Standpunkt

Wenn die Tradition nicht überzeitig, sondern gestrig wirkt

Veröffentlicht am 30.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Jeremias Schröder OSB – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ein bisschen geht es beim Papst zu wie an einem Hof, beobachtet Abtprimas Jeremias Schröder. Darin sieht er auch Gutes, etwa in Sachen Inszenierung. Aber eine Begebenheit lässt ihn doch nachdenklich werden.

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Manchmal wird gerügt, dass es beim Papst immer noch wie an einem Hof zugeht. Das betrifft einerseits die Verwaltung, wo Nähe zum und Ferne vom Heiligen Vater vieles bestimmen. Es betrifft aber auch den Stil: Geistliche mit spätantiken Talaren, Schweizergardisten in ihren Renaissanceuniformen und Kammerherren, die dem 19. Jahrhundert entsprungen scheinen. Das fügt sich zu einem Gesamt, das etwas aus der Zeit gefallen wirkt. Man wird mitgenommen in Rituale und Gesten, die von einer langen Tradition getränkt sind. Gerade, weil das nicht nur rational erklärt werden kann, wirkt es. So gelingt es jeden Mittwoch, mit der eingespielten Zeremonie der Generalaudienz auf dem Petersplatz die vielen herbeigeströmten Gläubigen, Pilger und Touristen mit und durch den Papst zu einer fröhlichen und betenden Gemeinschaft zu verbinden, und das ist keine kleine Leistung.

So ganz rund läuft es dann aber doch nicht. Als die rund 215 Äbte und Prioren des Benediktinerordens zusammen mit den führenden Vertreterinnen der Benediktinerinnen zur Generalaudienz eingeladen waren, da sollte eine kleine Abordnung in den ersten Rang vorgelassen werden, dorthin wo sonst nur Bischöfe sitzen. Der scheidende Abtprimas und sein soeben gewählter Nachfolger (der Autor dieses Standpunkts), das war klar. Aber wer noch? Eine Äbtissin sollte mit, die Repräsentantin der rund 11.000 Benediktinerinnen. "La suora non può stare con i vescovi!" verkündete ein päpstlicher Kammerherr lapidar. Die Schwester kann nicht bei den Bischöfen sitzen. Genehm war dagegen der Abt von Montecassino. Dom Luca Fallica ist ein ehrenwerter und geschätzter Mann, und immerhin der Nachfolger des heiligen Benedikt. Er steht für eine große Tradition, aber auch für einen sehr überschaubaren Konvent von weniger als einem Dutzend Mönchen. Er durfte mit nach vorne, die Äbtissin, die Ordensfrauen auf der ganzen Welt repräsentiert, in hunderten von kontemplativen Klöstern ebenso wie in sozialen Brennpunkten auf allen Kontinenten, hatte im Glied zu bleiben.

Dem schneidigen päpstlichen Kammerherrn, der keinen Platz für "die Schwester" hatte, unterstellen wir keinen bösen Willen. Aber doch ein Gefangensein in Denkmustern, die verstaubt sind. Da wirkt das Höfische dann nicht mehr überzeitlich, sondern gestrig.

Von Jeremias Schröder OSB

Der Autor

Jeremias Schröder OSB ist Abtprimas der Benediktinischen Konföderation.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.