnt in diesen Tagen die nächste Etappe der Weltsynode. Die Schweizer Synodale Helena Jeppesen-Spuhler schreibt in ihrem Gastbeitrag über die Ausgangslage und ihre Erwartungen für die Gespräche. Sie rechnet mit einem dynamischen Auftakt.

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Die Zweite Sitzung der Weltsynode startet in diesen Tagen. Ich bin bereits in Rom und freue mich auf das Miteinander und auf die Beratungen und hoffentlich auch auf zukunftsweisende Beratungen und Empfehlungen an Papst Franziskus in den nächsten Wochen. Die Tatsache, eine von 54 Synodenfrauen mit Stimmrecht zu sein, ist für mich immer noch aufregend und eine Ehre. Gleichzeitig ist es mir Auftrag, mich für die vielen Frauen und Männer in allen Teilen der Welt einzubringen, die sich eine gleichberechtigte Kirche wünschen, die niemanden ausschließt und die hier nicht teilnehmen können. Ich bin durch meine berufliche Tätigkeit bei einem kirchlichen Hilfswerk viel gereist und habe erlebt, wie wichtig es ist, dass sich kirchliche Netzwerke in den entlegensten Gebieten der Welt für die Achtung der Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Dieses Engagement erfordert dringend Anpassungen in den kirchlichen Strukturen und Änderungen bei der Zulassung zu den Weiheämtern, damit die Botschaft nach Außen und deren Verwirklichung im Innern der Kirche übereinstimmen.

Ich kenne mittlerweile das Instrumentum Laboris sehr gut und freue mich darauf, mit den anderen Synodalen Rufzeichen und Fragezeichen zu setzen und zu diskutieren und auch Vorschläge für die Weiterarbeit, Vertiefung und Veränderung zu machen. Im letzten Jahr waren alle Ortskirchen aufgerufen, ihre Reflexion zum Synthesebericht zu machen und diesen wieder an das Synodenbüro zu schicken. Das ist größtenteils mit viel Engagement geschehen, sodass weltweit sehr ausführliche Prozesse in den Ländern dazu gemacht wurden.

In der Schweiz nehme ich immer wieder auch eine starke Zurückhaltung oder sogar Resignation in Bezug auf den synodalen Prozess wahr. Andererseits haben wir in der Schweiz bereits eine Synodalitätskommission ins Leben gerufen, die sich am 23. September zu ihrer konstituierenden Sitzung getroffen hat. Die Synode ist also schon spürbar in der Schweizer Kirche und somit wird Synodalität Schritt für Schritt mehr gelebt.

Bußfeier für Missbrauch

Bevor die Weltsynode startet, gibt es wieder Exerzitien für uns Synodale mit Beiträgen von Madre Ignazia Angelini und Timothy Radcliffe. Aus der Stille und aus diesen spirituellen Impulsen heraus können wir dann in den folgenden Beratungen schöpfen. Ich danke Papst Franziskus, dass er zu Beginn eine große Bußfeier im Petersdom macht, bei der er selber um Vergebung für den Missbrauch in der Kirche bitten wird. Dies halte ich für eine sehr wichtige Geste. Genauso wichtig ist aber auch, dass die Synode danach verbindliche Regelungen und Änderungen diskutiert, die die systemischen Ursachen der Missbrauchskrise angeht.

Der Papst hat gesehen, dass die katholische Kirche, so wie sie heute aufgestellt ist, ihre Botschaft nicht in dem Maß rüberbringen kann, wie sie eigentlich müsste. Weil sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt und ihr die Menschen davonlaufen. Für mich ist ganz klar: Wir brauchen echte, verbindlich geregelte Partizipation und Beteiligung – auch und gerade Beteiligung der Frauen auf allen Ebenen der Kirche – das ist mein Grundanliegen. Franziskus kommt ja aus Lateinamerika, wo man den Dialog mit den Gläubigen seit Langem praktiziert und eine Kirchenversammlung eingerichtet wurde, die die kontinentale Bischofskonferenz ergänzt. Diese Erfahrung scheint mir ein großer Vorteil für die Synode zu sein. Vor allem wir Europäerinnen und Europäer können von der Kirche Lateinamerikas viel lernen.

Die Synodenaula
Bild: ©Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

368 Synodale sind stimmberechtigt.

Die europäischen Synodalen haben sich ja Ende August in Linz zu Beratungen getroffen. Es war uns sehr wichtig, auch in Europa einen selbstverständlichen und verbindlichen Dialog untereinander aufzubauen. Das wird uns sicher auch nach der Weltsynode noch beschäftigen.

Ich nehme wahr, dass sich die Synodalen besser zusammengefunden haben als im letzten Jahr. Viele haben sich wirklich viel Zeit zu Vorarbeiten genommen. Ich hoffe aber, dass die inhaltlichen Arbeiten der Theologinnen und Theologen, der Länder und Ortskirchen ernst genommen werden. Ich frage mich, ob inhaltlich genug im Vorfeld gearbeitet wurde?

Arbeit mit Kommissionsberichten

Ein weiteres Thema in Linz war die Einbindung der zehn Kommissionen in die Synodalversammlung. Die dort behandelten Themen sind ja aus der Synode herausgewachsen und sollten auch wieder dorthin rückgebunden werden. Die Kommissionen liefern uns Anfang Oktober ihren Zwischenbericht. Die Endresultate aber kommen erst im Juni 2025. Als Synodale brauchen wir hier noch eine Möglichkeit, die Ergebnisse zu diskutieren. Das dürfte meiner Meinung nach bereits am Beginn der Synode ein wichtiges Thema werden: Ich rechne mit einem dynamischen Auftakt der Synode.

Auch die Frauenfrage wird wieder rasch im Gespräch sein. Sie ist kein primär europäisches Thema. Ganz und gar nicht! Geschlechtergerechtigkeit wird – in unterschiedlichen Gewichtungen – weltweit gefordert: Es gab auf kontinentaler Ebene keinen einzigen Bericht, in dem sie nicht vorkam. Die Zeit ist reif, hier mutige Veränderungen in der Kirche in die Wege zu leiten.

Papst Franziskus bei einer Ansprache
Bild: ©KNA/Romano Siciliani

Papst Franziskus hat einige Themen in Arbeitsgruppen ausgelagert.

Ich spüre hier auch einen gewissen Druck von unseren Gläubigen, dass wir Ende Oktober Resultate mitbringen. Ganz besonders hoch sind die Erwartungen in Bezug auf Frauen und Laien. Neben den Themen Gerechtigkeit und Gleichberechtigung werde ich mich auf die Partizipation auf Leitungsebene und auf die Kompetenzen der Ortskirche bei der Synode konzentrieren. Nur wenn die Ortskirche mehr Kompetenzen erhält, können wir die Kirche auch umbauen.

Mir ist wichtig, dass der Schlussbericht von allen Synodalen ausführlich diskutiert werden kann und nicht von einer kleinen Redaktion alleine geschrieben wird. Wenn wir von gemeinsamer Entscheidungsfindung und von Transparenz sprechen – wie es im Instrumentum Laboris sehr gut ausgearbeitet wurde, dann erwarte ich auch eine dementsprechende Arbeit an einem Schlussdokument.

Ich werde immer wieder gefragt, wie stark mein Geduldsfaden und wie groß mein Optimismus noch ist? Dieser Optimismus und meine Geduld sind ungebrochen stark. Ich komme aus der Menschenrechtsarbeit und ich pflege die Kontemplation und das Verweilen in der Stille. Das gibt mir Kraft. Ich setze mich seit Jahren zum Beispiel für Klimagerechtigkeit ein, auch wenn es manchmal aussichtslos scheint. Ich habe hier einen langen Atem. Und: Die katholische Kirche ist diverser und bunter, als man denkt! Das werden wir auch in der Weltsynode wieder spüren und als Schatz einbringen.

Von Helena Jeppesen-Spuhler